NASCAR live: Der erste Besuch beim Daytona 500
Willkommen in Daytona! Oder vielmehr: Willkommen in Amerika! Mein Name ist Stefan Ziegler - und für mich ist es nicht nur der erste Vor-Ort-Besuch bei einem NASCAR-Rennen, sondern auch meine erste Reise in die Vereinigten Staaten. Und was ich dort sehe, imponiert mir sehr: Der Daytona International Speedway scheint genau so zu sein, wie man sich die USA klischeehaft vorstellt: riesig und beeindruckend. Und ich frage mich gleich am ersten Tag: Wie um alles in der Welt wollen die Amis denn diese gewaltigen Tribünen vollkriegen?
"Abwarten", sagen mir meine beiden Motorsport-Total.com-Kollegen Pete Fink (li.) und Mario Fritzsche (re.), in deren Schlepptau ich die Reise nach Daytona angetreten habe. Unsere beiden US-Racing-Experten geben mir vor Ort die nötigen Hintergründe an die Hand, damit ich das Spektakel in vollen Zügen genießen kann. Und sie sagen mir auch: Lange werden die Tribünen in Daytona nicht leer bleiben.
In der Tat: Schon am Freitagabend ist die Hütte (fast) voll. Dabei fährt da nur die "dritte Liga" der NASCAR, die Truck-Serie. Was zieht das Publikum also in Massen auf die Ränge? Ich finde dafür die Antwort, dass die Trucks spannenden und unterhaltsamen Motorsport bieten. Mal abgesehen davon, dass die Atmosphäre unter Flutlicht natürlich auch ihren ganz eigenen Reiz hat. Ein bisschen fühle ich mich an Le Mans oder den Nürburgring erinnert. Dazu aber später noch etwas mehr.
Bleiben wir für den Moment noch bei der Atmosphäre: Hoch oben auf dem Daytona Speedway, auf einem für Pressevertreter reservierten Platz, sauge ich sämtliche Eindrücke auf. Das Dröhnen der Motoren (durchaus wohlklingend!), die vielen Lichter und natürlich das Renngeschehen. Es ist so anders als das, was ich vom europäisch geprägten Motorsport gewohnt bin.
Das gilt übrigens auch für die Siegerehrung in der Victory-Lane, die ich mir natürlich nicht entgehen lasse. Und auch da: alles anders. Nur der Sieger kommt aufs Treppchen, der Zweite und der Dritte nicht. Dafür ist das Auto mit dabei, außerdem das gesamte Team. Und mit jeder einzelnen Sponsoren-Kappe wird nach der Pokalübergabe noch ein Foto gemacht. In der Formel 1 geht die Zeremonie irgendwie flotter über die Bühne...
Wo wir gerade bei den Unterschieden sind: Werfen wir doch mal einen Blick in die Boxengasse, wo uns gerade Jimmie Johnson entgegenkommt. Ja, richtig: Fans (mit dem entsprechenden Ticket) und Medienvertreter kommen ganz nahe ran an das Geschehen. Und ich ertappe mich mehrfach dabei, wie ich über meine Schulter schaue, um nicht von einem 900-PS-Monster plattgewalzt zu werden. In der Boxengasse von Daytona herrscht nämlich sogar Gegenverkehr!
Die Offenheit, die ich der Boxengasse zuschreibe, zeigt sich besonders in diesem Bild. Nicht nur, dass es keine Garagentore oder sonstige Sichtschutz-Vorrichtungen gibt. Hier teilen sich sämtliche Teams einen großen Raum, der nur durch Linien auf dem Boden abgetrennt ist. Die 10 von Danica Patrick steht so direkt neben der 95 von Scott Speed. Während das eine Auto keine finanziellen Probleme kennt, hat das andere Fahrzeug vor dem Daytona 500 noch nicht einmal einen Hauptsponsor auf der Haube. Die NASCAR-Boxengasse ist eben auch voller Gegensätze.
Die Protagonisten sind indes sehr zugänglich, wie ich während meiner Tage in Daytona feststellen konnte. Juan-Pablo Montoya, früher ein Siegfahrer in der Formel 1, steht schon mal ganz locker für eine kleine Unterhaltung im Fahrerlager und Fans für einen Autogrammwunsch zur Verfügung.
Ein paar Meter weiter schrauben, fräsen und schmirgeln seine Mechaniker, um das Auto nach einem Schaden wieder flottzukriegen. Die Jungs hier machen sich ganz schön dreckig. Auf mich wirkt das ungeheuer bodenständig, muss ich sagen. Fast so, als würde die moderne NASCAR eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit des Motorsports unternehmen. In die Zeit der Bastler und Tüftler, die es immer seltener zu geben scheint...
Und dann geht die "erste Liga" endlich selbst auf die Strecke. Ein Blick aus der Boxengasse des Daytona Speedway auf die Boxenausfahrt und die riesige Tribüne an der Zielgeraden.
Wie steil das "Banking" wirklich ist, merke ich erst, als ich in Turn 4 stehe und aus wenigen Metern Entfernung erlebe, wie die Autos hindurchbrettern. Ich stelle fest: Im Fernsehen kommt das einfach nicht rüber. Vor allem nicht, wenn die Autos im Pulk fahren.
Einer der Besten seiner Zunft war übrigens auch in Daytona zu Gast: Richard Petty, der siebenmalige NASCAR-Champion. Quasi der Michael Schumacher der Vereinigten Staaten. Und ständig umringt von Fotografen, selbst wenn er im Fahrerlager "nur" eine neue Briefmarken-Serie der US-Post vorstellt...
Scott Speed, hier im Gespräch mit meinen Kollegen Pete und Mario, hat dagegen etwas weniger Rummel um seine Person. Es ist aber trotzdem spannend, zu sehen, wie viel Zeit er sich für ein Mediengespräch nimmt. In Europa wird dergleichen gern bis auf die Minute getimt und es gibt feste Schemata, wie alles abzulaufen hat. Hier scheint ein anderer Wind zu wehen. Aber ein sehr angenehmer.
Auch in Bezug auf die Fans, die hier ganz klar im Vordergrund stehen. Vor dem großen Rennen, dem Daytona 500, dürfen einige von ihnen (und das sind viele, wenn man bedenkt, dass insgesamt fast 200.000 Zuschauer vor Ort sind!) ins Infield. Ein Angebot, das offenbar gern angenommen wird.
Der eine oder andere Fan verkleidet sich dann schonmal ganz ausgefallen. An diesem grünen Männchen hätte Dale Earnhardt Jr. sicher seine Freude - eine so lautstarke Unterstützung hat man als Rennfahrer nicht alle Tage...
...und so nah wie bei der Fahrerpräsentation in Daytona kommt man seinen Idolen als Fan wohl auch nur selten. Ich muss gestehen: Der "Catwalk" hat etwas. Eine tolle Geschichte für die Zuschauer, die regelrecht auf Tuchfühlung mit den NASCAR-Helden gehen können. So hat eine Fahrervorstellung auszusehen!
Und dann wieder etwas ganz Anderes: Bevor es laut wird, wird es still. Erst einmal beten die Amerikaner vor dem Rennen. Für die Sicherheit der Beteiligten, für ihr Land und für ihr Militär. Wirkt etwas schräg, passt aber irgendwie auch perfekt in diese Inszinierung, die in der live gesungenen Nationalhymne mündet.
Einen "Fly-Over" durch die US-amerikanische Luftwaffe gibt es in Daytona zwar nicht (schade, darauf hatte ich mich sehr gefreut!), wohl aber ein kleines Feuerwerk. Und dann wird es endlich ernst!
Hatte ich anfangs noch daran gezweifelt, dass sich die Ränge tatsächlich füllen, so stelle ich nun mit Erstaunen fest: Das "Great American Race" ist ein absoluter Publikumsmagnet. Die Amerikaner lieben NASCAR. Und sie lieben Daytona...
Ein bisschen seltsam ist es ja schon: Der Speedway als eines der höchsten und größten Gebäude in der Umgebung, volle Tribünen - und ringsherum... nicht mehr sehr viel bis zum Atlantik. Ganz so, als würde der Motorsport im Mittelpunkt dieser Küstenstadt stehen. Und das tut er natürlich an diesem Wochenende.
Zum Beispiel für die Herrschaften auf dem Tribünendach. Die "Spotter", wie ich mir habe erklären lassen. Fotografieren darf man sie eigentlich nicht, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen. Für mich hat der freundliche Sicherheitsmann aber eine kleine Ausnahme gemacht...
Und an was erinnert wohl dieses Bild? Richtig! Ich hatte es vorhin schon einmal erwähnt: Le Mans und Nürburgring. Zelten an der Rennstrecke, ein Wohnmobil größer als das nächste, Motorhomes im XXL-Format. Und auf dem Asphaltband am Rand sausen die beliebstesten Rennwagen Nordamerikas vorbei. Idyllisch, irgendwie...
Ganz nett auch, wie sich die Fans häuslich einrichten. Kleinbusse werden mal eben mit einer Plattform aus Holz überbaut, das gute Sofa wird aufs Dach geschnallt und natürlich wirft man auch den Grill an. Dazu noch Sonne satt von oben. Kein Wunder, dass hier manche ihren Jahresurlaub verbringen.
Ein bisschen Urlaub ist es auch für mich. Ich (re.) darf nämlich Fotograf Alexander Trienitz (li.) auf seiner Tour um die Strecke begleiten und ihn bei seiner Arbeit beobachten. Was mir als Redakteur einmal mehr deutlich vor Augen führt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, gute Bilder zu haben. Und das auch noch so rasch nach Rennende!
Während unserer "Safari" rund um die Rennstrecke von Daytona kommen wir auch an dieses scheinbar entlegene Eck. Ja, auch das ist Daytona. Was mögen diese alten Holzdielen, die am Renntag als Tribüne dienen, in all den Jahren wohl alles gesehen haben? Und was könnten sie darüber berichten? Sicher etliche spannende Geschichten...
Zum Beispiel auch von der Seite des Motorsports, die eigentlich keiner sehen will. Ich zumindest nicht. Die Spur auf dem peinlich genau präparierten Rasen zeigt es aber: Ganz glatt läuft es nicht immer.
Und ich stehe keine 50 Meter entfernt, als sich im Nationwide-Rennen am Samstagabend (die "zweite Liga") ein schwerer Unfall ereignet. 28 Zuschauer werden verletzt, weil Teile auf die Tribüne fliegen. Der Fahrer des zerstörten Autos steigt aber gesund und munter aus. Was für ein Glück für ihn! Und was für ein übler Crash!
Die Kräfte, die dabei gewirkt haben müssen, werden mir erst klar, als ich selbst auf der Tribüne bin und am Zaun entlanglaufe. Eine Erfahrung, die ich rasch beende, denn mir ist wirklich mulmig dabei, nur wenige Meter neben den rasanten Kisten vorbeizulaufen. Mit dem Unfall im Hinterkopf eine noch viel furchterregendere Szene. In die erste Reihe sitzen? Bei NASCAR muss ich das nicht unbedingt haben...
Dann lieber die Boxengasse, wo ich nach Absprache mit den Mechanikern direkt am Kommandostand stehen und fotografieren darf. Apropos Kommandostand: alles anders (das hatten wir ja schon!) als in Europa. Hier ist man mobil und baut nach dem Rennen wieder alles ab. Dafür hat man gleich ein zweigeschossiges "Häuslein" auf Rädern dabei. Praktisch!
Nach 500 Meilen ist der Spuk dann aber schon vorbei. Naja, "schon" trifft es nicht ganz. Es ist etwas Geduld gefragt, denn ein NASCAR-Rennen hat auch seine Längen. Was das Ganze aber interessant macht, ist das "Gesamtpaket". Und das hat mich überzeugt.
Und deshalb denke ich am letzten Abend in Daytona (hier der Blick auf den herrlichen Daytona Beach im Morgenlicht): Diesen Ort hast du nicht zum letzten Mal besucht. Dafür hat mir mein erstes NASCAR-Rennen viel zu sehr gefallen!
NASCAR live: Der erste Besuch beim Daytona 500