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Ecclestone & Brawn: Das läuft bei Ferrari 2016 schief

Früher war alles besser: Michael Schumacher als geheimer Teamchef, ein eingespieltes Team rund um Ross Brawn und der Segen von Luca di Montezemolo

(Motorsport-Total.com) - Nach drei Siegen in der vergangenen Saison sollte die Scuderia Ferrari 2016 endgültig zum Mercedes-Jäger und ernsthaften Gegner der Silberpfeile werden. Man investierte viel Geld und überarbeitete den Ferrari von Grund auf, um Lewis Hamilton und Nico Rosberg ärgern zu können. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wollte mehr Siege sehen und nach acht Jahren den Titel wieder nach Maranello zurückholen. Der Traum erfüllte sich nicht im Geringsten. Ferrari fiel im Kräfteverhältnis hinter Red Bull zurück - und man konnte nur noch den dritten Platz in der Konstrukteurs-WM belegen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Schwierige Zeiten für Sebastian Vettel, der 2016 noch ohne Sieg geblieben ist Zoom

Ferrari wird die Saison 2016 womöglich ohne Sieg und ohne Pole-Position abschließen, neun Podestplätze und drei schnellste Rennrunden trösten dabei wenig. Obwohl Teamchef Maurizio Arrivabene die gute Atmosphäre innerhalb des Teams immer wieder betont, wirkt Sebastian Vettel zusehends frustriert. Das weiß auch Ex-Ferrari-Technikchef Ross Brawn: "Die Fahrer unterstützen das Team sehr. Allerdings verraten ihre Emotionen viel, speziell bei Sebastian. Ich denke, dass es eine frustrierende Periode für das Team ist", kommentiert er die Lage bei 'Sky Sports F1'.

Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone glaubt im Interview bei 'auto motor und sport' zu wissen, warum es bei den Italiener derzeit nicht rund läuft: "Ferrari ist zurückgefallen in die Zeit vor Jean Todt." Das Grundproblem: "Das Team war zu italienisch. Sie ändern sich nicht. Wenn sie ein Team in Eigenregie führen, dann funktioniert es nicht", glaubt der Brite. Zu viel Drama und Chaos, so der Tenor. Daher musste ein Manager von außen her.

Michael Schumacher als geheimer Ferrari-Teamchef

"Es war ein großes Risiko für ihn, weil er als Franzose ein komplett italienisches Team übernahm", merkt Ecclestone bei der 'Bild' an. "Auch Montezemolo (Ex-Ferrari-Boss; Anm. d. Red.) hatte Bedenken, einen Nicht-Italiener auf diese Position zu setzen. Ich sagte nur: 'Keine Angst, wenn ihr die Weltmeisterschaft gewinnt, werdet ihr bei Todts Herkunft sicher Wurzeln aus Sizilien finden...'." Tatsächlich erlebte Ferrari in der Ära des heutigen FIA-Präsidenten, der 1993 zu Ferrari kam und dort bis 2007 Teamchef war, eine Blütephase.

"Jean hat getan, was getan werden musste. Er hat die richtigen Leute an Bord geholt. Ich habe mich mal mit Michael Schumacher darüber unterhalten und ihn gefragt, wer das Team eigentlich führt. Er hat mir gesagt: Ich tue es", verrät Ecclestone gegenüber 'auto motor und sport'. Mit Schumacher konnte Ferrari in den Jahren 2000 bis 2004 fünf Meisterschaften einfahren. Außerdem holte Todt mit Kimi Räikkönen 2007 den bislang letzten Fahrertitel für die Scuderia.


Fotostrecke: 2000: "Schumis" erster Ferrari-Titel

Vettel wollte diese Euphorie in neuer Form zurück nach Italien bringen. Bisher konnte er dreimal für Ferrari gewinnen. Mit Schumacher ist er für Ecclestone nicht vergleichbar: "Er hat nicht diese Ausstrahlung und Kraft wie Michael. Vettel ist nicht Michael. Er war besonders." Brawn, der mit dem deutschen Rekordweltmeister ein inniges Verhältnis pflegt, erklärt den entscheidenden Unterschied zwischen der Ära Schumacher und der Ära Vettel bei Ferrari: "Wir hatten ein kompletteres Team."

Michael Schumacher, Stefano Domenicali, Ross Brawn

Schumacher, Domenicali & Brawn gehörten zu Ferraris-Erfolgsteam ab 2000 Zoom

Brawn: Harmonische Gruppe Schlüssel zum Erfolg

Ferrari musste mit dem Abgang von Technikchef James Allison mitten in der Saison einen herben Rückschlag einstecken. Für Brawn liegt in dieser Tatsache das Problem begraben: "Wir hatten mehr Schlüsselpersonen installiert, als das Ferrari bisher erreichen konnte. Ich hatte einige tolle Leute um mich herum. Wir hatten Michael, Stefano Domenicali, Nigel Stepney, Rory Byrne. Die Gruppe kam zusammen und es hat einfach gepasst. Wir haben uns aufeinander verlassen." Solch eine starke Gruppe brauche man, schließlich werde man keinen Erfolg mit nur einem starken Individuum haben, wenn der Rest nicht stimmt, so der Brite. "Das war der Schlüssel zum Erfolg in dieser Periode."

Angesprochen darauf, wo die richtigen Personen für Ferrari sind, meint Ecclestone: "Das weiß Ferrari. Sie wissen, was zu tun ist, um die richtigen Leute zu bekommen. Ich glaube, dass Red Bull und Ferrari Mercedes nächstes Jahr ärgern können. Das wünschen sich doch alle." Für den Chefpromoter steht fest, dass Teamchef Arrivabene in einer schwierigen Situation steckt. Er sei vielleicht der richtige Mann für den Posten, bräuchte aber dringend Rückhalt von oben. "Wenn er diesen hätte, würden sie wieder Rennen gewinnen."

Maurizio Arrivabene

Nach Montezemolo & Todt führen nun Marchionne & Arrivabene die Scuderia Zoom

Damit spricht der 86-Jährige indirekt Kritik am Ferrari-Präsidenten Marchionne aus. "Ich nehme an, dass er (Arrivabene; Anm. d. Red.) seine Ideen hat. Aber er kann sie nicht umsetzen, weil jemand über ihm steht. Jean hat seine Ideen so an Montezemolo (Ex-Ferrari-Boss; Anm. d. Red.) verkauft, dass der am Ende geglaubt hat, es seien seine eigenen. Das ist die Kunst", verrät der Zampano. Er würde Arrivabenes Job derzeit nicht machen wollen.

Auch Brawn erinnert sich an Todts Fähigkeit, das Team zusammenzuhalten: "Wir hatten Jean, der alles stabil am Laufen gehalten hat und eine Firewall gegen all den Druck aufgebaut hat. Luca (di Montezemolo; Anm. d. Red.) ist sehr leidenschaftlich. Manchmal konnte diese Leidenschaft Leute aber auch verängstigen. Jean hatte aber alles unter Kontrolle."

Auch in der Gegenwart wird wieder von einem Klima der Angst in Maranello gesprochen. Der Ex-Mercedes-Teamchef erinnert sich, wie er sich an die Launen des Ferrari-Präsidenten gewöhnt hat: "Mit den Jahren, als ich Luca besser kennengelernt habe, hatten wir Spaß an seiner Leidenschaft für Formel 1. Er hat aber auch erkannt, dass er uns in Ruhe arbeiten lassen muss. Weil wir den Erfolg eingefahren haben, konnte er uns auch alleinlassen und auf Distanz bleiben."