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Mogelpackung Kanada: Ferrari-Rückstand auf Mercedes sogar gewachsen

Auf dem Papier war Montreal eines der besseren Rennen von Ferrari in dieser Saison - In Wirklichkeit ist der Rückstand auf Mercedes aber sogar größer geworden

(Motorsport-Total.com) - In Montreal konnte Ferrari erstmals seit langer Zeit wieder mit Mercedes um den Rennsieg kämpfen. Zwar ging der Sieg wegen der Zeitstrafe gegen Sebastian Vettel am Ende an Lewis Hamilton, doch die Ziellinie überfuhr der Deutsche als Erster. Einen Tag zuvor hatte er für Ferrari die erste Pole-Position seit dem zweiten Saisonrennen in Bahrain geholt. Kann die Scuderia ab jetzt also regelmäßig mit Mercedes kämpfen?

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Lewis Hamilton

Der Abstand zwischen Ferrari und Mercedes ist nicht kleiner geworden Zoom

Schaut man nur auf das Kanada-Ergebnis, liegt diese Vermutung nahe. Die Realität sieht allerdings anders aus. Denn Montreal kam dem SF90 aufgrund seiner Charakteristik stark entgegen. "Wir wussten, dass wir hier näher an Mercedes dran sein würden", verrät Teamchef Mattia Binotto. Hintergrund: Die langen Geraden auf dem Circuit Gilles-Villeneuve spielten Ferrari in die Karten.

Fakt ist, dass der Ferrari noch immer das gleiche Auto wie vier Wochen zuvor in Barcelona war. "Das Auto ist genau das gleiche wie in Spanien. Es gab seitdem keine Upgrades. Die Schwachstellen sind also noch immer am Auto", gesteht Binotto. Zur Erinnerung: In Barcelona belegte man die Plätze vier und fünf - sogar noch hinter dem Red Bull von Max Verstappen.

Das bestärkt die These, dass Kanada nur ein Ausreißer nach oben war. "Wir müssen arbeiten und uns verbessern, denn es wird andere Rennen geben, die nicht [wie in] Kanada sind", weiß Binotto. Tatsächlich muss es der Scuderia eher zu denken geben, dass Mercedes in Montreal so dicht dran war. Denn wann man schon in Kanada nicht klar vor den Silberpfeilen liegt - wo dann?

Mercedes legt beim Motor nach

"Wir waren heute nicht die Schnellsten. Lewis war schneller. Das müssen wir akzeptieren und anerkennen. Sein Renntempo war besser", gestand auch Vettel selbst nach dem Rennen. Und TV-Experte Marc Surer antwortet im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' auf die Frage, ob es nur an der Strecke gelegen habe, dass Ferrari in Montreal konkurrenzfähig gewesen sei: "Leider ist es so."

"Der erste Sektor hat gezeigt: Sobald es Kurven gibt, ist der Mercedes das eindeutig schnellere Auto", analysiert der ehemalige Formel-1-Pilot und erklärt: "Im Rennen hat man gesehen, dass sie [Mercedes] zum Beispiel auch den Reifenabbau viel besser im Griff haben. Man hätte auf dieser Strecke einen überlegenen Ferrari sehen müssen. Das war aber nicht der Fall."

"Sie hatten einfach dank des letzten Sektors mit der langen Geraden mit dem aerodynamisch effizienteren Fahrzeug einen Vorteil. Den konnten sie nutzen. Ansonsten habe ich keine Verbesserungen gesehen", so Surer. Doppelt bitter für Ferrari: Während man selbst keine neuen Teile für das eigene Auto mitbrachte, legte Mercedes in Kanada beim Motor noch einmal nach.


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Durch das jüngste Upgrade dürften die Silberpfeile noch einmal etwas Zeit gewonnen haben. Das bedeutet, dass Ferrari die Lücke in Kanada keinesfalls schließen konnte - im Gegenteil. Tatsächlich dürfte sich der Rückstand auf Mercedes dank deren Update sogar noch einmal vergrößert haben. Die Charakteristik des Circuit Gilles-Villeneuve hat lediglich dafür gesorgt, dass das nicht sofort sichtbar wurde.

In der WM schon keine Chance mehr?

Oder einfach gesagt: Wäre das siebte Saisonrennen nicht in Kanada sondern wieder in Spanien gewesen, wäre der Rückstand von Ferrari vermutlich noch größer gewesen als einen Monat zuvor an gleicher Stelle. Dementsprechend hart fällt Surers Urteil aus: "Wenn ihnen nichts einfällt, was die Weiterentwicklung des Autos betrifft, und danach sieht es nicht aus, dann würde ich sagen: Sie können nur auf die schnellen Strecken hoffen."

"Beim Rest sehen sie alt aus", glaubt der Schweizer. In der Weltmeisterschaft scheint der Zug ohnehin langsam schon abgefahren zu sein. In der Fahrer-WM liegt Vettel bereits 62 Punkte hinter Hamilton. Umgerechnet sind das mehr als zwei Rennsiege. In der Konstrukteurs-WM sieht es sogar noch schlimmer aus. Dort liegt man bereits satte 123 Punkte hinter den Silberpfeilen.

Wie groß dieser Rückstand ist, zeigt folgende Rechnung: Selbst wenn Mercedes bei den kommenden drei Rennen in Le Castellet, Spielberg und Silverstone gar nicht antreten und Ferrari gleichzeitig immer die Maximalausbeute von 44 Punkten (erster und zweiter Platz und schnellste Rennrunde) mitnehmen sollte, läge man danach gerade einmal neun Pünktchen vor den Silberpfeilen.

Bereits beim kommenden Rennen in Frankreich könnte man zudem wieder auf dem bitteren Boden der Tatsachen ankommen. Binotto erklärt vorsorglich bereits, dass der Circuit Paul Ricard dem SF90 nicht so gut entgegenkommen dürfte wie der Circuit Gilles-Villeneuve. Die Strecke sei eher wie der Circuit de Barcelona-Catalunya. Sollte seine Prognose stimmen, könnte es ein ganz bitteres Wochenende für Ferrari werden.

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