Vom ersten modifizierten Bremspedal zum neuartigen Handbremshebel: Die Entwicklung von Alessandro Zanardis Fahrsystemen von 2003 bis heute
BMW 320i und BMW 320si (2003-2009): Modifiziertes Bremspedal, auf dem Beinprothese fixiert wird; Lenkrad mit Ring zum Gas geben; Schaltung über H-Schalthebel mit rechter Hand
"Bei dem ersten System bremste ich mit einem Ring am Lenkrad, Gas gab ich über einen weiteren Ring und mit der rechten Hand bediente ich die H-Schaltung. Mit den Fingern bediente ich die Kupplung, einen Knopf oben auf dem Schalthebel. Gelenkt habe ich praktisch nur mit dem Handballen", erinnert sich Zanardi. "Das war definitiv zu viel."
"Wir mussten also ein Bremspedal entwerfen, an dem meine Beinprothese dauerhaft befestigt werden kann. Das erwies sich als sehr effiziente Lösung. Schon beim allersten Test merkte ich, dass ich nicht nur den nötigen Druck ausüben kann, sondern war überrascht, wie gut ich ihn dosieren und wie gut ich das Bremspedal fühlen konnte."
BMW Z4 GT3 - Blancpain-GT-Serie (2014): Modifiziertes Bremspedal, auf dem Beinprothese fixiert wird; Lenkrad mit Ring zum Gas geben; Schaltung über Schaltwippen am Lenkrad
Bei der 24h Spa 2015 teilte sich Zanardi das Auto mit Bruno Spengler und Timo Glock - und die Ingenieure standen vor der Aufgabe, den BMW Z4 GT3 so zu modifizieren, dass er sowohl von Zanardi als auch von körperlich nicht beeinträchtigten Piloten gefahren werden kann. Herauskam eine "sehr, sehr clevere Lösung", wie Zanardi sagt.
"Ich habe den Ingenieuren in München meine Beinprothese gezeigt, die ein Hohlrohr ist, und vorgeschlagen, dass wir das Bremspedal durch ein System ersetzen könnten, bei dem eine Art Stift in die Prothese hineingleitet", berichtet der Italiener.
"Sie haben die Idee aufgegriffen und für mich ein sehr dünnes Bremspedal entwickelt, das ganz rechts in der Pedalbox angebracht wurde", so Zanardi.
Glock und Spengler bedienten die normalen Gas- und Bremspedale in der Mitte der Pedalbox. Die beiden Bremspedale waren miteinander verbunden und bewegten sich simultan. Zudem wurde das Kupplungspedal komplett aus der Pedalbox entfernt und durch ein Clutch-by-Wire-System ersetzt. Dieses System wurde über zwei Kupplungswippen gesteuert.
Statt des Kupplungspedals wurde auf der linken Seite der Pedalbox eine Fußstütze für Zanardi angebracht, die seinem Körper beim Bremsen zusätzlichen Halt gab. Vollkommen neu war in Spa auch Zanardis Lenkrad. Es basierte auf dem, das er zuvor bereits im BMW Z4 GT3 genutzt hatte, wurde jedoch in vielen Bereichen optimiert.
BMW M6 GT3 (2016): Schmales Bremspedal analog 24h Spa; Lenkrad mit Ring zum Gas geben; Schaltung über Schaltwippen am Lenkrad; neu entwickelte Fliehkraftkupplung
Als Zanardi 2016 sein Debüt im BMW M6 GT3 bestritt, wurde das System noch weiter verbessert. Der Kupplungsaktuator wurde durch eine vollautomatische Fliehkraftkupplung ersetzt, die ZF entwickelt hat. Diese öffnet und schließt bei bestimmten Drehzahlen automatisch und muss nicht mehr vom Fahrer betätigt werden.
BMW M4 DTM und BMW M8 GTE (2018-2019): Handbremshebel zum Bremsen; Lenkrad mit Ring zum Gas geben, Hochschalten über Wippe am Lenkrad, Herunterschalten über Knopf am Bremshebel, Fliehkraftkupplung
"Das System, das wir zu diesem Zeitpunkt hatten, erlaubte mir, schnell zu sein, auch über einige Runden. Aber ehrlich gesagt: Es war wirklich schwierig, länger im Auto zu sitzen, um meinem Team auch über die Distanz eines 24-Stunden-Rennens eine echte Hilfe zu sein", räumt Zanardi ein.
Denn da er keine Beine hat, fehlen ihm wichtige Gliedmaßen, die durch die Blutzirkulation helfen, den Körper zu kühlen. Zudem lassen die eng sitzenden Schäfte seiner Beinprothesen keinerlei Transpiration zu: "Jedes Mal, wenn ich aus dem Auto gestiegen bin, war ich wie durchgebacken."
Zanardi war klar: Ohne Beinprothesen würde er wesentlich länger fahren können und sich im Auto auch wohler fühlen. Also setzten er und die BMW M Motorsport Ingenieure sich in München zusammen und hatten die Idee zu einem vollkommen neuen System: einem System, mit dem Zanardi alles mit den Armen und Händen machen kann.
2003 war dies aufgrund der H-Schaltung im BMW 320i noch ein Problem. Doch dank der modernen Getriebe in heutigen GT-Rennwagen und der nun etablierten Fliehkraftkupplung boten sich ganz neue Lösungswege. Das Bremspedal wurde durch einen Bremshebel ersetzt, den Zanardi mit seinem rechten Arm nach vorn drückt.
Dieser ist auf dem Kardantunnel montiert und mit der Bremse verbunden. Gas gibt Zanardi über einen Gasring am Lenkrad. Über eine Schaltwippe am Lenkrad kann er die Gänge wechseln. Gleichzeitig ist aber am Bremshebel ebenfalls ein Schalter angebracht, mit dem er beim Anbremsen von Kurven herunterschalten kann.
Die körperlichen Probleme, mit denen er in der Vergangenheit zu kämpfen hatte, sind für Zanardi mit dem Handbremssystem im BMW M8 GTE kein Thema mehr. "Wenn es das Reglement zulassen würde, könnte ich jetzt ein 24-Stunden-Rennen auch allein bestreiten", sagt er lachend. "Denn ohne Beinprothesen fühle ich mich im Auto richtig wohl."
Vom ersten modifizierten Bremspedal zum neuartigen Handbremshebel: Die Entwicklung von Alessandro Zanardis Fahrsystemen von 2003 bis heute