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  • 22.07.2018 19:40

  • von Stefan Ehlen & Adam Cooper

Keine Strafe: Rennleitung spricht Lewis Hamilton frei!

Lewis Hamilton behält den Sieg in Hockenheim: Die Kommissare sahen von einer Strafe für das "Off-Road-Manöver" bei der Boxeneinfahrt ab, aber verwarnten ihn

(Motorsport-Total.com) - Rein in die Boxengasse und über das Gras zurück auf die Strecke: Lewis Hamilton hat beim Deutschland-Grand-Prix in Hockenheim mit einem Manöver für reichlich Verwirrung gesorgt. Prompt musste der spätere Rennsieger bei der Rennleitung vorsprechen. Der Grund: Das Überfahren des Grünstreifens zwischen Boxeneinfahrt und Rennstrecke ist nicht erlaubt. Dennoch sprachen die Sportkommissare keine Strafe gegen den Mercedes-Piloten aus, aber eine Verwarnung. Es ist Hamiltons erste in dieser Saison.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Keine Strafe: Lewis Hamilton bleibt der Sieger von Hockenheim Zoom

In der Urteilsbegründung heißt es, drei Faktoren hätten zur Entscheidung beigetragen, nämlich: Hamilton und das Team hätten das Fehlverhalten eingeräumt und auf die Verwirrung vor der Boxeneinfahrt verwiesen. Die Szene habe sich während einer Safety-Car-Phase ereignet. Und: Zu keinem Zeitpunkt sei von Hamilton Gefahr für einen anderen Fahrer ausgegangen. Das Manöver wurde insgesamt als "sicher" eingestuft.

Was war geschehen? Hamilton folgte Kimi Räikkönen in Runde 52 unter Gelb in die Boxeneinfahrt, doch im Gegensatz zu Räikkönen entschied sich Hamilton kurzerhand, doch keinen Boxenstopp einzulegen - und überfuhr den Grünstreifen zwischen Boxeneinfahrt und Rennstrecke, um zurück auf die Rennbahn zu gelangen.

Das sagt Hamilton über die Situation

Hamilton selbst erklärt diese Szene so: "Es war so verwirrend. Ich kam aus Kurve 16 heraus und Kimi [Räikkönen] bog bereits ab [in die Boxengasse]. Ich war zuvor schon an die Box beordert worden. Ich sagte: 'Kimi biegt ab.' Man sagte mir: 'Bleib draußen!' Doch ich befand mich schon in der Boxeneinfahrt und fuhr dann über das Gras zurück auf die Strecke. Dann hieß es plötzlich: 'Nein, bleib drin!' Aber da befand ich mich schon wieder auf der Strecke. Es war unheimlich stressig und wirklich verwirrend."

Er vermute, an der Mercedes-Boxenmauer seien "alle in Panik verfallen", weil auch Räikkönen zum Boxenstopp hereingekommen war. "Ich war wahrscheinlich der einzige, der einen kühlen Kopf bewahrt hat", meint Hamilton. Er sorgte sich jedoch bis zur Zieldurchfahrt um eine mögliche Sanktion - und fragte nach Rennende umgehend per Funk nach: "Gibt es eine Strafe?"

Sein plötzliches Herauslenken aus der Boxengasse erklärt er so: "Manchmal musst du das Gegenteil dessen machen, was der Führende tut." Er habe aber er die Teamentscheidung angezweifelt und die Boxeneinfahrt abgebrochen. "Das erwies sich am Ende als die richtige Entscheidung", sagte Hamilton in einer ersten Stellungnahme.

Das steht im Formel-1-Reglement

Diese "richtige Entscheidung" steht jedoch im Widerspruch zu Anhang L, Kapitel 4, Artikel 4d des internationalen Sportkodex des Automobil-Weltverbands (FIA). Dort heißt es: "Nur in Fällen von höherer Gewalt (die von den Sportkommissaren als solche akzeptiert werden) ist das Überfahren der Linie zwischen Boxeneingang und Rennstrecke - egal, in welche Richtung - mit einem in die Boxengasse einfahrenden Auto erlaubt." In Anbetracht der oben genannten Umstände blieb es für Hamilton bei einer Verwarnung.

Doch wie war es zu diesem Manöver gekommen? Der Funkverkehr von Hamilton vor der Szene gibt Aufschluss darüber, wie uneinig sich die Mercedes-Verantwortlichen am Kommandostand waren:

Team: "Box, Box!"

Team: "Abstand halten! Der Abstand zu Valtteri beträgt ..."

Hamilton: "Kimi bleibt draußen!"

Team: "Bleib draußen!"

Team: "Rein, rein, rein, rein, rein, rein, rein, rein!"

Hamilton: "He, Freunde ..."

Team: "Entschuldige, bleib draußen!"

Mercedes räumt Funk-Verwirrung ein

Selbst Mercedes-Sportchef Toto Wolff musste nach dem Rennen einräumen: "Es war sehr chaotisch und viele Funksprüche gingen durcheinander. Da hat er wahrscheinlich nicht verstanden, was gemeint war." So erklärt sich der Österreicher die Situation in der Boxeneinfahrt. Wolff selbst sagt außerdem: "Ich konnte die Stimmen, die da durcheinander redeten, nicht erkennen." Heißt: Zu viele Ingenieure redeten gleichzeitig auf Hamilton ein.

Auf der Strecke zu bleiben und nicht zum Boxenstopp zu fahren, das war laut Formel-1-Experte Timo Glock eine gute Maßnahme. "Alles richtig gemacht", meint der Deutsche bei 'RTL'. Doch er und Nico Rosberg hatten im Fernsehen auch Zweifel an der Aktion angemeldet: "Wir beide waren uns sicher, dass er hinter dem Poller, der da steht, war. Da haben wir beide gesagt: 'Das darf er eigentlich nicht mehr.' Aber anscheinend geht es doch." Siehe das Urteil der Rennleitung, das zwar einen Regelverstoß nennt, aber keine Strafe dafür vorsieht.

Und warum dauerte es überhaupt bis nach der Zieldurchfahrt, um die Untersuchung gegen den Vorfall einzuleiten? Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting erklärt: "Wenn du ein Team einbestellst, dann brauchst du auch einen guten Grund dafür. Das sicherzustellen hat etwas gedauert. Wir wollten außerdem bis nach dem Rennen warten, um uns die Situation noch einmal anzusehen, denn es war spät im Rennen geschehen. Wir hatten Regen und Unwetter, wir wollten uns in Ruhe damit befassen. Dann erst entschieden die Sportkommissare, die Sache direkt mit dem Team besprechen zu wollen."

Kein Protest von Ferrari

Einen Protest von WM-Rivale Ferrari habe es nicht gegeben, sagt Whiting. Die Rennleitung habe sich aus freien Stücken dazu entschlossen, eine Untersuchung anzustoßen. Begründung: "Wir müssen sicherstellen, dass die Fahrer nicht auf gefährliche Art und Weise in die Boxengasse ein- und ausfahren. Wir wollen nicht sehen, wie die Piloten in letzter Sekunde noch abbiegen."

In der Urteilsbegründung heißt es außerdem: "In Anbetracht all dessen und im Hinblick auf frühere Verstöße dieser Art bei dieser Regel (siehe oben), sind wir der Meinung, dass eine Verwarnung die angemessene Sanktion ist für diesen Zwischenfall."

Hamilton äußerte sich unmittelbar dazu und meinte: "Ich ging hinein [in das Büro der Sportkommissare] und erklärte es ihnen. Ich war 100 Prozent ehrlich. Ich bin selten dort. Das war früher mal anders, als ich recht häufig bei ihnen vorsprechen musste. Jetzt muss ich kaum zu ihnen. Ich respektiere die Regeln und die Arbeit der Rennkommissare. Ich war ehrlich, schilderte ihnen, wie es war. So erkannten, wie verwirrend es zugegangen war. Das war es auch schon." Hamilton betonte außerdem: "Ich bin langsam über den Grünstreifen gefahren und so sicher wie möglich wieder zurück auf die Fahrbahn."