• 26.08.2001 17:49

  • von Fabian Hust

Exklusiv-Interview: Toyota-Motorsport-Präsident Andersson

Ove Andersson, bei Toyota der Verantwortliche für das Formel-1-Projekt, im ausführlichen Exklusivinterview

(Motorsport-Total.com) - 25 Jahre war der Name Toyota fester Bestandteil der Rally-Szene, bevor man sich zu Gunsten der Formel 1 aus dem Sport der Driftkönige zurückzog. Mit Stolz kann man auf eine erfolgreiche Zeit des Toyota Team Europe (TTE) in der Rally-Szene zurückblicken - man gewann vier Mal die Fahrerweltmeisterschaft, stellte drei Mal den Markenweltmeister, wurde viermaliger Vize-Markenweltmeister, zweimaliger Vize-Fahrerweltmeister und feierte 43 WM-Siege. Titelgewinne, die Toyota zum weltweit erfolgreichsten Automobilhersteller im Rallysport hinter Lancia machten.

Titel-Bild zur News: Ove Andersson

Ove Andersson fiebert bereits dem Saisonauftakt 2002 entgegen

Mit diesen Siegen ist ein Name eng verbunden: Ove Andersson, die schwedische Rallyelegende und Präsident der Toyota Motorsport GmbH (TMG). Unter seiner Federführung wurde das Toyota Team Europe (TTE) einst aufgebaut. In den 60er-Jahren gewann Andersson unter anderem die Safari Rally und die Monte Carlo Rally. Sein früherer Co-Pilot war ein gewisser Jean Todt, heute Ferrari-Rennleiter.

Jetzt ist das Tochterunternehmen der Toyota Motor Company (TMC) unter dem neuen Namen Toyota Motorsport GmbH (TMG) unter Hochdruck dabei, sich unter den Augen von TMG-Präsident Ove Andersson auf das Formel-1-Debüt im Jahr 2002 vorzubereiten. Die Starterlaubnis erhielt man vom Motorsportweltverband FIA bereits im Dezember 1999, im Januar 2000 legte man den Grundstein für den Neubau des TMG-Entwicklungszentrums in der Kölner Toyota-Allee.

Rund sechs Monate vor dem Debüt des Teams in der Königsklasse des Motorsports traf F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust den 62-jährigen Schweden auf dem Nürburgring zu einem Exklusivinterview im Toyota-Motorhome.

Frage: "Sie haben bisher auf verschiedenen aktuellen Formel-1-Strecken getestet, wie zum Beispiel Barcelona, Silverstone, Imola, Monza, Spa und jetzt hier auf dem Nürburgring. Wie wichtig ist es für Toyota, auf aktuellen Formel-1-Strecken zu testen?"
Ove Andersson: "Wir bekommen so eine Basisidee davon, welche Anforderungen die Strecken stellen, wie man das Auto abstimmen muss, welche Getriebeübersetzungen verwendet werden müssen. Grundsätzlich geht es darum, die Strecke und das Auto in Verbindung mit ihnen zu verstehen. Auch wenn wir weit entfernt davon sind, konkurrenzfähige Zeiten zu fahren, so bekommen wir doch zumindest eine Idee davon, was wir zu tun haben."

Frage: "Ferrari zieht es ja bekanntlich vor, in Fiorano zu testen. Was ist mit ihrer eigenen Teststrecke, Paul Ricard? Ist sie zu speziell oder können sie sich dort auf verschiedene Streckentypen vorbereiten?"
Andersson: "Für uns ist das eine neue Erfahrung, wir haben bis jetzt auf dieser Strecke noch nicht viel getestet. Im Moment wird die Strecke überarbeitet, man modifiziert ein paar Kurven und so weiter. Was wir auf jeden Fall dort machen können sind Zuverlässigkeitstests, da das Klima gut ist und wir das ganze Jahr über dort fahren können. Das Austesten von Setups ist dort wohl etwas schwierig, denn man hat häufig starke Winde, die das Verhalten des Autos beeinflussen. Das ist etwas, das wir noch lernen müssen. Wenn wir dort gefahren sind, dann ging es eigentlich nur darum, zu sehen, ob das Auto läuft - wir sind nicht auf Zeitenjagd gegangen."

Frage: "Aerodynamik, Motor, Mechanik, Elektronik - auf welchem Gebiet glauben sie hat Toyota im Moment noch den größten Rückstand?"
Andersson: "Nun, wir lernen auf allen Gebieten, keine Frage. Das größte Problem ist vielleicht nicht die technische Seite sondern möglicher Weise die menschliche Seite. Man muss das Team und die ganzen Leute dazu bringen, zusammen zu arbeiten, zu lernen und alles zu verstehen. Ich denke, dass dies im Moment für uns die größte Herausforderung darstellt. Die technische Seite ist eine Sache, die Kommunikation innerhalb des Teams eine andere. Es ist eine großer Herausforderung, einen reibungslosen Arbeitsablauf zu erhalten, wenn neue Leute im Team arbeiten."

Frage: "Was bevorzugen sie persönlich - ein Auto das vom Start weg schnell aber nicht besonders zuverlässig ist oder ein Auto, das die Zielflagge zwar häufig sieht, aber nicht sehr schnell ist?"
Andersson: "Meine Philosophie war es schon immer gewesen, dass wenn man ein schnelles Auto hat, das nicht zuverlässig ist, man die Möglichkeit hat, es zuverlässig zu machen. Den umgekehrten Weg einzuschlagen ist nicht mein Ding."

Frage: "Ist es in der modernen Formel 1 notwendig, riskanter zu entwickeln, jetzt wo mehr und mehr große Automobilkonzerne mitmischen?"
Andersson: "Ich denke, dass der Wettbewerb in den letzten Jahren mit den großen Automobilherstellern in der Formel 1 gewaltig geworden ist. Es werden auf allen Gebieten größte Anstrengungen unternommen und jeder tut alles, um konkurrenzfähig zu werden. Das erste Ziel muss es mit Sicherheit sein, an der Geschwindigkeit des Autos zu arbeiten und dann kann man sich um die Zuverlässigkeit kümmern. Ferrari hat das ganz gut hinbekommen. Die Autos funktionieren wie ein Zug, auch wenn sie vielleicht nicht überall die Schnellsten sind. Aber sie haben definitiv ein sehr schnelles Auto."

Frage: "Arbeiten sie im Moment mit einem Testteam, dem Rennteam für nächstes Jahr oder ist es eine Mischung von beidem?"
Andersson: "Nein, im Moment testen wir und vielleicht in den nächsten paar Wochen werden wir die Leute zusammensuchen, die im nächsten Jahr als Team zu den Rennen fahren werden. Wir wollen erreichen, dass sie gut zusammenarbeiten."

Frage: "Prozentual gesprochen - wie viele Leute sind im Moment bei Toyota mit Formel-1-Erfahrung?"
Andersson: "Ich kann jetzt nicht die exakte Zahl nennen, ich würde sagen ungefähr 15 bis 16 Prozent der Leute haben Formel-1-Erfahrung."

Frage: "Toyota plant in Österreich die Simulation eines kompletten Rennwochenendes. Ist solch eine Simulation realistisch, wenn keine Gegner auf der Strecke sind?"
Andersson: "Es geht ja nicht darum, sich mit anderen zu messen, sondern den Druck zu simulieren, der auf dem Team lastet. Man hat zwei Trainingssitzungen am Freitag und Samstagmorgen, man hat das Qualifying und es ist für uns wichtig, die Arbeit zu simulieren, die in dem gegebenen Zeitrahmen zu erledigen ist. Es geht nicht darum, eine Rennsimulation durchzuführen und auf die Zeiten zu schauen. Es geht darum, dass sich das Team an den Zeitrahmen gewöhnen kann, in dem es arbeiten muss."

Frage: "Wie wichtig ist die Formel 1 für Toyota?"
Andersson: "Nun, es muss wichtig sein, denn das Engagement ist nicht gerade billig. Ich denke, dass sie sehr sorgfältig die Wichtigkeit dieses Projektes untersucht haben, bevor sie in die Formel 1 gekommen sind. Es ist ja nicht nur eine Sache der Firma in Japan, sondern auch der Distributoren in der ganzen Welt. Es ist ein Projekt, in das grundsätzlich jeder involviert ist und das können wir sehr gut spüren."

Frage: "Wie sehen sie den Wettbewerb mit Honda? Glauben sie, dass es nach außen hin ein mehr freundschaftlicher Wettbewerb sein kann, wie dies zwischen BMW und Mercedes der Fall ist?"
Andersson: "Glauben sie, dass zwischen BMW und Mercedes eine freundschaftliche Situation herrscht? (Lacht). Ich denke, dass es zwischen Toyota und Honda genauso sein wird?"

Frage: "Im Moment scheint ihnen ein ziemlicher kalter Wind von den anderen Teams entgegen zu blasen. Sie wollen sie nicht im Winter testen sehen. Wie sehen sie diese Situation? Vielleicht nehmen sie es positiv und denken sich, dass die anderen wohl eine ernsthafte Gefahr durch sie erwarten?"
Andersson: "Ich denke, das kann man so oder so sehen. Es könnte Michelin mehr Testmöglichkeiten geben, wenn Bridgestone nicht testen kann. Michelin hat jedoch allen die Garantie gegeben, dass sie uns nur Kontrollreifen liefern. Sowieso kann man beim Testen nur Kontrollreifen verwenden, denn man muss ja merken, was das Auto tut, man kann nicht verschiedene Reifen verwenden. Ich denke nicht, dass uns die großen Teams kurzfristig gesehen fürchten, denn dann wären sie sehr unrealistisch. Vielleicht gibt es ein paar Teams weiter hinten, die möglicher Weise ein Problem darin sehen - ich weiß es nicht. Im November letzten Jahres bekamen wir von der FIA, Herrn Mosley und Charlie Whiting, einen Brief, dass die Regeln es uns gestatten, so viel zu testen, wie wir das möchten. Das Testverbot ist keine Regel, es ist ein Übereinkommen zwischen den einzelnen Teams. Wir haben uns daran erst zu halten, wenn wir dabei sind, und das ist ab dem 1. Januar, wenn wir beitreten. So sehe ich die Situation im Moment. Wenn uns die FIA sagt, dass wir nicht testen dürfen, dann werden wir nicht testen. Es liegt an der FIA aber im Moment sind wir innerhalb der Regeln."

Frage: "Warum hat man sich für Michelin entschieden? Warum fährt ein japanisches Unternehmen wie Toyota nicht auf Bridgestone-Reifen?"
Andersson: "Toyota ist ein globales Unternehmen? (lacht)"

Frage: "Haben sie schon genügend Leute für das kommende Jahr zusammen oder schauen sie sich noch nach weiteren erfahrenen Leuten für 2002 um?"
Andersson: "Wir schauen uns für bestimmte Positionen für nächstes Jahr um, die noch nicht besetzt sind."

Frage: "Wird es von Toyota Zukunftsprogramme wie zum Beispiel ein Junior-Team in der Formel 3000 geben?"
Andersson: "Im Moment schauen wir uns nach jungen Fahrern um und wir haben bereits zwei Fahrer, die bei uns unter Vertrag stehen - ein Fahrer im Kartsport in Frankreich und ein Australier, der in Frankreich Formel Renault fährt. Unser Plan ist es, junge Fahrer zu fördern und sie aufzubauen. Ich denke, dass dies der richtige Weg ist, man kann das ja jetzt bei Räikkönen sehen. Das Alter sinkt ständig. Und die jungen Fahrer sind nicht so teuer?"

Frage: "Was sind ihre Erwartungen für das erste Jahr in der Formel 1?"
Andersson: "Unser Ziel ist es, eine Plattform aufzubauen, von der wir aus in die Zukunft entwickeln können. Das Ziel für das nächste Jahr muss es sein, ein Team zu haben, das gut zusammenarbeitet und ein Auto zu besitzen, das eine gute Basis darstellt. Von dieser Basis können wir uns weiter nach vorne arbeiten. Es ist nicht etwas, das man schnell erledigen kann, es ist ein großes und sehr schwieriges Projekt und wir würden träumen, wenn wir sagen würden, dass wir im nächsten Jahr in der Formel 1 große Wellen schlagen würden. Es ist mit Sicherheit ein längerfristig angelegtes Projekt."

Frage: "Sie können ja im November und Dezember testen. Für wann planen sie denn das Roll-out ihres neuen Autos für die nächste Saison?"
Andersson: "Das wird Ende Oktober sein."

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