Ferrari kehrt 2023 mit einem Le-Mans-Hypercar zu den 24 Stunden von Le Mans zurück - Grund genug, einen Blick auf die Geschichte der Italiener zu werfen
Bei den ersten 24 Stunden von Le Mans nach dem 2. Weltkrieg steht Ferrari 1949 erstmals am Start. Der 166 MM Barchetta siegt gleich auf Anhieb gegen die britische und französische Konkurrenz. Beachtenswert: Luigi Chinetti fährt auf zwei Ferraris insgesamt 22,5 Stunden. Er siegt auf der #22 gemeinsam mit Peter Mitchell-Thomson.
Zwar geht der Ferrari 166 MM als einziges Fahrzeug in die Geschichte ein, das Le Mans, die Mille Miglia und die Targa Florio gewinnt, aber es sollte bei einem Le-Mans-Sieg bleiben. Sowohl die 2,0-Liter 166 MM als auch der 195 MM mit 2,4-Liter-V12 scheiden 1950 aus.
Und so rüstet Ferrari mit zahlreichen neuen Modellen in den 1950er-Jahren auf. Export/225 S und 340 America/MM (Bild) können die Erwartungen nicht erfüllen. Das Einzelstück 250 Sport mit 3,0-Liter-Colombo-V12 kommt 1952 mit großen Erwartungen nach Siegen bei der Mille Miglia und in Pescara, scheidet aber mit Kupplungsschaden aus.
Eine Wende bringt der 375 MM, der ab 1953 produziert wird. Mit einem gewaltigen 4,5-Liter-Lampredi-V12 augestattet, macht 1953 erneut ein Kupplungsschaden realistische Siegchancen zunichte. Ein Jahr später gelingt mit dem 375 Plus die Revanche gegen Jaguar: Jose Froilan Gonzalez und Maurice Trintignant sorgen für den zweiten Ferrari-Sieg.
Nach der Tragödie von 1955 wird die Motorengröße vom ACO für Prototypen auf 2,5 Liter verkleinert. Damit wechselt Ferrari auf die Monza-Serie. Doch Jaguar kann seinen D-Type als Seriensportwagen mit einer Stückzahl größer 50 anmelden und größere Motoren fahren. Ferrari versucht selbiges mit dem 290 MM und 315 S (Bild), bleibt aber zurück.
1958 beginnt die große Ära der Roten mit dem 250 Testa Rossa. Eine Regeländerung, die die Motorengröße endgültig auf 3 Liter beschränkt, spielt Ferrari in die Hände. Bis 1961 holt Ferrari drei Le-Mans-Siege aus vier Rennen. 1962 werden größere Motoren zugelassen - der TR gewinnt als 330 TRI/LM auch mit 4-Liter-V12 (Bild).
1963 kann sich Ferrari dem Trend zum Mittelmotor nicht mehr erwehren. Es ist der Start der legendären P-Serie. Im selben Jahr gibt es einen Sechsfacherfolg. In den nächsten zwei Jahren folgen zwei Dreifachsiege. Niemand, so scheint es, kann Ferrari bremsen. Keiner glaubt 1965, dass es der letzte Sieg bleiben würde.
Doch spätestens seit Le Mans 66 - Gegen jede Chance (Ford v Ferrari) weiß die Öffentlichkeit wieder, was als nächstes passiert: Ford überrollt 1966 alle mit dem gewaltigen 7-Liter-V8-Motor, dem Ferrari weiter nur einen kleineren 4-Liter-V12 entgegensetzt. Die Motoren werden bis ans Limit ausgereizt und damit anfällig für Überhitzung.
Es ist nicht so, dass die P-Serie gegen Ford chancenlos gewesen wären: Der 330 P4 gewinnt 1967 die 1.000 Kilometer von Monza, die Kundensportvariante 412 P die 24 Stunden von Daytona im selben Jahr. Doch auf den langen Geraden in Le Mans kann Ferrari den gewaltigen Fords nichts entgegensetzen.
Aus Protest gegen die neue Hubraumverkleinerung auf 3 Liter für Prototypen (Gruppe 6) boykottiert Ferrari die 1968er-Saison, kehrt aber 1969 mit einem gewagten Experiment zurück: Der 312 P ist ein Formel-1-Rennwagen, dem ein Sportwagenkleid übergestülpt wird. Das kann nicht funktionieren. Doppelausfall.
Ferrari kopiert 1970 einen Trick von Porsche, baut 25 512 S mit 5-Liter-V12 und kann dadurch in der Gruppe 5 antreten. Um das zu finanzieren, verkauft Enzo Ferrari seine Marke an Fiat. Doch die FIA macht sofort klar, dass dieses Loch im Reglement für 1972 geschlossen werden würde. Ein privater 512 S holt 1971 Platz drei.
Die Begeisterung für Werkseinsätze in Le Mans lässt bei Enzo Ferrari angesichts der ständigen Regeländerungen spürbar nach. Die letzte Werks-Kreation, die zweite Generation des 312 P (von der Presse 312 PB getauft), wird 1972 nach Gewinn des Marken-Titels nicht nach Le Mans geschickt. Ferrari glaubt nicht, dass der F1-Motor durchhält.
1973 sollte der letzte werksseitige Auftritt Ferraris in Le Mans werden. Einer von drei 312er kommt durch, doch Matra gewinnt mit sechs Runden Vorsprung. Ende des Jahres beendet Ferrari auf Druck Fiats sein Sportwagen-Engagement, um sich auf das schwächelnde Formel-1-Team zu konzentrieren.
Mit dem werksseitigen Rückzug endet eine Ära. 1976 ist das erste Rennen ohne Ferrari seit der Gründung 1947. Luigi Chinetti, der erste Sieger mit Ferrari in Le Mans 1949, will das nicht hinnehmen: Sein North American Racing Team kreiert den 512 BB LM auf Basis des Berlinetta Boxers. Dieser holt bis 1984 mehrere Klassensiege.
Nach 1984 wird es dunkel. Erst 1993 kehrt ein privat eingesetzter Ferrari 348 LM in der neu geschaffenen GT-Klasse zurück, gefolgt von mehreren F40. Im selben Jahr debütiert der 333SP - ein von Dallara gebautes World Sports Car. Es holt Siege und Titel, kommt in Le Mans aber nicht über P6 hinaus. Der martialische V12-Sound begeistert.
2002 kehrt der Name Ferrari erneut in der GT-Klasse zurück. Der Ferrari 550 GTS Maranello wird in der namensgebenden Stadt nicht gern gesehen, da er privat von Prodrive aufgebaut wird. In Le Mans gewinnt er 2003 die GTS-Klasse. Neue Ära ebenfalls ab 2002: Der Michelotto-Bolide auf Basis des 360 Challenge - mit dem Segen aus Maranello.
Ab 2006 macht Ferrari in der GT-Szene richtig ernst: Mit dem F430 GT2 kreiert Michelotto ein klassensiegfähiges Fahrzeug. Es folgen 2011 der 458 und 2016 der 488 GTE. Ferrari-Werksfahrer holen Klassensiege in den Jahren 2008, 2009, 2012, 2014 und 2019. Stand Februar 2021 kommt Ferrari auf 36 Klassensiege in Le Mans.
Eine Rückkehr in die Topklasse in Le Mans wirft Luca di Montezemolo schon 2013 in den Raum. Was lange politische Spielchen in der Formel 1 sind, bewahrheitet sich am 24. Februar 2021: Ferrari verkündet eine Rückkehr für das Jahr 2023 mit einem Le-Mans-Hypercar, genau 50 Jahre nach dem werksseitigen Rückzug.
Ferrari kehrt 2023 mit einem Le-Mans-Hypercar zu den 24 Stunden von Le Mans zurück - Grund genug, einen Blick auf die Geschichte der Italiener zu werfen