MotoGP: Ist das Qualifying heutzutage wichtiger als die Pace im Rennen?

Wie wichtig sind die Qualifying-Ergebnisse und somit die Startpositionen in einer zunehmend von der Aerodynamik geprägten MotoGP-Ära geworden?

(Motorsport-Total.com) - Die aktuelle MotoGP-Ära unterscheidet sich stark von der Mitte bis Ende der 2010er-Jahre, als die Dreierrivalität zwischen Marc Marquez, Jorge Lorenzo und Valentino Rossi die Szene über Jahre prägte.

Titel-Bild zur News: MotoGP-Action in Mandalika

Ist ein gutes Qualifying im modernen MotoGP-Zeitalter schon die halbe Miete? Zoom

Der Fokus auf Aerodynamik, technische Innovationen wie die Ride-Height-Devices und die strengen Vorschriften hinsichtlich des Reifendrucks haben die Art und Weise, wie die Fahrer in der Königsklasse des Motorradrennsports gegeneinander antreten, grundlegend verändert.

Während Ducati nach wie vor der dominierende MotoGP-Hersteller ist, haben die Fortschritte, welche von Honda und Yamaha in diesem Jahr gemacht wurden, das Feld enger zusammengebracht. Beim diesjährigen Grand Prix von Japan in Motegi erzielte Joan Mir den ersten Podiumsplatz für das Honda-Werksteam seit zwei Jahren, als er hinter dem Ducati-Duo Francesco Bagnaia und Marc Marquez den dritten Platz belegte.

Für viele war dies das bislang deutlichste Zeichen dafür, dass sich die Entwicklungsrichtung von Honda endlich auszahlt. Mirs Teamkollege Luca Marini betonte jedoch sofort die Bedeutung der Qualifying-Leistung. Dass sich Mir in Motegi für die erste Startreihe qualifizierte, das gab den Ton für das weitere Wochenende vor.

"Mit einem guten Qualifying kann jedes Motorrad [im Rennen] mithalten", sagt Marini. "Sogar Quartararo fuhr ein fantastisches Rennen, nachdem er [in Silverstone] von der Pole gestartet war, obwohl das Potenzial des [Yamaha]-Pakets nicht so stark ist."

Die Wichtigkeit des Trainings am Freitag

"Mit dem Motorrad, das wir jetzt haben, ist es ein sehr einfaches Rennen, wenn man aus der ersten Reihe startet. Startet man im Vergleich dazu von weit hinten und muss sich nach vorne kämpfen, dann ist das Überholen sehr schwierig, selbst wenn man eine gute Pace hat", so Marini. "Heutzutage sind alle Motorräder sehr konkurrenzfähig. Das Qualifying ist sehr wichtig. Wir versuchen, das jedes Mal gut hinzubekommen. In Japan ist Joan genau das sehr gut gelungen."

Luca Marini

Luca Marini weiß um die Wichtigkeit des Freitags, vor allem für Honda Zoom

Seit Mitte der MotoGP-Saison 2023 wird vom Reglement her noch mehr Wert auf die einzelne schnelle Runde gelegt. Im Rahmen des überarbeiteten Formats erhalten die zehn schnellsten Fahrer des Trainings am Freitagnachmittag automatisch einen Platz im Q2-Segment des Qualifyings.

Dies ist eine massive Abkehr von der vorherigen Struktur, bei der nach dem FT3 am Samstag (seither umbenannt in FT2) die kombinierten Zeiten herangezogen wurden, um die Reihenfolge für Q1/Q2 zu bestimmen.

Dadurch hat man das Training praktisch zu einem Mini-Qualifying gemacht, was die Intensität eines mit Sprints ohnehin schon komplizierten Zeitplans noch erhöht. Wer es am Freitag nicht in die Top 10 schafft, der hat das ganze Wochenende über einen schweren Stand. Wer sich einen Platz in Q2 sichert, dem ist einen Platz in den ersten drei Startreihen garantiert.

"Das verändert unsere Herangehensweise an das Wochenende erheblich", sagt Marini. "Jetzt gehen wir im Training bis an die Grenzen, um in den Top 10 zu bleiben, denn das kann das gesamte Wochenende verändern. Im Moment ist es so: Wenn man die Pace nicht hat, aber vorne startet, dann kann man ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Wenn man die beste Pace im Feld hat, aber nur als Zwölfter startet, dann wird das Rennen meiner Meinung nach schwierig."

Statistiken (nach 18 von 22 Grands Prix 2025)

Siege von außerhalb der ersten Reihe: 4
Podien von außerhalb der ersten zwei Reihen: 11 (in 10 Rennen)
Sieg von am weitesten hinten: P10 (Bezzecchi in Silverstone)
Podium von am weitesten hinten: P11 (Bagnaia in Lusail, Zarco in Le Mans)

Ist das Qualifying-Tempo derzeit wirklich wichtiger als die Pace im Rennen? Die Daten aus den bisherigen Rennen der MotoGP-Saison 2025 stützen beide Seiten der Argumentation.

Von den bisher 18 Grands Prix haben 11 Fahrer (in 10 Rennen) das Podium erreicht, obwohl sie außerhalb der ersten zwei Startreihen gestartet waren. Das deutet darauf hin, dass eine starkes Rennpace auf etwa der Hälfte der Strecken im Kalender immer noch den Ausschlag geben kann.

Es ist allerdings auch wichtig zu betonen, dass es kein Fahrer auf das Podium geschafft hat, nachdem er vom zwölften Startplatz oder von noch weiter hinten losgefahren ist. Das bedeutet, dass die Chancen auf einen Podiumsplatz praktisch null sind, wenn man es nicht ins Q2 schafft.


Fotostrecke: Alle Sieger der MotoGP-Saison 2025

Die beeindruckendste Aufholjagd im bisherigen Saisonverlauf ist Francesco Bagnaia gelungen, als er im Katar-Grand-Prix in Lusail nach einem Sturz im Qualifying, der ihn auf den elften Startplatz zurückwarf, noch auf P3 ins Ziel kam. Auch Johann Zarco startete von P11, als er den von Regen beeinträchtigten Frankreich-Grand-Prix in Le Mans gewann. Sein umjubelter Heimsieg wurde aber durch die ungewöhnlichen Umstände begünstigt.

Die niedrigste Startposition, von der aus ein Fahrer im bisherigen Saisonverlauf ein Rennen gewonnen hat, das ist P10, als Marco Bezzecchi mit einer Meisterleistung im Reifenmanagement den Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone für Aprilia gewann.

Natürlich gibt es in der Regel einige Vorbehalte zu berücksichtigen, darunter die außergewöhnliche Bilanz von Ducati in den Qualifyings in dieser Saison. Genau führte dazu, dass die meisten Ducati-Fahrer selten von weit hinten in ein Rennen gestartet sind.

Das Qualifying ist nicht alles - noch nicht

Es ist wichtig zu beachten, dass Luca Marinis Argument die Perspektive der japanischen Hersteller Honda und Yamaha widerspiegelt. Die Fahrer dieser beiden Fabrikate haben bessere Chancen, gegen die europäischen Hersteller zu kämpfen, wenn sie selber weiter vorne in der Startaufstellung stehen.

Marini zufolge ist es für Honda-Fahrer schwierig, KTM und Aprilia herauszufordern, wenn sie sich selber weit hinten im Feld qualifizieren. Befindet sich aber eine Honda in der ersten Startreihe, wie es in Motegi mit Joan Mir der Fall war, dann muss selbst Weltmeister Marc Marquez aggressiv fahren, um sie auf der Strecke zu überholen.

Das ist ein völlig berechtigtes Argument, welches durch die Ergebnisse untermauert wird, die sowohl Mir als auch Marini seit der Sommerpause mit der verbesserten Honda RC213V erzielt haben.

Fabio Quartararo

Yamaha-Pilot Fabio Quartararo startete 2025 viermal von der Pole, aber ... Zoom

Aber wie die Saison von Fabio Quartararo zeigt, garantiert ein starkes Qualifying allein noch keinen Erfolg. Trotz seiner Qualifying-Brillanz konnte der Yamaha-Pilot in diesem Jahr nur eine seiner vier Poles in einen Podiumsplatz umwandeln. Selbst wenn wir seinen technischen bedingten Ausfall in Führung liegend in Silverstone einmal außer Acht lassen, ist seine Quote immer noch ziemlich niedrig.

Unterm Strich muss ein Motorrad auch im Renntrimm konkurrenzfähig sein, wenn man damit in der Lage sein will, seine Startposition über die Distanz zu halten. Mit der Yamaha M1 hatte selbst ein so begabter Fahrer wie Quartararo Schwierigkeiten. Sicher, die Pole im Qualifying verschaffte ihm zunächst eine hervorragende Ausgangsposition, aber oft wurde er dann in den Rennen nach hinten durchgereicht.

Auch wenn man sagen könnte, dass sich die MotoGP-Klasse in Richtung einer "Qualifying-First"-Ära verschoben hat, so gibt es in den Sprints und in den Grands Prix noch immer viel zu gewinnen.

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