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  • 30.11.2013 12:16

  • von Norman Fischer & Roman Wittemeier

Bahrain: Ein Nachtrennen im Einklang mit der Kultur

Aus eigenem Antrieb hat man in Bahrain das zweite Nachtrennen nach Singapur erschaffen: Kultur und Wirtschaft werden so perfekt unter einen Hut gebracht

(Motorsport-Total.com) - Singapur wird im kommenden Jahr sein Alleinstellungsmerkmal verlieren. Zwischen 2008 und 2013 war der Stadtkurs in Südostasien der einzige Formel-1-Kurs, auf dem die Königsklasse ein reines Nachtrennen veranstaltete. Zwar wird auch in Abu Dhabi ein Nachtrennen abgehalten, allerdings startet man in den Emiraten noch bei Tageslicht und fährt dann ein die Dunkelheit hinein. Doch nun kommt ein dritter Kandidat, der extra für die Formel 1 die Flutlichter anwerfen wird: Bahrain.

Titel-Bild zur News: Salman bin Isa Al Khalifa

Kronprinz Salman bin Isa Al-Chalifa sieht Bahrain für die Motorsport-Zukunft gerüstet Zoom

Auch auf dem Bahrain International Circuit werden im kommenden Jahr die Lichter angehen. Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum baut man nach den Vorbildern Singapur, Abu Dhabi oder Katar in der MotoGP eine Flutlichtanlage, die das Rennen in der Wüste noch einmal aufwerten soll. Über 400 Flutlichter sollen rund um den Kurs gebaut werden, aktuell stehen laut Streckenchef Salman bin Isa Al-Chalifa bereits knapp 100 Masten, die innerhalb eines Monats aus dem Boden gestampft wurden.

Zudem bestätigt der Scheich im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com', dass das Rennen von der ersten bis zur letzten Runde bei Nacht ausgetragen werden soll, auch wenn er die genaue Startzeit des Grand Prix noch nicht angeben kann: "Die Saison ist gerade erst zu Ende gegangen und ich habe den Zeitplan noch nicht gesehen, aber ich nehme mal an, dass es nach Sonnenuntergang sein wird", sagt er.

Kommen jetzt mehr Saudis?

Bahrain rüstet sich mit dieser neuen Attraktion für die Zukunft. Aus eigenem Antrieb heraus soll die ganze Anlage gebaut worden sein. Dass Formel-1-Boss Bernie Ecclestone den Grand Prix sonst hätte streichen lassen, das verneint Al-Chalifa: "Bernie Ecclestone war bisher für uns ein guter Freund und hat uns nie darum gebeten. Es war eine Entscheidung von Bahrain", betont er. "Im kommenden Jahr feiern wir zehnjähriges Jubiläum mit der Strecke. Wir haben 2004 angefangen und wollten 2014 daher etwas Besonderes machen."

Für die Hintergründe muss der Bahrainer aber etwas weiter ausholen. Denn neben Bahrain hat man auf dem Inselstaat natürlich auch das Publikum aus dem nur rund 30 Kilometer entfernten Festland von Saudi-Arabien im Visier. "Saudi-Arabien ist ein sehr großer Markt, aber ihr Wochenende war total anders als unseres", schildert Al-Chalifa die ursprünglichen Probleme. "Ihr Wochenende war Donnerstag und Freitag, unseres Freitag und Samstag. Das war ein großes Element. Sie haben ihr Wochenende geändert - und jetzt haben sie das gleiche wie wir."

Pole-Position in Bahrain

Tageslicht sollen die Piloten auch von der Pole aus nicht mehr zu sehen bekommen Zoom

"Jetzt hat noch mehr Sinn gemacht, eine große Attraktion für die Saudis zu erschaffen. Wir sind für rund drei bis vier Millionen Menschen nur 20 Minuten entfernt - und rund drei Stunden für gut neun Millionen", glaubt der Streckenchef, dass ab sofort noch mehr Menschen den Weg auf den Wüstenkurs finden könnten. Zudem habe man jetzt den Motorsport noch besser mit den Lebensgewohnheiten der Einwohner im arabischen Raum in Einklang bringen können.

Je später der Abend...

"In unserer Kultur ist der Abend entspannter, um auszugehen. Wir haben hier generell ziemlich spät Abendessen - so gegen 21 Uhr. Es ist nicht so wie bei euch, wo um 18 Uhr alles vorbei ist", lacht er. "Ich denke, es ist das Kulturelle, was helfen sollte." Dem Streckenchef waren Fahrermeetings um sieben oder acht Uhr morgens nämlich auch zu früh, wie er lächelnd verrät. "Wir kommen lieber um 18 Uhr zusammen, haben ein schönes Briefing mit Tee und anschließend kommen wir zum Motorsport."

Dass die Formel 1 sich damit wieder den einheimischen Gepflogenheiten anpassen muss, stört den Scheich wenig - im Gegenteil, er ist sogar stolz darauf: "Es ist eine andere Kultur und wir bauen lieber unser eigenes Modell anstatt zu sagen: 'So wird es anderswo auch überall gemacht, also muss es auch so gemacht werden.' Wenn es nicht funktioniert, dann funktioniert es nicht - und dann finden wir einen Weg, es zum Funktionieren zu bringen."

"Bernie Ecclestone war bisher für uns ein guter Freund und hat uns nie darum gebeten." Salman bin Isa Al-Chalifa

Doch die neuerrichtete Flutlichtanlage ist nicht nur für die Formel 1 gedacht. In Bahrain hat man sich für den Bau entschieden, weil man sich davon noch mehr Vorteile abseits der Königsklasse erhofft. Die Motorsportsaison in der Region könne man durch die neuen Investitionen nämlich auch auf den Sommer erweitern. War es bis zu dieser Saison aufgrund der Hitze nicht möglich, in den Sommermonaten zu fahren, so kann man jetzt einfach auf die kühlere Nachtzeit ausweichen.

Keine Flutlichttests geplant

Zudem rechnet Al-Chalifa auch mit wirtschaftlichen Vorteilen durch die höhere Besucheranzahl: "Es ist eine große Investition, aber die Erträge aus einem einzigen Rennen werden schön viel größer sein, als wir in die Beleuchtung stecken. Viele Leute kommen hierher und geben somit mehr in Hotels und Restaurants aus - und dieser ökonomische Aspekt, den das Land - aber vielleicht nicht die Strecke - bekommt, rechtfertigt es für die Regierung, in die Beleuchtung zu investieren", sagt er und bestätigt somit, dass das Rennen aus der Kasse von Bahrain kommt, da die Strecke in Manama sowieso in Hand der Regierung ist.

Zeit um die Anlage zu proben, hat man im Königreich noch bis zum 6. April, dann soll das erste Nachtrennen der bahrainischen Formel-1-Geschichte über die Bühne gehen. Vorher stehen allerdings noch die Wintertestfahrten der Königsklasse auf dem Programm, die neben Jerez auch gleich zweimal in Bahrain Station macht: Vom 19. bis 22. Februar sowie vom 27. Februar bis 2. März stehen den Teams insgesamt acht Tage auf dem Bahrain International Circuit zur Verfügung.

"Es ist eine andere Kultur und wir bauen lieber unser eigenes Modell."

Dass bei den Wintertests allerdings die Flutlichtanlage zum Einsatz kommen wird, damit rechnet der Streckenchef allerdings nicht: Weil es ein neues Auto und einen neuen Motor gibt, ist es wichtig, ausreichend zu testen, anstatt sich auf Tag und Nacht zu konzentrieren", erklärt er. "Sie wollen von Frühmorgen bis 17 oder 18 Uhr fahren, und ich denke nicht, dass das Element Nacht ein wichtiger Teil ist."

WEC als erste Bewährungsprobe

Doch zumindest befinden sich die bislang knapp 100 Masten schon an diesem Wochenende bei der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC im Testlauf. Auch wenn noch längst nicht die gesamte Anlage steht, hält Al-Chalifa das Saisonfinale der Langstreckenserie für eine ideale Gelegenheit: "Je eher man ein Projekt im Einsatz sieht, desto mehr lernt man - auch wenn nicht jedes Licht an ist und wir nur eine wirklich grundlegende Einstellung verwenden. Aber so kann man logistische Dinge verstehen: wie die Sache vor sich geht, was man benötigt und welche Stellen noch dunkel sind."

Tom Kristensen, Loic Duval, Allan McNish

Die WEC testet an diesem Wochenende die Flutlichtanlage zum ersten Mal Zoom

Denn auch für Bahrain ist es ein Sprung ins Ungewisse. Schließlich kann man einerseits auf keine ähnlichen Erfahrungen aufbauen, andererseits wurde der Kurs ursprünglich auch nicht dazu gebaut, um ein Nachtrennen abzuhalten. Doch um die Ausleuchtung der Strecke macht sich Al-Chalifa noch die wenigsten Sorgen. Er sieht es beim Test vielmehr die Randbereiche wie Marshall-Posten oder Servicestraßen im Blickpunkt. "Für uns ist es wichtig, diese Dinge so früh wie möglich zu lernen und das bestmögliche Rennen zu versichern."