Nach emotionalen Runden für Senna: Hat Vettel Lust aufs Formel-1-Comeback?

Achterbahn der Gefühle mit Sebastian Vettel in Imola: Zwischen großen Emotionen, einem ganz besonderen Vater-Sohn-Moment und Gedanken an die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Die Tränen in seinen Augen sind einem Strahlen gewichen: Rund zehn Minuten nach seinem hochemotionalen Demorun in Ayrton Sennas McLaren steht Sebastian Vettel die Freude über ein einmaliges Erlebnis immer noch ins Gesicht geschrieben.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel dreht nach seinem Demorun unter dem Jubel der Fans Donuts

Sebastian Vettel dreht nach seinem Demorun unter dem Jubel der Fans Donuts Zoom

"Es muss so geil gewesen sein in so einem Auto", sagt Vettel zu Motorsport-Total.com im Fahrerlager von Imola und erklärt seine Eindrücke hinter dem Lenkrad des McLaren MP4/8: "Mega, das Auto macht so viel Spaß. Es sind so schöne Autos, anders als heutige Autos", schwärmt der viermalige Weltmeister.

Kein Wunder, dass sich Vettel deshalb nicht wirklich zurückhalten kann auf seinen Runden: "Ja, ja, ein bisschen hab ich schon probiert. Also jetzt nicht allerletzte Rille, aber ich wollte da jetzt auch nicht nur rumschnecken", sagt er auf die Nachfrage, wie sehr er es hat krachen lassen im historischen Senna-McLaren.

Insgesamt sei die Erfahrung einfach nur "schwer in Worte" zu fassen, beschreibt Vettel: "Ich denke, das waren einige der stärksten Emotionen, die ich je hinter dem Lenkrad gefühlt habe - obwohl ich alleine da draußen auf der Strecke war und nicht mal am Rennen fahren. Aber unglaublich, als ich die Flaggen rausgeholt habe, die Leute ... es war einfach so gewaltig. Überwältigend."

Vettels spezieller Helm für den Demorun im Senna-Design

Vettels spezieller Helm für den Demorun im Senna-Design Zoom

Der Deutsche sagt: "Ich bin glücklich, dass ich den Mut hatte, meine Idee anzubringen und vorzuschlagen. Auch, die Senna-Familie einzuweihen und nur positives Feedback zu bekommen. Es hat sich einfach wie das Richtige angefühlt."

"Für mich war das wirklich ein bedeutendes Wochenende, donnerstags schon mit dem Lauf und heute mit dem Run auf der Strecke", gewährt der 36-Jährige Einblick in sein Gefühlsleben. Doch warum war Vettel emotional so extrem ergriffen - galt doch eigentlich immer Landsmann Michael Schumacher als das große Idol des Heppenheimers?

Vater-Sohn-Moment: 30 Jahre später

Um das zu verstehen, muss man einen Blick zurück in Vettels Kindheit richten, auf den 1. Mai 1994: "Ich erinnere mich an den Moment, als ich mit meinem Vater auf der Couch saß, ich erinnere mich an das Wohnzimmer und dass er sehr, sehr traurig war. Was etwas ist, das man zunächst gar nicht versteht, weil man seinen Vater nicht so oft so traurig sieht."

Besondere Momente: Auch Vettel-Papa Norbert war in Imola mit dabei

Besondere Momente: Auch Vettel-Papa Norbert war in Imola mit dabei Zoom

"Heute habe ich das noch einmal durchlebt", erklärt er seine Tränen nach dem Aussteigen auf der Start-Ziel-Geraden und sagt: "Ich hatte heute kurze Bilder davon in meinem Kopf, als ich gefahren bin ..."

Vater Norbert, der die besonderen Momente mit seinem Sohn in Imola live vor Ort teilt, offenbar genauso - auch er wischt sich bei den Feierlichkeiten immer wieder die Tränen aus dem Gesicht und muss mehrmals tief durchatmen. Genauso wie Bianca Senna, Ayrtons Nichte, die zu dem speziellen Anlass ebenfalls nach Italien gereist ist.

Sennas Nichte bedankt sich bei Vettel

Direkt nach Vettels Run gibt es von ihr eine innige Umarmung und ein paar warme Worte für den Deutschen. "Sie hat sich bedankt und war natürlich sehr berührt", verrät Vettel im Gespräch mit Motorsport-Total.com und sagt: "Wir hatten ja vorher gesprochen, auch weit vorher schon, weil ich hatte ja vor langer Zeit schon die Idee. Dass es dann alles so schön zusammengekommen ist, mega."

Tränenreiche Angelegenheit: Vettel und Bianca Senna nach der Ausfahrt

Tränenreiche Angelegenheit: Vettel und Bianca Senna nach der Ausfahrt Zoom

An solchen Tagen fehlt dem großen Formel-1-Fan Vettel natürlich auch die Königsklasse, die 16 Jahre lang sein Wohnzimmer war, daraus macht er gar keinen Hehl. Doch in Bezug auf eine mögliche Rückkehr stellt er klar: "Ich plane es im Moment nicht. Ich vermisse natürlich viele Sachen am Sport, und es war eine harte Entscheidung, aber ich bin happy damit."

So lautet zumindest die offizielle Version. Im Fahrerlager von Imola besucht Vettel am Wochenende viele alte Freunde und Bekannte im Paddock, sei es bei Ex-Team Ferrari oder einem ausgelassenen Plausch mit seinem ehemaligen Teamchef Mattia Binotto, der genauso wie Vettel momentan Formel-1-Rentner ist.

Doch auch bei noch mehr als aktiven Mitgliedern des Formel-1-Zirkusses schaut Vettel bei seiner Paddock-Tour rein, wie etwa bei Landsmann Andreas Seidl, der bei Sauber gerade Audis Formel-1-Einstieg vorbereitet.

Vettel: "Natürlich über eine Rückkehr nachgedacht"

Sollte der Heppenheimer tatsächlich mit einem Comeback liebäugeln, gibt es aber ein Problem: Denn nur bei einem attraktiven Cockpit kann sich Vettel dem Vernehmen nach wirklich eine Formel-1-Rückkehr vorstellen - und das gibt es aktuell für ihn schlichtweg nicht: Das schnelllebige Vollgas-Business wartet auf niemanden, nicht mal auf einen viermaligen Champion.

Nach außen hin wiegelt Vettel ohnehin ab: "Natürlich war es wundervoll, heute auf der Strecke angefeuert zu werden. Und ein kleines Bisschen davon war vielleicht auch für mich, aber ich war wirklich für Ayrton und Roland hier. Ich denke, ich war sehr privilegiert, die Karriere und das Leben zu haben, das ich habe."

Vettel schaute bei vielen Teams rein, hier bei Audis Andreas Seidl

Vettel schaute bei vielen Teams rein, hier bei Audis Andreas Seidl Zoom

"Aber jetzt geht es um neue Herausforderungen", sagt Vettel, der dennoch betont: "Es gibt Dinge, die mir fehlen, und Dinge, die mir nicht fehlen. Das ist immer ein Geben und Nehmen, aber die Formel 1 ist heutzutage einfach sehr intensiv, wenn man sich nur mal den Kalender und die Anzahl der Rennen anschaut."

Nur um dann doch noch hinterher zu schieben: "Natürlich habe ich über eine Rückkehr nachgedacht und ich wusste ja auch vorher schon, dass ich mal darüber nachdenken werde. Aber am Ende hat sich nichts geändert."

Wer jedoch das Strahlen in Vettels Augen nach der Ausfahrt im Senna-McLaren gesehen hat, der weiß: So ganz kann das Kapitel Formel 1 noch nicht abgeschlossen sein für ihren größten Edelfan namens Sebastian Vettel ...