Formel-1-Countdown 2009: BMW Sauber F1 Team

Um das BMW Sauber F1 Team war es im Winter so verdächtig still, dass man es umso mehr zum Kreis der WM-Favoriten zählen sollte

(Motorsport-Total.com) - Neue Aerodynamik, Comeback der Slicks, Einführung der Hybridtechnologie KERS, neue Fahrer, ein neues Team: Nie zuvor hat sich in der jüngeren Vergangenheit von einer Formel-1-Saison auf die nächste so viel geändert wie im Winter 2008/09. 'Motorsport-Total.com' nimmt daher bis zum Eintreffen der Grand-Prix-Community im Albert Park am Donnerstag der Reihe nach alle zehn Teams genau unter die Lupe. Heute: das BMW Sauber F1 Team.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld, Barcelona, Circuit de Catalunya

Nach 150 Starts möchte Nick Heidfeld endlich einen Grand Prix gewinnen

Wie die Zeit vergeht: Zehn Jahre ist es schon wieder her, dass Jörg Müller im französischen Miramas mit einem 1998er-Williams-Chassis den ersten BMW Motor der Formel-1-Moderne auf der Rennstrecke getestet hat. Ein Jahr später erfolgte als Partner von Williams der Einstieg in die Königsklasse. Ende 2005 war nach elf gemeinsamen Siegen Schluss - und BMW Motorsport Direktor Mario Theissen überzeugte den Vorstand davon, dass es eine gute Idee wäre, ein eigenes Team zu gründen.#w1#

Verlust von Sponsoren kein Problem?

Gesagt, getan: BMW stieg als Mehrheitsaktionär bei Sauber ein und hält heute 80 Prozent der Anteile am im schweizerischen Hinwil stationierten Rennstall. Die restlichen 20 Prozent liegen bei Teamgründer Peter Sauber; die Credit Suisse hat sich inzwischen zurückgezogen. Gemeinsam mit dem Finanzunternehmen stieg übrigens auch der Computerhersteller Dell aus, sodass der BMW Sauber F1.09 eines der weißesten Autos seiner Generation ist.

BMW Sauber F1.09

Auf dem F1.09 befinden sich noch einige blütenweiße Sponsorenflächen Zoom

Das BMW Sauber F1 Team verfügt somit über einen geschätzten Jahresetat von 210 Millionen Euro - damit ist man nicht Branchenkrösus, aber man steht immer noch auf einem gesunden Fundament und kann sich immerhin 720 Mitarbeiter in Hinwil und München leisten. "Ich denke, dass sie genauso gut aufgestellt sind wie immer", vermutet 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Das Geld, das sie jetzt nicht mehr einnehmen, hätten sie sowieso nicht mehr ausgeben können."

Der Schweizer, früher selbst aktiver Grand-Prix-Pilot, begründet dies mit den vielen kostensenkenden Maßnahmen, die 2009 erstmals in voller Härte greifen. So wurden zum Beispiel Testfahrten während der Saison fast zur Gänze abgeschafft, was die Testteams überflüssig macht, und die Windkanäle dürfen nur noch begrenzt genutzt werden. Wer weiß, wie teuer alleine die Stromkosten für eine Windkanalstunde sind, der hat eine Vorstellung davon, von welchen Beträgen hier die Rede ist.

Stabilität seit vielen Jahren

Personell geht das Team praktisch unverändert in die neue Saison: Robert Kubica galt von Anfang an als gesetzt und Nick Heidfeld hatte Glück, dass die Gespräche mit Fernando Alonso nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Theissen bleibt als BMW Motorsport Direktor die Nummer eins in der Firmenhierarchie. Nur Technikchef Willy Rampf gab einen Teil seiner Kompetenzen im Bereich Projektmanagement an Walter Riedl ab.

BMW Sauber F1 Team 2009

Never change a winning Team: BMW hält an der alten Erfolgsmannschaft fest Zoom

Das BMW Sauber F1 Team setzt also weiterhin auf das Motto "Evolution statt Revolution", was sich bisher in einem gesunden Wachstum äußerte: 2006 begann man mit 36 Punkten und zwei Podestplätzen, 2007 waren es schon 101 Punkte, 2008 sogar 135 - und beim Grand Prix von Kanada gelang im dritten Jahr der erste Sieg. Für 2009 und 2010 steht auf dem Programm, um den WM-Titel mitzukämpfen und diesen im Idealfall auch zu gewinnen.

"Wir haben in den letzten Jahren jedes Mal den Schritt gemacht, den wir uns vorgenommen haben. Ab dieser Saison wollen wir um den Titel kämpfen. Das ist der schwierigste Schritt", sagt Theissen vor seinem zehnten Jahr als BMW Motorsport Direktor. Und Heidfeld, der von seinem ersten Sieg träumt, fügt optimistisch an: "Das Ziel ist, dieses Jahr um den WM-Titel mitzukämpfen. Ich traue es dem Team zu. Da möchte ich natürlich dabei sein."

Drei Testbestzeiten im Winter

¿pbvin|512|1225|bmw|0pb¿Den Testwinter haben die Deutsch-Schweizer fast heimlich, still und leise hinter sich gebracht, ohne große Highlights zu setzen. Insgesamt dreimal führte der F1.09 die Zeitenliste an: Am 16. Februar war Testfahrer Christian Klien in Manama Schnellster, am 5. und 9. März setzte sich Heidfeld in Jerez beziehungsweise Barcelona an die Spitze. Richtig in die Karten blicken ließen sich Theissens Mannen aber nicht - und viele vermuten: BMW lässt die Hosen erst am Samstag in Melbourne runter...

Dieses konservative Vorgehen ist typisch für BMW: Oft schon sind Heidfeld und Kubica im Freitagstraining der Konkurrenz hinterhergefahren, um dann am Samstag und vor allem am Sonntag groß aufzutrumpfen. WM-Punkte werden bekanntlich nicht im Winter, sondern an jedem zweiten Sonntagnachmittag vergeben - ein Leitsatz, nach dem das BMW Sauber F1 Team so konsequent lebt wie kaum eine andere Grand-Prix-Mannschaft.

Daher tut sich Experte Surer mit einer Einschätzung des F1.09 schwer: "Man hat von BMW kaum etwas gesehen. Wenn sie mal schnell waren, dann immer am Ende eines Stints - wie Heidfeld am ersten Testtag in Barcelona, als er Bestzeit gefahren ist. Die Zeit kam am Ende eines Stints, also mit wenig Benzin und alten Reifen - und sie war auf Ferrari-Niveau. Das war beim ersten Test in Bahrain auch schon so." Dort war man auf Augenhöhe mit Ferrari und Toyota.

Schwierig einzuschätzen

"Ich glaube, BMW ist dabei, aber mehr kann man nicht einschätzen, weil sie es einfach nicht zeigen", analysiert Surer. Da werden Erinnerungen an 2008 wach: Damals hatte den Rennstall nach seinem Fehlstart in den Winter mit dem F1.08 kaum jemand auf der Rechnung, doch in Melbourne wäre Kubica beinahe auf Pole-Position gefahren - und nach sieben von 18 Rennen führte er sensationell die Weltmeisterschaft an!

Lenkrad des BMW Sauber F1.09

Viele Knöpfe zu bedienen: Das neue Lenkrad des BMW Sauber F1.09 Zoom

Dieses Jahr lief der neue F1.09 von der ersten Runde an zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Die Ruhe, die in Hinwil und München ausgestrahlt wird, der betont gelassene Optimismus, obwohl im Winter keine Fabelzeiten gesetzt wurden - das könnte das Selbstvertrauen eines Teams sein, das genau weiß, wie gut es ist, es aber noch nicht gezeigt hat. Oder kommt es dieses Jahr andersrum und in Melbourne folgt das böse Erwachen? Derzeit ist alles reine Spekulation...

Die Designer scheinen jedenfalls ihre Hausaufgaben gemacht zu haben: Der F1.09 kommt ohne revolutionäre Optik à la Renault oder Red Bull daher, sondern besticht vielmehr durch ein schnörkelloses Konzept mit breiter Nase und klaren Linien. Nur beim Diffusor hat man es verschlafen, das Reglement genauso konsequent zu interpretieren wie Brawn, Toyota und Williams, aber was nicht ist, kann ja im Saisonverlauf noch werden.

Joker KERS

Einen technischen Vorsprung könnte das BMW Sauber F1 Team dafür im Bereich der Energierückgewinnung haben, denn das hauseigene KERS soll zu den besten der Formel 1 gehören - auch wenn sich im Winter ein Mechaniker daran noch einen Stromschlag geholt hat. Seither sind aber Monate vergangen, in denen große Fortschritte gemacht wurden. Zumindest auf den schnelleren Strecken ist ein Einsatz des neuen Power-Boost-Systems fest eingeplant.

Helm von Nick Heidfeld

Nick Heidfeld geht 2009 mit einem völlig neuen Helmdesign an den Start Zoom

Fahrerseitig hat Theissen nach einem kurzen Flirt mit Alonso doch am bewährten Duo Kubica/Heidfeld festgehalten. Heidfeld möchte im teaminternen Duell nach der Niederlage von 2008 wieder die alte Hackordnung herstellen: "Es sollte spannend werden", sagt er über das Kräftemessen mit seinem 24-jährigen Teamkollegen. "Ich hoffe, dass ich an die Saison 2006 und 2007 anknüpfen kann, wo ich doch deutlich die Oberhand hatte."

"Quick Nick" wurde seinem Spitznamen 2008 nicht immer gerecht, holte in 18 Rennen 60 Punkte und blieb damit um 15 Zähler hinter Kubica zurück. "Mein Hauptproblem im vergangenen Jahr waren die Reifen, die habe ich nicht immer in das richtige Temperaturfenster gebracht. Das hat die Leistungen erklärt", erläutert er. "Ich bin im Reifenverständnis und im Umgang mit den Reifen aber deutlich weiter als vor einem Jahr. Das ist der größte Unterschied."

Spannend: Heidfeld vs. Kubica

Der frisch verlobte Vater von zwei Kindern, übrigens 31 Jahre alt, wünscht sich 2009 vor allem, dass das BMW Sauber F1 Team nach der ersten Saisonhälfte nicht mehr so stark abfällt wie im Vorjahr. Das hat Kubica nämlich vielleicht seine WM-Chancen gekostet. Heidfeld: "Entscheidend ist, dass wir aus den Fehlern gelernt und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen haben. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des Fortschritts."

Robert Kubica, Barcelona, Circuit de Catalunya

Diese Ansicht möchte Robert Kubica seinen Konkurrenten öfter als 2008 zeigen Zoom

Im Vergleich zu Kubica hat Heidfeld übrigens einen Vorteil, der sich 2009 stärker auswirken könnte als in der Vergangenheit: Er ist um 20 Zentimeter kleiner und um zehn Kilogramm leichter als der Pole. Das bedeutet, dass Heidfeld trotz der geschätzt etwa 30 Kilogramm schweren KERS-Einheit mit mehr Ballastgewicht herumtüfteln kann, um die Gewichtsverteilung zu optimieren. Kubica hat diesbezüglich wegen des 605-Kilogramm-Mindestlimits weniger Spielraum.

"Der eine ist ein Draufgänger, der andere ein Techniker", sagt Surer über die beiden Fahrer und lobt: "Die Kombination ist eigentlich gar nicht schlecht." Außerdem traut er Heidfeld wieder zu, am Saisonende der Deutsche mit den meisten Punkten zu sein: "Die Möglichkeit besteht durchaus, dass er das schafft, wobei seine Gegner Vettel und Glock dieses Jahr auch gute Waffen haben. Ich glaube, der Kampf um den besten Deutschen wird ein hartes Ringen."


Fotos: BMW Sauber F1 Team, Testfahrten in Barcelona


Saisonstatistik 2008:

Team:

Konstrukteurswertung: 3. (135 Punkte)
Siege: 1
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 2
Podestplätze: 11
Ausfallsrate: 5,6 Prozent (1.)
Durchschnittlicher Startplatz: 7,4 (3.)
Testkilometer 2009 mit dem neuen Auto: 9.708 (1.)

Robert Kubica (Startnummer 5):

Fahrerwertung: 4. (75 Punkte)
Siege: 1
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 5,8
Bestes Ergebnis Qualifying: 1.
Bestes Ergebnis Rennen: 1.
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (3.)
Testkilometer 2009: 3.899 (7.)

Nick Heidfeld (Startnummer 6):

Fahrerwertung: 6. (60 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 2
Durchschnittlicher Startplatz: 9,0
Bestes Ergebnis Qualifying: 5.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 0,0 Prozent (1.)
Testkilometer 2009: 4.422 (3.)