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10 Jahre Safety-Car-Crash in Pau: "Das hätte ganz anders ausgehen können"

Franz Engstler blickt auf seine denkwürdige Kollision mit dem Safety-Car beim WTCC-Rennen in Pau 2009 zurück: "Das war eine ganz harte Erfahrung"

(Motorsport-Total.com) - Wenige Sekunden reichten am 17. Mai 2009 aus, um aus dem international recht unbekannten Franz Engstler einen YouTube-Star zu machen. Die Bilder, wie Engstlers BMW beim Stadtrennen der Tourenwagen-WM (WTCC) in Pau das Safety-Car rammt, gingen rasch um die Welt und sind bis heute ein fester Bestandteil vieler Crash-Zusammenstellungen auf der Video-Plattform.

Titel-Bild zur News: Franz Engstler

Franz Engstlers BMW nach der verhängnisvollen Kollision Zoom

Was heute ein YouTube-Hit ist, hatte damals aber einen bitterernsten Hintergrund. Und doch kann Engstler zehn Jahre nach dem Unfall im Interview mit 'Motorsport-Total.com' sagen: "Im Nachhinein kann man sicherlich darüber lachen. Damals ist mir das Lachen aber ganz gewaltig vergangen."

Denn eigentlich hätte es Engstlers großer Durchbruch in der WTCC werden sollen. Stattdessen endete der Tag für ihn und sein Privatteam aber mit einem Drama. Engstler hatte das Rennen in seinem BMW 320si nach dem Start angeführt und hatte gute Chancen auf seinen ersten Sieg in der WTCC. Doch dann kam nach mehreren Zwischenfällen während der ersten Rennrunde das Safety-Car auf die Strecke. Aber wie!

Unfallbilder sind Engstler bis heute gegenwärtig

Der Fahrer Philippe Cholet, damals vom lokalen Veranstalter in Pau gestellt, steuerte den weitgehend serienmäßigen Chevrolet Cruze quer über die weiße Linie am Boxenausgang genau in die Fahrspur von Engstler, der auf dem Stadtkurs weder ausweichen noch rechtzeitig bremsen konnte. Die Sekunden vor dem Unfall sind dem Deutschen auch noch zehn Jahre später allgegenwärtig.


Der Safety-Car-Unfall von Pau

"Man muss ich vorstellen, man kommt im fünften Gang Vollgas um eine Rechtskurve und da steht dann ein Auto vor dir. Er ist ja wirklich quer in die Fahrbahn reingefahren, und du fährst volles Rohr auf einen Menschen zu", schildert Engstler die Szene, in der er im Cockpit im Grunde nur noch Passagier war.

"Das war für mich ganz prägend, dass du weißt, du kannst nichts mehr machen und fährst auf einen Menschen auf der Fahrerseite zu", erinnert sich Engstler an das Gefühl der Hilflosigkeit. "Das war auch der Grund, warum ich das Auto kurz vor dem Aufprall noch in die Leitplanke gelenkt habe. Du siehst den Menschen und schaust ihm ins Gesicht. Das war eine ganz harte Erfahrung."

Böse Erinnerung an den Unfall von Keith O'dor

Auch schoss Engstler die Erinnerung an einen ähnlichen Unfall beim Rennen der STW 1995 auf der AVUS in den Kopf, der ein tragisches Ende hatte. "Damals mit [Frank] Biela auf der AVUS, wo der [Keith O'dor] gestorben ist, aber im Rennauto. Hier war das Fahrzeug ohne Überrollkäfig." Und dennoch überstanden sowohl die Safety-Car-Besatzung als auch Engstler den Unfall ohne Verletzungen. "Da haben wir alle Schutzengel gehabt, die zu der Zeit im Raum Pau unterwegs waren", steht für Engstler fest.

Franz Engstler

Franz Engstler denkt noch heute mit Unbehagen an den Unfall zurück Zoom

Während alle Personen en spektakulären Crash gut überstanden, konnte man selbiges von Engstlers BMW nicht behaupten. Der war ein Totalschaden. Zwar sagte die FIA damals schnell zu, dass man den Schaden bezahlen würde, doch diese Ankündigung erwies sich im Nachhinein als heißt Luft. "Dass wir da komplett alleine gelassen wurden und letztlich auf dem kompletten Schaden sitzen geblieben sind, fand ich nicht ganz fair", ist Engstler auch zehn Jahre später noch enttäuscht.

"Man muss bedenken, dass wir ein komplett eigenfinanziertes Team gewesen sind. Wir hatten keinen Hersteller im Rücken der gesagt hat: Jetzt habt ihr einen Totalschaden, da müssen wir halt ein neues Auto aufbauen. Für uns wahr es wirklich eine Überlebensfrage, wie wir das Ganze gestemmt bekommen", erinnert er sich. "Wir mussten ein komplett neues Auto aufbauen und es war die Frage, wie wir das refinanzieren können. Das war eine riesige Lücke."

Engstlers Team bleibt auf den Unfallkosten sitzen

"Zuerst wurde uns versprochen: Kein Problem, es gibt eine Veranstalterhaftung, und und und. Dass sich die FIA dann rausgewunden und gesagt hat, ihr müsst mit dem lokalen Veranstalter und der Versicherung streiten, das fand ich nicht ganz fair", sagt er.

Franz Engstler

Auch das Safety-Car hatte nach dem Unfall nur noch Schrottwert Zoom

"Denn der Sportkommissar, der den Fahrer rausgeschickt hat, hat schriftlich bestätigt, dass er einen Fehler gemacht hat. Ich finde da hätte man einfach einspringen müssen und sagen: Das ist eine Versicherungsleistung. Da hätte ich erwartet, dass die FIA sich einsetzt, damit wir den Schaden bezahlt bekommen", so Engstler. "Es muss ja nicht die FIA selber bezahlen, sondern deren Versicherung."

Doch was bleibt zehn Jahre nach dem Unfall, nachdem der Schock verdaut und die Schadenskosten längst verbucht sind? Für Engstler ein Zugewinn an Sicherheit im Motorsport. "Der Safety-Car-Unfall hat glaube ich eines gezeigt: Wie notwendig ein permanenter Safety-Car-Fahrer in einer hochwertigen Serie wie damals der WTCC oder heute der TCR ist."

Unfall sorgt für Verbesserungen in Fragen Sicherheit

"Es ist einfach wahnsinnig gefährlich, wenn Leute, die nicht richtig im Motorsport involviert sind, im laufenden Rennen ein Feld einfangen", so der Deutsche. Permanente Safety-Car-Fahrer sind heute aus allen Top-Motorsport-Serien nicht mehr wegzudenken.

Fast schon ironisch mutete es übrigens an, dass sich wenige Jahre vor dem zehnten Jahrestag des Pau-Crashs bei einem Rennen der chinesischen Tourenwagen-Meisterschaft ein vergleichbarer Unfall ereignete.

Für Engstler selbst war die Folge, dass er durch den Unfall unfreiwillig deutlich bekannter wurde. "Ich habe mit dem Sponsor gesprochen und gesagt: Verdammt, wir hätten einen Deal machen sollen. Für jeden Click einen Euro, dann hätten wir den Schaden gut finanziert gehabt", sagt Engstler augenzwinkernd mit Blick auf die vielen Aufrufe der Unfallvideos bei YouTube.

"Dem Bekanntheitsgrad hat es geholfen, aber ich bin nicht scharf darauf, über so eine Schiene bekannter zu werden", hält Engstler jedoch fest. "Für mich war das alles entscheidende, dass es keinen Personenschaden gab. Das hätte wirklich ganz anders ausgehen können."