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  • 15.06.2010 14:50

  • von Roman Wittemeier

Le-Mans-Reglement: Gute Ideen, aber...

Der Reglement-Entwurf des ACO für 2011 kommt nur teilweise gut an: Angst vor falscher Einstufung, Prototypen bald zu langsam?

(Motorsport-Total.com) - Der ACO tritt mit dem neuen Reglement für 2011 auf die Kostenbremse und gibt in einem anderen Bereich kräftig Gas. Wie schon im vergangenen Jahr angekündigt, soll Le Mans zum großen Entwicklungsspielplatz für Hybrid-Technologie werden. Im neuen Regelwerk, das noch abschließend ausformuliert und bestätigt werden muss, sind viele Freiheiten für die Hersteller und Teams verankert - man wird ab 2011 voraussichtlich viele verschiedene Lösungen sehen.

Titel-Bild zur News:

Le Mans wird über ein neues Reglement ab 2011 für Hybridtechnik geöffnet

Allerdings haben nicht alle diesjährigen Le-Mans-Teilnehmer Lust auf Hybrid. Einer der größten Kritiker ist David Richards. Der Aston-Martin-Boss hat nichts gegen die Technologie an sich, kann sich aber kein eigenes Projekt in diesem Bereich vorstellen. "Aston Martin hat die Technologie nicht einmal für die Straßen-Sportwagen. Das große Thema der Zukunft ist Effizienz. Wir gehen eher über Leichtbau an diese Thematik heran, nicht über Hybridtechnik."#w1#

Aston Martin zögert noch

Bei der Gewichtsersparnis sind im Prototypensport natürlich Grenzen gesetzt. Die LMP-Fahrzeuge müssen ein Mindestgewicht auf die Waage bringen, der Aston-Martin-Ansatz wird also nicht funktionieren. "Wir halten es uns deshalb noch offen, ob wir 2011 mit einem neuen Auto nach Le Mans kommen", sagt der Brite im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Ein neues Fahrzeug ist in Planung, die Entscheidung über Bau und Einsatz aber noch nicht gefallen.

Richards sucht in den kommenden Wochen noch einmal das Gespräch mit dem ACO. "Ich will eindeutige Belege dafür, dass man im kommenden Jahr mit einem neuen Benziner genauso konkurrenzfähig sein kann wie mit einem Diesel oder einem Hybrid. Wir werden garantiert nicht einfach zum Spaß mitfahren. Wenn wir unser neues Auto bringen, dann muss zumindest eine realistische Aussicht auf Erfolge vorhanden sein", stellt Richards klar.

ACO-Präsident Jean-Claude Plassart stellte das Regelwerk in Le Mans vor Zoom

Im Bereich Hybrid steht Porsche bereits mit einem GT-Auto vor der Tür. Am Wochenende in Le Mans fuhr man bereits Demorunden mit dem 911 GT3 R Hybrid, der vor wenigen Wochen beinahe das 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife gewonnen hätte. Der Wagen wird noch in diesem Jahr am "Petit Le Mans" auf der Road Atlanta teilnehmen, allerdings nicht in der ALMS gewertet. "Manchmal muss man einen solchen Weg wählen", sagt Porsche-Sportchef Hartmut Kristen mit Blick auf die Vorbereitung für 2011.

Mit 60 km/h durch die Boxengasse

Porsche setzt beim 911er auf den Schwungradspeicher, der in den Bremsphasen auf Drehzahl gebracht wird. Die Hybridenergie wird über zwei Elektromotoren auf die Vorderachse abgegeben. Das ACO-Reglement stellt noch ganz andere Lösungen in Aussicht. Die Rückgewinnung darf beispielsweise auch im Bereich Wärmeengerie an Auspuff und Motor stattfinden, oder auch an Dämpfern. Einzige Einschränkung: Die Rückgewinnung der Bremsenergie darf nicht in Kurven aktiv sein, ansonsten könnte ein solches System als Traktionskontrolle interpretiert werden.

Zwei Rahmenbedingungen stecken das Feld grob ab: Die zusätzlich abgebene Energie zwischen zwei Bremsphasen darf 500 Kilojoule nicht übersteigen, außerdem müssen alle KERS-Autos in der Lage sein, allein durch das Hybridsystem angetrieben mit 60 km/h die 400 Meter lange Boxengasse zu durchfahren. Der Fantasie sind bei der Umsetzung also nur wenige Grenzen gesetzt, allerdings hält sich der ACO ein Hintertürchen offen: Was nicht sicher erscheint, wird verbannt.

Peugeot 908 Hybrid

Peugeot absolvierte bereits 2008 einige Versuche mit einem Hybridsystem Zoom

Fraglich ist derzeit noch, mit welchem Antrieb der neue Peugeot mit dem Projektnamen 90X ausgestattet wird. Die Franzosen hatten bereits 2008 mit einem öffentlich Test einer Hybridversion des 908 HDi FAP für Ausehen gesorgt. "Wir würden gern einen Hybrid für Le Mans bauen", sagt Peugeot-Technikchef Bruno Famin. "Aber es gibt Probleme, weil wir das Reglement erst jetzt in der Hand halten. Wir werden auf ganz neue Probleme stoßen. Wir müssen es Schritt für Schritt angehen."

Was plant Peugeot mit dem 90X?

Der Franzose betont, dass man rein theoretisch den aktuellen 908 noch ein weiteres Jahr einsetzen könnte. "Das ist aber nicht unser eigentlicher Plan. Wir müssen mal schauen, wie sich unser Projekt 90X nun entwickelt", sagt Famin. Der Einsatz der vorhanden 908 als Kundenfahrzeuge ist 2011 nicht ausgeschlossen. Voraussetzung: Peugeot kann Geld damit verdienen. Nigel Mansell hat bereits Interesse angemeldet. Offen ist bislang die Frage, ob Peugeot eventuell auf einen Benziner setzen wird.

"Kann sein, dass wir keine Klimaanlage einbauen werden", erklärt Famin lächelnd auf die Frage nach der Bauform. Geschickt umgeht der Techniker so eine klare Aussage darüber, ob es sich beim 90X wieder um ein Coupé oder einen offenen Prototypen handeln wird. Wann der erste Test mit dem neuen Wagen absolviert werden soll ist ebenfalls geheim. In Le Mans wurde jedoch gemunkelt, dass die ersten Probefahrten schon vor einigen Wochen absolviert wurden.

Blick in die Zukunft: VW, Ferrari und Co. zeigten alterative Antriebe in Le Mans Zoom

"Ich finde die Hybridregeln gut, denn Le Mans kann damit wieder eine Vorreiterrolle wie in den 1950er- und 1960er-Jahren einnehmen", lobt David Floury. Der Oreca-Technikchef schränkt jedoch ein: "Ich sehe große Probleme mit den Einstufungen. 2011 müssen neue Benziner-, Diesel-, Benzinerhybrid- und Dieselhybridautos auf dem gleichen Niveau sein wie die Diesel- und Benzinerfahrzeuge von 2010. Das wird schwierig. Der Grundgedanke daran ist aber erst einmal gut." Der ACO holt sich technische Beratung von Ex-Formel-1-Motorenbauern.

LMP2: Günstiger und langsamer

Im Bereich LMP2 langt der ACO für 2011 richtig hin. Die kleinen Prototypen sollen deutlich kostengünstiger werden. Man setzt eine Obergrenze für Chassis- und Motorenpreis durch: Ein kompletter LMP2 darf inklusive Triebwerk maximal 400.000 Euro kosten, der Motor muss aus der Serie stammen. Ein solcher Preis ist für Lola, Pescarolo und Co. unter den aktuellen Bedingungen kaum machbar. Der ACO hat allerdings einen Trumpf in der Hand. Die Oreca-Chassis aus der neuen Formula Le Mans passen genau ins Konzept.

Die aktuellen LMP2-Autos dürfen ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen 2011 eingesetzt werden. Unter anderem muss ein Motor auf Basis eines Serientriebwerks eingebaut werden, für Judd und AIM ist das Prototypenspiel in der kleinen Klasse damit beendet. Die Laufzeiten der Triebwerke sind vorgeschrieben: im kommenden Jahr muss ein Motor 30 Betriebsstunden im Wagen bleiben, in den Folgejahren sogar 40 (2012) und 50 (2013) Stunden.

Rahel Frey, Natacha Gachnang, Cyndie Allemann

Hat der neue Ford GT 2010 nur ein kurzes Comeback an der Sarthe gefeiert? Zoom

Eine regelrechte Revolution wird es bei den GTs geben. Der ACO schickt die GT1-Klasse in die Rente. Ab 2011 gibt es nur noch eine einzige GT-Klasse auf Basis der heutigen GT2. "Das ist großartig", freut sich Oliver Gavin. "Alle Hersteller wollen in die GT2 und die GT1 stirbt in Le Mans ohnehin immer mehr aus. Es ist toll, dass wir nun eine für Fans gut durchschaubare GT-Klasse bekommen." Thomas Enge muss sich von seinem geliebten Aston Martin DBR9 trennen: "Aber ich sage schon seit Jahren, dass wir eine einzige Klasse brauchen. Im kommenden Jahr werden 20 oder mehr Autos rennen. Das ist super."

Ferrari wird den neuen 458 Italia bringen, Porsche setzt wohl den GT3 R in zwei Versionen (mit und ohne Hybrid) ein, die neue GT2-Corvette und der BMW werden einen weiteren Anlauf wagen. Was aus Ford wird, ist indes noch unklar. "Wenn ich mir die Kostenseite anschaue, dann kommt es kaum in Betracht, für das kommende Jahr einen Wagen nach GT2-Reglement aufzubauen", mahnt Matech-Chef Martin Bartek. Der Ford GT könnte somit 2010 ein kurzes - und erfolgloses - Comeback an der Sarthe gefeiert haben.

Die beiden bisherigen GT-Klassen werden zwar vereint, aber dennoch wird es eine Zweiklassengesellschaft geben. Der ACO hat Richtlinien für das Personal am Steuer erarbeitet. Ab 2011 gibt es in der GT-Klasse zwei Wertungen: Profiteams und Privatfahrer. Der 56. Platz in Le Mans wird einem experimentellen Team vorbehalten. Im kommenden Jahr soll Yves Courage seinen Elektrorenner M 0.11 einsetzen. 2011 wird es wieder einen Vortest im April oder Mai geben.


Fotos: 24 Stunden von Le Mans, Rennen