Ex-Verantwortlicher: "Bei Ferrari wurde zu kurzfristig gedacht"

Ex-Ferrari-Mann Pat Fry erzählt, woran es bei Ferrari in den vergangenen Jahren hakte: Kurzfristige Denkweise, veraltete Technologie und schlechte McLaren-Kopie

(Motorsport-Total.com) - Der ehemalige Technische Verantwortliche bei Ferrari, Pat Fry, hat der Scuderia ein negatives Zeugnis ausgestellt und kurzfristiges Denken als Hauptgrund ausgemacht, wieso man so lange auf einen Titel in der Formel 1 wartet. Fry kam 2010 als Leitender Streckeningenieur zu Ferrari und fand dort im Vergleich zu seinem vorherigen Arbeitgeber McLaren erschreckende Bedingungen vor.

Titel-Bild zur News: Pat Fry

Pat Fry war zwischen 2010 und 2014 bei Ferrari angestellt Zoom

"Als ich Mitte 2010 bei Ferrari angefangen habe, war ich wirklich überrascht, wie veraltet ihre Technologie war im Vergleich zu McLaren", erzählt Fry gegenüber 'Sky Sports F1'. Die Tools für die Rennsimulationen seien zehn oder zwölf Jahre nicht mehr aktuell gewesen und auch der Windkanal sei ziemlich eingestaubt gewesen, wenn es um Aktualität geht. "Die Laufrate im Windkanal war ziemlich langsam, und es hat ziemlich lange gedauert, Dinge in den Griff zu bekommen."

So habe Ferrari nach Frys Ankunft erst einmal sechs Monate gebraucht, um herauszufinden, was mit dem Windkanal nicht stimmt. "Und es hat 1,5 Jahre gedauert, um es zu reparieren", schüttelt er den Kopf. Im Großen und Ganzen habe es gute drei Jahre gedauert, bis man sich die vorhandenen Probleme vom Hals geschafft hatte.

Das große Manko von Ferrari sei seinerzeit, dass die komplette Organisation nur kurzfristig gedacht war. "Es ist einfach der schiere Druck, der bei Ferrari herrscht. Man wollte immer sicherstellen, dass man am Wochenende den bestmöglichen Job macht, aber man braucht einen langfristigen Plan für mehrere Jahre", so Fry. "Jemand hätte denken müssen, dass man in drei Jahren an der Spitze sein muss, aber das hat niemand getan. Alles war auf eine schnelle Lösung aus."

Ein solches Beispiel sei für ihn der Simulator gewesen, den man sich extra angeschafft hatte. Doch den hatte man sich laut Fry nur geholt, weil man wusste, dass Konkurrent McLaren auch einen hatte. "Nicht weil sie dachten, dass es das Richtige wäre", so der Ex-Ferrari-Mann. Dementsprechend habe es auch einige Jahre gedauert, bis man beim Standard auch nur annähernd auf das Niveau von McLaren kam - erreichen habe man es nie können.


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Doch schlecht sei das Verhältnis mit Ferrari nie gewesen: "Die Arbeit dort war fantastisch", lobt Fry und meint, dass die Scuderia seit einiger Zeit auf einem neuen Pfad wandelt - dem richtigen: "Der Windkanal, der jetzt dort ist, ist viel besser. Ihre Technologie hat sich auch verbessert in den vergangenen fünf oder sechs Jahren. Man braucht die richtigen Werkzeuge und die richtigen Ingenieure."

So kann Sebastian Vettel in diesem Jahr ernsthaft um den Titel kämpfen und damit zehn Jahre nach Teamkollege Kimi Räikkönen die Fahrerkrone nach Maranello holen.


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Dass man mit langfristiger Planung aber auch auf die Nase fallen kann, hat McLaren gezeigt, die mit Honda auch im dritten Jahr nicht auf einen grünen Zweig kommen. Fry: "Natürlich hat niemand erwartet, dass es so schwierig ist. Aber die Sicht war langfristig. Jetzt haben sie einen anderen Blick. Entweder bei Honda bleiben und mehr Schmerz ertragen oder kurzfristig zu Renault gehen. Langfristig kann das nicht sein, weil es bereits ein Renault-Werksteam und Red Bull gibt."