Stefan Johansson: Fahrer-Brief war "Schuss in den Fuß"

Wie die Formel-1-Fahrer um GPDA-Chef Alex Wurz in einem offenen Brief ihre Führung kritisierten, heißt nicht jeder Kollege gut: "Eine sehr schlechte Idee"

(Motorsport-Total.com) - Mit ihrem offenen Brief an die Entscheidungsträger der Königsklasse (das Schreiben im Wortlaut) legten die Formel-1-Piloten den Finger Ende März in eine ohnehin schon klaffende Wunde. Das neue Qualifying wurde in der Luft zerrissen. Der Beschwerdebrief der Piloten, in dem diese ihre Sorge um die Zukunft des Rennsports ausdrückten und willkürliche Regeländerungen kritisierten, tat sein Übriges. Ex-Rennfahrer Stefan Johansson glaubt daher, dass sich Vettel und Co. damit keinen Gefallen getan haben.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone, Alexander Wurz

Auf Alex Wurz ist Formel-1-Boss Bernie Ecclestone derzeit nicht gut zu sprechen Zoom

"Das war eine sehr schlechte Idee", schreibt der 59-Jährige auf seinem Blog. "Alles, was der Brief gemacht hat, war, das Offensichtliche zu konstatieren", stellt Johansson fest und lobt im gleichen Atemzug Formel-1-Boss Bernie Ecclestone für dessen Reaktion: "Ich finde es gut, wie Bernie damit umgegangen ist. Im Grunde genommen hat er zugestimmt, aber in seiner Antwort ihre Rechtschreibung und Grammatik korrigiert." Das zeige, was jene, an die der Brief gerichtet war, wirklich davon halten.

Ecclestone zweifelt daran, dass der Brief die Meinung aller im Fahrerlager widerspiegelt. Stellvertretend für sie hatten Sebastian Vettel, Jenson Button und Alex Wurz als Repräsentanten der Fahrergewerkschaft GPDA das Schreiben unterzeichnet. Doch in der Vereinigung sind noch nicht einmal alle Fahrer vertreten. Entsprechend süffisant kommentierte Ecclestone: "Da gibt es diesen Wie-er-auch-heißen-mag, diesen Österreicher!", und meinte natürlich Wurz, den er als Drahtzieher des Ganzen vermutet.

Ex-Formel-1-Fahrer: Offener Brief war ein Eigentor

Den Piloten mehr Mitspracherecht einzuräumen, kommt Ecclestone nicht in den Sinn. Einer Beteiligung in der Formel-1-Kommission erteilte er eine klare Absage und polterte stattdessen: "Welche Interessen haben die Fahrer denn, außer Geld mit dem Sport zu verdienen?" Johansson ist da ganz bei ihm. "Ihr aktueller Präsident (Wurz, Anm. d R.) ist noch nicht einmal ein aktiver Fahrer. Wenn ich mir die Kommentare der Teams und Führungsorgane ansehe, haben sie sich damit in den eigenen Fuß geschossen."

Der 59-Jährige glaubt, dass sich ohnehin kaum jemand dafür interessiere, was die Piloten zu sagen haben, "solange es um keinen der Topfahrer geht". Vor Johansson hatte bereits Jacques Villeneuve den offenen Brief als "lächerlich" bezeichnet und seine Ex-Kollegen zurechtgewiesen: "Es ist in Ordnung, seine Meinung zu äußern. Aber dann politisch an der Demokratie teilzunehmen, wo die Entscheidungen getroffen werden, das geht nicht!", kritisiert der Ex-Formel-1-Pilot im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Ähnlich äußert sich Gerhard Berger gegenüber 'Auto Bild'. Die Fahrer hätten zwar das Recht, ihre Meinung auszudrücken, schließlich seien sie diejenigen, die in den Autos sitzen. "Doch die Entscheidungen müssen am Ende von Bernie (Ecclestone, Anm. d. R.) und Jean Todt getroffen werden", findet Berger. Heutzutage bestehe das größte Problem darin, dass jeder etwas zu sagen habe und Beschlüsse so meistens ewig in irgendwelchen Arbeitsgruppen feststeckten statt schnell umgesetzt zu werden.


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Die Formel-1-Fahrer selbst stehen bis heute hinter ihrer Aktion. "Der Grund, weshalb wir diesen Brief geschrieben haben, ist, dass wir wollen, dass sich einige Dinge ändern. Und wir wollen helfen", dementiert etwa Button die viel diskutierte Wurz-Verschwörung. Auch Williams-Pilot Valtteri Bottas sagt: "Wir wollen helfen, denn auch wir sind Fans dieses Sports." Bisher sei jedoch nichts passiert, bemerkt er gegenüber finnischen Medien: "Wir haben keinerlei Recht abzustimmen oder auf getroffene Entscheidungen Einfluss zu nehmen."