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  • 14.10.2018 08:36

  • von Armin Hoyer

Interview mit Nicolas Goubert: Kann die neue MotoE das Publikum elektrisieren?

2019 gibt es im Rahmen der MotoGP-Rennen die neue MotoE - Was sich die Fans von der Elektrorennserie erwarten dürfen, erklärt Serienchef Nicolas Goubert

(Motorsport-Total.com) - Nach 28 Jahren beim Reifenhersteller Michelin wechselte Nicolas Goubert im Februar zur neuen Rennserie für Elektromotorräder und ist seither als Executive Director MotoE für den neu geschaffenen "FIM Enel MotoE World Cup" verantwortlich. Der Franzose im Interview über die aktuellen Entwicklungen in dem im Mai 2019 startenden E-Weltcup.

Titel-Bild zur News: MotoE

Fünf Rennen wird die neue MotoE in der Premierensaison 2019 fahren Zoom

Frage: "Nicolas, wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Entwicklung der MotoE?"
Nicolas Goubert: "Ich bin generell sehr glücklich darüber, wie sich die Dinge derzeit entwickeln. Im Speziellen über die aktuellen Fortschritte von Energica bei der Abstimmung des Bikes für den Rennstreckeneinsatz. Die Fahrer sind bereits sehr zufrieden mit der Performance des Motorrades. Ein weiterer wichtiger, positiver Punkt ist, dass alle Teams bereits fixiert sind und sich kurz vor den Vertragsabschlüssen mit ihren Fahrern befinden. Gut dabei ist, dass es sich aus heutiger Sicht durchwegs um erfahrene, hochkarätige Piloten handeln wird."

Frage: "Es wurde angekündigt, dass alle Fahrer beim Grand Prix von Aragonien bekannt gegeben werden. Warum war dies noch nicht der Fall?"
Goubert: "Die Teams werden Schritt für Schritt ihre Fahrer selbst bekannt geben. In Misano haben wir entschieden, ihnen mehr dafür Zeit zu geben, da die Fahrer neben ihrem MotoE-Engagement auch in anderen Meisterschaften tätig sein werden. Wir haben den Terminplan der MotoE in Misano bekannt gegeben. Die Teams benötigen jetzt noch mehr Zeit, damit vor einer Entscheidung auch alle Rennkalender bereits feststehen."

Wird die neue Serie bereits akzeptiert?

Frage: "Es ist sicherlich keine einfache Aufgabe, eine neue Rennserie zu etablieren, noch dazu eine mit Elektroantrieb. Inwieweit wird die MotoE bereits akzeptiert?"
Goubert: "Es ist sicherlich eine Herausforderung, da es eine neue Technologie ist und Menschen, wie auch im täglichen Leben, Veränderungen nicht mögen. Das ist in der Rennszene ganz genauso. Es ist einerseits zwar eine große Herausforderung, aber gerade das macht es so interessant."

"Die Wirkung, die die Rennserie zu haben scheint, die Anzahl der Fahrer, die daran teilhaben möchten sowie die Reaktion der Teams zeigt bereits eine gewisse Akzeptanz. Darüber hinaus stimmt mich auch das Feedback der Teams positiv, welches zeigt, dass sich auch Sponsoren aus anderen als den üblichen Bereichen für die MotoE interessieren."

Frage: "Nun zu den Rennmotorrädern selbst. Es wird mit einheitlichen E-Bikes von der Firma Energica gefahren. Welche Änderungen sind den Teams erlaubt?"
Goubert: "Die Teams dürfen das Set-up der Bikes verändern. Sie können das Fahrwerk auf die Anforderungen des jeweiligen Fahrers anpassen, wie zum Beispiel Federhärte, -vorspannung und Sitzhöhe verändern. Wenn man mit einer neuen Technologie wie dieser startet, ist es vernünftig, nicht allzu viele Veränderungen zuzulassen, um von Beginn an Chancengleichheit für alle zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Grundlage für interessante Rennen."

MotoE

Die Einheitsmotorräder sind ungefähr so schnell wie die Moto3-Klasse Zoom

Energiesparen soll kein Thema sein

Frage: "Ist es bei einer geplanten Renndistanz von sieben bis zehn Runden beziehungsweise 15 Minuten möglich, spannende Rennen vergleichbar mit der MotoGP zu erwarten?"
Goubert: "Ganz sicher, bei einem 45-minütigen MotoGP-Rennen gibt es einige besonders intensive Phasen wie den Start und die Schlussphase. Die MotoE wird vom ersten Moment bis zum Ende hochspannend sein."

"Ein wichtiger Faktor ist, dass die MotoE eine ganz neue Kategorie neben den bestehenden Serien MotoGP, Moto2 und Moto3 sein wird. Es ist uns wichtig, dass allen Fahrer die gleiche Leistung vom Start bis ins Ziel zur Verfügung steht. Wir werden daher die Anzahl der Runden so festlegen, dass kein Fahrer darüber nachdenken muss, Energie des Akkus zu sparen. Dabei sind natürlich die unterschiedlichen Fahrstile der MotoE-Piloten zu berücksichtigen."

Frage: "In der MotoGP spielen die Reifen eine sehr bedeutende Rolle. Wird das auch in der MotoE der Fall sein?"
Goubert: "Es wird ebenso ein Thema sein, aber in ein wenig anderer Form. In der MotoE wird es weniger und kürzere Freie Trainings geben - 30 Minuten mit ungefähr 15 bis 20 Minuten auf der Strecke. Wir wollen den Teams zu Beginn das Leben leicht machen. Zum Start der Saison 2019 werden sie daher nur einen Typ Slicks erhalten, um nicht wählen zu müssen. Reifenmanagement wird ein Thema sein, aber nicht in dem Ausmaß wie bei der MotoGP."

Nicolas Goubert

Nicolas Goubert kümmert sich um die Organisation der neuen Rennserie Zoom

Motorrad eine Weiterentwicklung des Serienmodells

Frage: "Das Rennmotorrad ist eine Weiterentwicklung des Straßen-E-Bikes 'Energica Ego'. Was sind die maßgeblichen Veränderungen, die es zur 'Energica Ego Corsa' machen?"
Goubert: "Wir haben vor allem am Fahrwerk, Rädern und an den Bremsen gearbeitet. Die Räder sind etwas breiter als bei der Straßenversion, der Vorderreifen ist mit 3,75x17 Zoll um ein viertel, der Hinterreifen mit 6x17 Zoll um ein halbes Zoll breiter. Der Vorderreifen ähnelt sehr dem der MotoGP, gleiches Profil, gleiche Konstruktion, aber eine weichere Mischung."

Frage: "Welche Rundenzeiten werden mit den MotoE-Bikes möglich sein?"
Goubert: "Bei Tests mit Alessandro Brannetti und Loris Capirossi waren wir rund eine halbe Sekunde hinter den Moto3-Zeiten. In Spielberg werden wir etwas schneller sein. Alles in allem ähnliche Rundenzeiten. Die MotoE und Moto3 unterscheiden sich jedoch trotzdem maßgeblich voneinander. Die Höchstgeschwindigkeit und das Gewicht sind höher, dafür sind die Moto3-Bikes in der Kurve schneller."

MotoE

Der Stecker für die Stromverbindung befindet sich unter dem Sitz Zoom

Testfahrer von Motorleistung begeistert

Frage: "Was sagen die Fahrer über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem MotoE-Bike? War es schwer sich darauf einzustellen?"
Goubert: "Die Fahrer auf den Demo-Runden, wie zum Beispiel in Spielberg Ex-MotoGP-Fahrer Alex Hofmann im vergangenen August, sitzen dabei zumeist das erste Mal auf dem E-Bike. Alex meinte nach seiner Fahrt, er sei beeindruckt von der Motorleistung. Der vierfache Motorrad-Weltmeister Max Biaggi musste auf der sehr kurvigen Rennstrecke in Mugello seinen Fahrstil zwei Runden lang ein wenig anpassen, dann aber ist es sehr gut gelaufen. Es ist zu bedenken, dass ein MotoE-Bike rund 100 Kilogramm schwerer ist als ein MotoGP-Bike."

Frage: "Wer war noch auf einer Demo-Runde mit dem MotoE-Bike unterwegs?"
Goubert: "Der ehemalige MotoGP-und aktuelle Langstrecken-WM-Pilot Randy de Puniet fuhr mit der 'Energica Ego Corsa' Demo-Runden in Le Mans. Da die Langstrecken-Bikes schwerer sind als die der MotoGP, meinte Randy, mit vollem Tank seien diese nicht sehr unterschiedlich zu den MotoE-Bikes. Oft beklagen die Fahrer zu Beginn mit vollem Tank, dass das Gewicht so stark anschiebe und es im Laufe des Rennens besser werde. Dieses Problem gibt es bei der MotoE nicht."

MotoE

Die bisherigen Testfahrer waren vom Drehmoment und der Leistung begeistert Zoom

Frage: "Welche nächsten Schritte sind bei der MotoE geplant?"
Goubert: "Der nächste wichtige Schritt werden die ersten Tests im November in Jerez mit zwölf Bikes sein. Bei diesem Test von 23. bis 25. November sind noch nicht alle 18 Bikes im Einsatz. Es wird wie folgt ablaufen: Einen Tag vor dem offiziellen Testbeginn erhält jedes Team ein Bike mit Standardabstimmung, welches dann an die Fahrer angepasst werden kann. Die Mechaniker der Teams hatten dazu bereits im Vorfeld ein Training bei Energica in der Fabrik."

"Die erforderlichen Teile stellen wir zur Verfügung, zusätzlich werden bei jedem Event sechs Mechaniker von Energica anwesend sein. Den Transport der Bikes übernehmen auch immer wir, dies hat zwei Gründe. Erstens machen wir den Teams damit das Leben leichter und zweitens wird die Serie ähnlich organisiert sein, wie der Rookies-Cup. Die MotoE wird ein eigenes Areal im Paddock für alle teilnehmenden Teams haben. Nach den Tests übergeben die Teams am 25. November das Bike dann wieder uns."

Der erste Weltcup des elektrischen Pendants zur MotoGP wird im nächsten Jahr im Rahmen von fünf Motorrad Grand Prix in Europa ausgetragen. Der "FIM Enel MotoE World Cup", so die offizielle Bezeichnung, wird seine Premiere im Mai 2019 am Circuito de Jerez Angel Nieto feiern und im August auch Spielberg elektrisieren. Vor Beginn der ersten Rennsaison werden drei offizielle Tests stattfinden, einer noch in diesem Jahr und zwei weitere Anfang nächsten Jahres.

Energica MotoE

18 Fahrer werden in der ersten MotoE-Saison um den Weltcup-Titel kämpfen Zoom

Die einheitlichen Renn-E-Bikes kommen von der Italienischen Firma "Energica Motor Company" mit Sitz in Modena. Die Leistungsdaten der "Energica Ego Corsa" sind beeindruckend: 120 kW Leistung, 200 Nm Drehmoment, in weniger als 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 270 km/h Spitze.

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