Nicht immer gewinnt in der Formel 1 der Pilot, der als Erster über die Ziellinie fährt... Wir blicken auf zehn kontroverse Rennentscheidungen am grünen Tisch
Im Motorsport gewinnt in der Regel der Pilot, der als Erster die Zielflagge sieht - allerdings nicht immer! Auch in der Formel 1 ist es bereits mehr als einmal vorgekommen, dass ein Ergebnis nachträglich noch geändert wurde. Wir blicken auf zehn Piloten, die ihren Sieg nicht auf der Strecke, sondern erst am grünen Tisch feiern durften.
Niki Lauda (Großbritannien 1976) - 1976 ist das Jahr von James Hunt. Der Brite gewinnt in dieser Saison nicht nur den Titel, er triumphiert auch erstmals vor seinem Heimpublikum in Brands Hatch. Den Sieg darf Hunt allerdings nicht behalten, weil er die erste Runde nach einem Startcrash nicht ordnungsgemäß beendet hatte - Disqualifikation!
Kurios: Die Rennkommissare erlauben Hunt zunächst die Teilnahme am Neustart in seinem inzwischen reparierten Auto. Auch ein Ferrari-Protest nach dem Rennen wird zunächst abgeschmettert. Die Disqualifikation wird erst zwei Monate später ausgesprochen. So lange wie Lauda muss selten ein Pilot auf seinen Sieg warten...
James Hunt (Spanien 1976) - Wieder Hunt, wieder 1976... Der Brite gewinnt in diesem Jahr unter anderem auch in Jarama, wird allerdings zunächst disqualifiziert, weil sein McLaren M23 zu breit ist. Der Lachende Zweite ist auch in diesem Fall wieder Niki Lauda. Doch dieses Mal hat Hunt das bessere Ende für sich...
Auch in diesem Fall dauert es zwei Monate, bis das endgültige Ergebnis feststeht. Dieses Mal wird allerdings zugunsten von Hunt entschieden, das ursprüngliche Ergebnis wiederhergestellt, und am Ende des Jahres gewinnt der Brite bekanntlich den Titel - mit einem Punkt Vorsprung. Eine ziemlich verrückte Saison...
Alain Prost (Brasilien 1982) - Keke Rosberg krönt sich 1982 zum Weltmeister, doch die Saison beginnt für ihn und Brabham-Pilot Nelson Piquet mit einem Debakel. Der Brasilianer gewinnt das zweite Saisonrennen in seiner Heimat, doch sowohl er als auch der zweitplatzierte Rosberg werden anschließend aus der Wertung genommen.
Hintergrund: Beide Autos sind untergewichtig, weil sich ein Wassertank - angeblich zur Kühlung der Bremsen - während des Rennens leert und erst danach wieder aufgefüllt wird, um das Mindestgewicht zu erreichen. Die Teams wittern eine Lücke im Regelwerk, doch die FIA spielt nicht mit und spricht Prost und Renault den Sieg zu.
Die Disqualifikation zieht noch weitere Kreise. Aus Protest boykottieren fast alle FOCA-Teams - rund um Bernie Ecclestone - das Rennen in Imola einen Monat später, doch der Ausschluss hat weiterhin Bestand. Erst in Belgien ist wieder das komplette Feld mit von der Partie, und der "FISA-FOCA-Krieg" gehört bald der Vergangenheit an.
Elio de Angelis (San Marino 1985) - Drei Jahre später erwischt es Alain Prost selbst. Der Franzose gewinnt in Imola, wird allerdings später disqualifiziert, weil sein McLaren zwei Kilogramm zu leicht ist. Den Sieg erbt de Angelis, der damit zum zweiten und letzten Mal in der Formel 1 triumphiert.
Kurioser Randaspekt: Weil Nachtanken damals nicht erlaubt ist, bleiben im Rennen mehrere Piloten ohne Sprit liegen. Lediglich sechs Fahrer - inklusive Prost, der in der Auslaufrunde ausrollt - sehen die Zielflagge. Thierry Boutsen schiebt seinen Arrows über die Ziellinie. Spritsparen ist nicht nur in der modernen Formel 1 ein Thema...
Alessandro Nannini (Japan 1989) - Die wohl berühmteste Disqualifikation in der Geschichte der Formel 1! In Suzuka kommt es beim vorletzten Rennen der Saison vor der Schikane zur Kollision zwischen den beiden McLaren-Piloten Ayrton Senna und Alain Prost. Prost scheidet aus, Senna kann weiterfahren und gewinnt das Rennen - zunächst...
Weil der Brasilianer die Schikane nach dem Crash auslässt, wird er nachträglich aus der Wertung genommen - Prost ist Weltmeister. Was dabei häufig vergessen wird: Den Sieg erbt Nannini, der vorher und nachher nie wieder auf der obersten Stufe des Podiums steht. Ein Jahr später beendet ein Hubschrauberabsturz seine Formel-1-Karriere.
Damon Hill (Belgien 1994) - Im Jahr 1994 erlebt Michael Schumacher nicht nur seinen Durchbruch und ersten WM-Titel, es ist auch die Geburtsstunde von "Schummel-Schumi"... Ausgerechnet auf seiner Paradestrecke in Spa wird der spätere Champion disqualifiziert, weil die Holzplatte am Unterboden seines Benettons zu dünn ist.
Das Team, das in diesem Jahr mehrfach negativ auffällt, führt die starke Abnutzung der Holzplatte auf einen Dreher zurück, doch die Disqualifikation hat Bestand und "Schumi" wird zudem für zwei Rennen gesperrt. Den Sieg erbt ausgerechnet WM-Rivale Hill, doch der Titel geht am Ende an Schumacher - nach einer Kollision im letzten Rennen...
Michael Schumacher (Brasilien 1995) - Ein Jahr später stehen Schumacher und Benetton erneut im Mittelpunkt - und das gleich beim ersten Saisonrennen! In Interlagos gewinnt der neue Weltmeister vor David Coulthard (Williams), doch beide werden disqualifiziert, weil das Benzin in ihren Autos Unregelmäßigkeiten aufweist.
Den Sieg erbt Ferrari-Pilot Gerhard Berger, doch zwei Wochen später kippt die FIA das Urteil der Rennkommissare und Schumacher bekommt seinen ersten Platz zurück. Kurios: Schumacher und Coulthard dürfen ihre WM-Punkte behalten, Benetton und Williams jedoch nicht. Das sorgt bei vielen für Unverständnis.
Eddie Irvine (Malaysia 1999) - Das Rennen in Sepang ist aus mehreren Gründen denkwürdig. Zum einen ist die Formel 1 erstmals zu Gast in Malaysia, zum anderen dominiert Michael Schumacher, der zuvor mit einem gebrochenen Bein mehrere Monate ausgefallen war, das Wochenende. Den Sieg überlässt er allerdings seinem Teamkollegen Irvine.
Doch nach dem Rennen werden beide disqualifiziert - die "Barge-Boards" sollen illegal sein. Damit wäre Mika Häkkinen, der den Sieg zunächst erbt, vorzeitig Weltmeister. Ferrari - um Teamchef Jean Todt - protestiert und die FIA nimmt den Ausschluss zurück. Irvine darf seinen Pokal behalten, Häkkinen wird zwei Wochen später Weltmeister.
Giancarlo Fisichella (Brasilien 2003) - Das Chaosrennen in Interlagos wird nach einem schweren Unfall von Fernando Alonso in der 56. Runde abgebrochen. Somit müsste das Ergebnis nach 54 Runden als Endstand gewertet werden, doch die Rennkommissare verlieren den Überblick und werten das Ergebnis nach 53 Umlaufen.
Hintergrund: Die Stewards gehen fälschlicherweise davon aus, dass das Rennen in Runde 55 abgebrochen wurde. Auf dem Podium darf somit zunächst Kimi Räikkönen jubeln, doch einige Tage später wird Fisichella nachträglich zum Sieger erklärt. Es ist der erste Formel-1-Sieg des Italieners und der letzte von Jordan.
Felipe Massa (Belgien 2008) - Auf dem Podium in Spa jubelt zunächst der spätere Weltmeister Lewis Hamilton, doch zwei Stunden nach dem Rennen erhält der Brite nachträglich eine 25-Sekunden-Strafe, durch die er auf Platz drei zurückgeworfen wird. Ein Überholmanöver kurz vor Schluss wird ihm zum Verhängnis.
Hamilton überholt Kimi Räikkönen zunächst, lässt dabei allerdings die Schikane aus. Er lässt den Finnen anschließend wieder vorbei, überholt ihn dann aber noch auf der Geraden erneut. Die Rennkommissare erkennen einen unfairen Vorteil. McLaren will Protest einlegen, doch die FIA wertet diesen als unzulässig. Massa bekommt den Sieg.
Nicht immer gewinnt in der Formel 1 der Pilot, der als Erster über die Ziellinie fährt... Wir blicken auf zehn kontroverse Rennentscheidungen am grünen Tisch