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  • 16.08.2018 16:06

  • von Neel Jani

Kolumne von Neel Jani: Wie auf der größten Spielzeugmesse!

Porsche-Werkspilot Neel Jani berichtet in seiner Kolumne von der Le-Mans-Enttäuschung, der Silverstone-Hoffnung und der Goodwood-Faszination

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Am kommenden Wochenende habe ich den Helm wieder auf: WEC in Silverstone Zoom

Liebe Freunde der WEC,

in meiner letzten Kolumne habe ich auf das Rennen in Le Mans vorausgeblickt und nun sind seit dem Rennen schon wieder zwei Monate vergangen. Mit Platz drei und vier haben wir als Team unser Minimalziel erreicht. Beide Rebellion-Autos hatten immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Schon zu Beginn des Rennens gab es gleich einen größeren Startcrash, dann war der Unterboden lose oder man konnte die Cockpit-Türen nicht mehr schließen.

Der Startcrash sah im TV unvorteilhaft für Andre (Lotterer) aus, aber ich muss hier eine Lanze für ihn brechen: Er konnte rein gar nichts dafür. Am Vorstart wurde die vordere Haube von einer Beklebungsfirma - ohne Wissen der Rebellion-Mechaniker - gelöst, damit ein Sticker noch in letzter Minute korrekt angebracht werden konnte. Irgendwie hat das niemand im Team mitbekommen. Die Folge war, dass die Nase nicht mehr korrekt montiert wurde.

So geschah es gleich auf dem Weg zu Kurve 1, dass dieses Karosserieteil vorne herunterklappte und das Auto nicht mehr beherrschbar war. Im Sinne des Videospiels Mario Kart wurde bei der nötigen Notbremsung die ganze Nase wegkatapultiert und traf leider das Dragonspeed-Auto. Schlussendlich hat dieser Vorfall unserem Auto wohl das Podium gekostet, aber glücklicherweise hat es nichts am Teamergebnis für Rebellion geändert.

Ich hatte schon in meiner Kolumne vor Le Mans klar dargestellt, dass ich mir kaum Chancen gegen Toyota ausrechne, aber wir hätten uns weniger Rückstand als 12 Runden auf die Toyotas gewünscht. Wenn man die Rundenzeiten und Abstände nach dem Rennen in Le Mans anschaut, kann man festhalten: Toyota war in der LMP1, wir mit 12 Runden Rückstand so etwas wie die "LMP2+", denn die wirklichen LMP2 hatte nur sieben Runden Rückstand auf uns. Die LMP2-Autos waren also näher an uns als wir am Toyota.


Start der 24h von Le Mans 2018

Der Start der 86. Auflage des 24h-Rennens in Le Mans

EoT schwierig: Toyota muss schneller als Private sein

Der Vortest und das Rennen in Spa hatten gezeigt, dass wir die vom ACO simulierten und errechneten Rundenzeiten nicht erreichen können. Toyota war in einer eigenen Liga. So fuhr irgendwie jeder sein eigenes Rennen und mir persönlich fehlte ein wenig die Challenge der letzten Jahre, in denen es immer um alles ging.

Nicht falsch verstehen: Ein Rennen in Le Mans macht einem leidenschaftlichen Rennfahrer wie mir immer Spaß. Da gibt es gar keine Frage. Aber unter den diesjährigen Voraussetzungen fehlte einfach diese ganz besondere Anspannung, die man vor dem Einsteigen ins Auto verspürt. In den letzten Jahren wusste man, wenn ich diese Durchschnittszeiten erreiche, ist das und das nach hinten und vorne möglich. Es ist etwas ganz anderes, wenn man weiß, dass man eine Chance auf den Sieg hat und restlos alles fehlerfrei am Maximum fahren muss. Dann ist man auch bereit, viel mehr zu riskieren.

Wir sind mit unserem Rebellion auch nicht langsam gefahren. Aber für uns lag die einzige Chance darin, unser Auto möglichst sicher und stabil über die Distanz zu bringen. Risikomanagement eben. Das bis 2017 beinahe typische Toyota-Pech in Le Mans hätte uns dann vielleicht eine Möglichkeit beschert. Aber dazu kam es nicht. Toyota hat alles gemeistert. Sie haben sich diesen langersehnten Sieg verdient - ohne jeden Zweifel.

Seit dem Ausstieg der anderen Werkteams in der LMP1 besteht die Schwierigkeit dieser WEC-Supersaison darin, ein wirkliches Rennen zu bieten oder zu zeigen - nicht nur ein Schaulaufen. Es wäre aber auch unfair, wenn die privaten LMP1-Autos dank der EoT schneller wären als der Toyota, denn das Auto ist technisch überlegen, das Team ist besser aufgestellt als jedes Privatteam und somit muss die grundsätzliche Hackordnung gegeben sein.

Wir sollten als privat eingesetzte LMP1 einfach nah genug am Toyota dran sein. Denn sollte der Fall eintreten, dass Toyota beispielsweise eine Stop-and-Go-Strafe erhält, könnten wir diese unter Druck setzen. Ich bin kein Techniker, aber anhand des Le-Mans-Resultats hat jeder Fan gesehen, dass es nicht einfach ist, eine EoT zu berechnen. Diese muss die privaten LMP1-Autos nah genug, aber nicht zu nahe an die Werkswagen von Toyota ranbringen.

Silverstone 2018: Hat Rebellion eine kleine Chance?

Nachdem ich nun den warmen Sommer genossen habe und mich wieder mit Silverstone beschäftige, konnte ich mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass sich doch was tut bei der Angleichung zu Toyota. Zum kommenden Rennen in Silverstone wurde die EoT zu unseren Gunsten angepasst und der festgeschriebene Rundenzeiten-Vorteil in Höhe von 0,5 Prozent für Toyota wurde gänzlich gestrichen. Warten wir mal ab, wo wir damit landen. Wir haben in Le Castellet zwar zwischenzeitlich getestet, können die Auswirkungen aber noch nicht abschätzen.

Das bringt mich zu Silverstone: Wir haben keine Siegeserwartungen, aber Hoffnung ist immer da. Ich hoffe, dass alle privaten LMP1-Autos auf einem Niveau liegen und wir alle gemeinsam näher an Toyota dran sind. Wir wollen ein echtes Rennen fahren. Und das geht nur dann, wenn wir nicht zur Rennhälfte schon vier Runden Rückstand haben. Wenn wir aufgrund des Performance-Unterschieds eine Runde auf Toyota verlieren, dann passt es aus meiner Sicht. Das sind in Silverstone dann circa zwei Minuten. Wenn dann bei denen etwas schiefläuft, dann sind wir dran. Darauf hoffe ich. Nicht auf Fehler, aber auf Chancen!

Derek Bell und Neel Jani

Besondere Begegnung mit Le-Mans.Legende Derek Bell in Goodwood Zoom

Ich freue mich auf das 6-Stunden-Rennen in Silverstone, bin schon sehr gespannt. Aber irgendwie ist es in dieser Supersaison der WEC ein bisschen anders als sonst. Man merkt an ganz vielen Stellen, dass es eine Übergangsphase ist. Vielleicht die Ruhe vor dem großen Sturm?

Mir persönlich tat diese Ruhe mal ganz gut. Von Anfang April bis Le Mans im Juni habe ich nur sehr wenige Nächte zu Hause schlafen können. Viele Einsätze in Autos, viele PR-Events und sonstige Verpflichtungen. Die vergangenen Wochen waren mal so ganz anders und ich war viel zu Hause. Jetzt erkennt mich auch mein drei Monate alter Sohn wieder!

Wie im Kinderparadies: Besonderer Besuch in Goodwood

Unterbrochen war dieser "Heimaturlaub" für mehrere Tage, als ich mit Porsche beim Festival of Speed in Goodwood war. Für Motorsportfans gibt es kaum etwas Besseres. Wer Autos und Rennsport so liebt wie ich, der nimmt so etwas mit allen Sinnen wahr. Sehen, hören, riechen und anfassen. Das geht in Goodwood so intensiv wie nirgends sonst. Unzählige großartige Autos, viele tolle und spannende Menschen.

Goodwood stand in diesem Jahr ganz im Zeichen von "70 Jahre Porsche". Wir waren mit vielen Autos präsent, es gab große Präsentationen und Feuerwerke. Unter anderem war der sagenumwobene LMP2000 erstmals öffentlich ausgestellt. Ich durfte unseren 919 Evo den Berg hochfahren. Das hat Spaß gemacht, das Auto kam beim Publikum super an. Ich hätte gern Vollgas gegeben, aber eine Rekordjagd stand diesmal nicht auf dem Programm.

Neel Jani in Goodwood

Nur zu gern wäre ich mit dem Porsche 919 Hybrid Evo Vollgas den Berg hochgefahren Zoom

Hätte ich den Goodwood-Rekord von Nick Heidfeld knacken können? Wer weiß. Aber es wäre sicherlich alles andere als einfach gewesen! Erstens hat es Nick wirklich knallen lassen und zweitens sind die Voraussetzungen anders als damals bei Nick. Am McLaren wurden damals Reifenwärmer verwendet, heute ist das nicht mehr erlaubt. Dafür sind heute die Autos schneller und technisch besser, aber ohne Reifentemperatur bringt das nicht viel. Romain Dumas hat es mit dem Pikes-Peak-VW versucht und ist schon sehr nahe am Rekord gewesen!

Aber auch ohne Vollgas machte es Spaß. 2005 war ich letztmals in Goodwood gewesen. Und ich kann nur sagen: Gratulation, was man aus dieser Veranstaltung bis heute gemacht hat! Ich fühlte mich wie ein Kind auf der weltgrößten Spielzeugmesse. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Erst nach dem vierten Tag hatte ich ansatzweise das Gefühl, wirklich alles gesehen zu haben. Beeindruckend!

Diese Woche geht es für mich endlich mit dem echten Rennsport weiter. Aus der Sommerhitze in den heißen Wettbewerb in Silverstone. Drückt uns beim Rennen die Daumen!

Viele Grüße,

Neel Jani

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