Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer und Chefredakteur Christian Nimmervoll erkunden gemeinsam die Rennstrecke in Sotschi
Vor dem Start: Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer stretcht noch kurz seine Muskeln durch, dann kann's losgehen mit dem "Track-Run" in Sotschi, gemeinsam mit Chefredakteur Christian Nimmervoll. 5,853 Kilometer auf der Strecke im Olympiapark liegen vor uns.
Blick auf Kurve 1. Nach dem Start müssen die Fahrer zunächst durch einen Rechtsbogen, vorbei an der imposanten Haupttribüne, die allen Luxus bietet, und weiteren, nicht überdachten Sitzplätzen. "Geht locker voll", lautet Bernds Urteil.
Blick in entgegengesetzter Fahrtrichtung auf die Gerade zwischen Kurve 1 und Kurve 2: Die weiße Linie, die die Fahrer nicht überqueren dürfen, wenn sie aus der Box kommen, ist extrem weit gezogen. "Sicherer kann man die Boxenausfahrt nicht machen", urteilt Bernd. Und: "Die lange Gerade kurz nach Start und Ziel erinnert mich ein bisschen an Südkorea."
Das Vertrauen der AMG-Safety-Car-Mechaniker in die körperliche Fitness ihres "Chefs" ist begrenzt: Die Herren Mayländer und Nimmervoll haben Kurve 2 noch nicht hinter sich, da eilt schon das Medical-Car herbei. Vorerst geht's noch...
Im Eisberg-Eislaufpalast von Sotschi, innen in Kurve 2, wurden bei den Olympischen Spielen 2014 die Eiskunstlauf- und Shorttrack-Bewerbe ausgetragen. Genau an dieser Stelle beginnt eine der am längsten gezogenen Kurven der Formel 1.
Damit nicht am Ende wirklich das Medical-Car einschreiten muss, bleibt zwischendurch Zeit für eine Verschnaufpause. Auf dem Medals Plaza wurden im vergangenen Jahr die neuen Olympiasieger gekürt.
Kurve 3, angelegt nahezu in Form eines Halbkreises: lang gezogen, nach links zeigend, extrem schnell. "Ich vermute, hier werden die Jungs voll fahren", sagt Bernd. Vor uns (nur kurz): Auch Journalistenkollegen machen sich ein Bild von der Strecke.
Nach Kurve 4 die nächste lange Gerade. Ähnlich wie früher Valencia stehen die Betonmauern mit Zäunen größtenteils direkt neben der Strecke. Das führt auch optisch, zumindest oberflächlich, zu einem ähnlichen ersten Eindruck. Auch wenn das Ambiente in Sotschi neben der Strecke wesentlich spektakulärer daherkommt.
Kurve 6, ein leichter Rechtsknick, eher unspektakulär. Bernd wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Freilich alles nur Show - in Wahrheit ist der Safety-Car-Fahrer fit wie ein Turnschuh...
Auslaufzone bei Kurve 7, vorbildlich gesichert mit sogenannten TecPro-Barrieren - wie an allen gefährlichen Stellen der Strecke, etwa auch außen in der langgezogenen Kurve 3.
Aus Kurve 7 heraus geht's auf die nächste Gerade, dann weiter in die Doppel-Links 8/9. "Fahrerisch keine wahnsinnig große Herausforderung", findet Bernd. Aber: "Ich kann mir vorstellen, dass hier einige Schwierigkeiten haben werden, innerhalb der Streckenbegrenzung zu bleiben." Und er ergänzt: "Wenn du den ersten Teil einigermaßen triffst, ist der zweite überhaupt kein Problem."
Wie auf jeder Strecke sind vor den Kurven Markierungen angebracht: 150 Meter, 100 Meter, 50 Meter - und die LED-Anzeige für Flaggensignale, wegen der Leuchtkraft auch bei schlechten Wetterbedingungen immer gut zu erkennen. "Diese Meteranzeigen sind für die Fahrer nicht unwichtig", erklärt Bernd. "Hier hast du sonst kaum eine Referenz, dich zu orientieren, wo du bremsen musst."
Blick in entgegengesetzter Fahrtrichtung von Kurve 10 aus: Links die Adler-Arena, in der die Eisschnelllauf-Bewerbe ausgetragen wurden, hinter den Werbebannern das Olympiastadion, in dem bei den Winterspielen Eröffnungs- und Schlusszeremonie abgehalten wurden. 2018 wird dort WM-Fußball gespielt.
In Suzuka sorgte 2014 ein sogenannter Marshall-Post wegen einer angeblich falsch geschwenkten grünen Flagge für Aufregung. Die Medienberichte erwiesen sich aber als vorschnell, die Streckenposten haben alles richtig gemacht. In Sotschi sieht der Arbeitsplatz der Streckenposten so aus.
"Eine der schwierigsten Stellen der Strecke", sagt Bernd. Nach einer langen Geraden, wegen ihrer leichten Biegung als Kurve 11 geführt, zieht Kurve 12 leicht nach links. Und kaum stellt man das Auto nach der Kurve gerade, kommt schon der 90-Grad-Knick Kurve 13. Eventuell sogar eine Überholmöglichkeit. "Aber wenn du es hier probierst, kannst du erst im letzten Moment ausscheren. Nicht ohne", analysiert Mayländer.
Damit die Fahrer die enge Kurve nicht zu brutal abkürzen, befindet sich innen eine leichte Erhöhung. "Das hat die FIA nach dem ersten Rennen in Abu Dhabi 2009 eingeführt, weil dort die Schikanen so oft abgekürzt wurden. Ein System, das sich bewährt hat", meint Bernd.
Apropos Abu Dhabi: Die Kurven 13 bis 16 erinnern sehr stark an den Komplex rund um das Yas-Viceroy-Hotel beim Wüsten-Grand-Prix, zumindest von der Streckenführung her.
Unsere Runde neigt sich dem Ende zu. Im Hintergrund das wahrscheinlich teuerste Hotel in Sotschi, das Tulip Inn Omega. Zumindest hat man vom Balkon aus besten Blick auf die Rennstrecke.
Möglicherweise eine kritische Stelle? "Wenn sich einer zu spät entscheidet, an die Box zu kommen, und er zu schnell ist, könnte er in der Kurve der Boxeneinfahrt über die weiße Linie auf die Strecke zurückrutschen. Aber anders kann man das hier kaum lösen", meint Mayländer. Denn eine Betonmauer anstelle einer weißen Linie ist keine Option. Deren Anfang würde am Ende der Hochgeschwindigkeits-Geraden ein viel höheres Risiko darstellen.
Wozu Männer im besten Alter noch imstande sind: Geschafft! "Die Strecke erinnert mich am ehesten an Valencia", lautet Bernds Fazit. "Sicher nicht der anspruchsvollste Kurs des Kalenders, aber man hatte zwischen den olympischen Anlagen ja auch so gut wie keinen Spielraum, etwas anders zu machen. Und das Drumherum ist tipptopp." Über unsere Rundenzeit haben wir Stillschweigen vereinbart...
Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer und Chefredakteur Christian Nimmervoll erkunden gemeinsam die Rennstrecke in Sotschi