Die Saison 2013 im Rückspiegel
Alles neu bei Mercedes: Am 4. Februar 2013 beginnt die neue Silberpfeil-Ära erst so richtig. Nach drei Jahren Anlaufzeit krempelt man das Team enorm um. Anders als die Konkurrenz von Red Bull oder Ferrari zeigt Mercedes seinen neuen Herausforderer, den F1 W04, ohne großen Aufwand einfach auf der Strecke von Jerez. Neben dem neuen Boliden ist auch Lewis Hamilton der große Star der Präsentation. Der Brite ersetzt Rekord-Weltmeister Michael Schumacher und wagt nach seiner McLaren-Karriere einen neuen Anlauf an der Seite von Nico Rosberg.
Aber nicht nur auf Fahrerseite hat sich das Team neu aufgestellt: Auch Motorsportchef Norbert Haug verlässt den Hersteller nach 22 Jahren Tätigkeit. Sein Nachfolger wird der Österreicher Toto Wolff, der zusammen mit dem neuen Aufsichtsrats-Vorsitzenden Niki Lauda frischen Wind in den Rennstall bringen soll.
Doch der Beginn verläuft alles andere als geplant. Schon beim ersten Testtag in Jerez rollt Rosberg nach nur 14 Runden mit einem Elektronikdefekt aus, sein Teamkollege Hamilton schafft am folgenden Tag nur 15 Runden, bevor er in die Reifenstapel abfliegt. Immerhin erweist sich der Silberpfeil als äußerst schnell.
Das gleiche Bild bietet sich Mercedes beim Saisonauftakt in Australien. Rosberg muss das Rennen nach 26 Runden mit einem Elektronikdefekt aufgeben. Hamilton fährt bei seinem Mercedes-Debüt immerhin in der Qualifikation auf Rang drei und im Rennen auf Rang fünf.
Rang drei fährt der Brite dann aber im Rennen von Malaysia ein, auch wenn er von der Stallorder seines Teams profitiert. "Eigentlich müsste Nico an meiner Stelle stehen", gibt der Ex-Weltmeister unumwunden zu und schaut auch auf dem Podest nicht sonderlich glücklich drein, als er seinen ersten Pokal für Mercedes in Empfang nehmen darf.
Im Rennen leistet sich Hamilton im Übrigen einen kuriosen Fauxpas: Statt bei seiner eigenen Boxencrew fährt er einfach bei seinem alten Team McLaren vorbei. "Ich bin so viele Jahre zu McLaren zum Boxenstopp gefahren", lautet seine simple Erklärung. Doch dort muss man ihn abweisen, genau wie bei den Testfahrten in Jerez, als Hamilton bei seinem alten Team in der Garage vorbeischauen wollte, von Sportdirektor Sam Michael aber unsanft wieder hinausgebeten wurde.
Einen ersten Eindruck der Reifenproblematik von Mercedes sollen die Fans in China erhalten. Souverän stellt Hamilton seinen Boliden auf Pole, um am Ende doch nur auf Rang drei ins Ziel zu kommen. Hätte Hamilton gewusst, was noch auf Mercedes zukommt, er hätte den dritten Platz wohl mit Kusshand genommen. Rosberg hat mit seinem zweiten Ausfall im dritten Rennen hingegen ganz andere Probleme.
Die absoluten Tiefpunkte in Sachen Reifen zeigen sich aber in Bahrain und Barcelona: Zweimal von Pole gestartet, kann Rosberg gegen die Konkurrenz nichts ausrichten und fällt einmal auf Rang neun und einmal auf Rang sechs zurück. Teamkollege Hamilton erwischt es in Barcelona noch ärger: Nach Rang zwei in der Qualifikation bleibt der Brite als Zwölfter zum ersten Mal in der Saison punktelos.
Ein ähnliches Reifenerlebnis erwartet Mercedes für Monaco, doch auf dem engen Stadtkurs kann selbst ein Sebastian Vettel nicht an den "Bussen auf Vergnügungsfahrt" vorbeigehen und muss zusehen, wie Rosberg seinen ersten Saisonsieg holt. Hamilton hat die Freude über Platz vier hingegen nicht so wirklich gepackt.
Doch Rosberg hat in diesen Tagen noch mehr zu feiern: Als glühender Fan des FC Bayern München darf er bereits einen Tag zuvor über das erfolgreiche Champions-League-Finale jubeln. Rosbergs Nummer 9 scheint an diesem Wochenende Glück zu bringen. Bayerns Mario Mandzukic (mit der Trikotnummer 9) trifft gegen Borussia Dortmund zum zwischenzeitlichen 1:0.
Doch auf Mercedes kommen in diesen Tagen auch schlechte Nachrichten zu. Das Fahrerlager erfährt von einem unerlaubten Reifentest mit Pirelli, bei dem die Fahrer zudem weiße Helme tragen. Der Sieg von Monaco wird auf die Vorteile des Tests geschoben und zieht eine endlose Kette nach sich. Am 20. Juni landet der Fall vor dem Internationalen Tribunal, Mercedes und Pirelli werden verwarnt. Die Silberpfeile kommen mit einem blauen Auge davon und müssen dafür beim offiziellen Young-Driver-Test zuschauen.
In Kanada zeichnet sich ab, dass Mercedes die Reifenprobleme langsam in den Griff bekommt. Zwar springt für Hamilton und Rosberg zum ersten Mal seit Malaysia keine Pole heraus, allerdings fallen die beiden Piloten im Rennen auch nur jeweils einen Platz nach hinten - auf drei und fünf. Auf Sebastian Vettel fehlen im WM-Kampf aber mittlerweile stolze 55 Punkte.
Die Reifen stehen natürlich auch in Großbritannien im Fokus - dieses Mal bei allen. Zahlreichen Piloten fliegen die platzenden Pneus im Rennen nur so um die Ohren, auch Hamilton wird ein Opfer der Reifen. Eigentlich wollte der von Pole gestartete Brite seinen Fans einen Heimsieg schenken - der geht allerdings zum zweiten Mal in der Saison an Teamkollege Rosberg.
Doch es kommt noch schlimmer für den Briten. Seine On-&-Off-Beziehung zu Pussycat Doll Nicole Scherzinger geht mal wieder in den Off-Modus. Lange Wochen der Trennung setzen dem Ex-Weltmeister deutlich zu. Mittlerweile sprechen beide aber wieder von einem gemeinsamen Weihnachtsfest und sogar von einer Traumhochzeit.
Wenigstens sein Hündchen Roscoe ist treu an Hamiltons Seite. Ziemlich häufig ist der tierische Begleiter im Fahrerlager zu sehen und wird vom Mercedes-Piloten auch öfter genutzt, um lustige Fotos auf Twitter zu verbreiten. Mittlerweile hat Roscoe mit Dame Coco sogar einen neuen Spielgefährten gefunden.
Drei Wochen später wähnt sich Hamilton endlich am Ziel. Nachdem er sich zu Saisonbeginn darüber beschwert hatte, dass er nicht ordentlich bremsen kann, läuft in Budapest für den 28-Jährigen alles nach Plan. Nach der Pole-Position vom Samstag schnappt sich der Engländer auch am Sonntag ungefährdet den Sieg - seinen ersten für Mercedes. Da Rosberg mit einem kapitalen Motorschaden ausfällt, liegen zu Saisonmitte schon 40 Punkte zwischen den beiden.
In einem nassen Qualifying schnappt sich Hamilton in Spa-Francorchamps seine vierte Pole in Folge. Für das Team ist es die insgesamt achte der vergangenen neun Rennwochenenden. Doch die Serie findet hier ein Ende: Es ist die bislang letzte Pole für Mercedes, die zudem wieder "nur" zu den Rängen drei und vier am Sonntag führt. Der Abstand zu Sebastian Vettel wächst derweil immer weiter: Mit 58 Punkten Rückstand darf sich Hamilton nur noch ganz vage Hoffnungen auf den Titel machen.
Nico gegen Nico heißt es beim Europa-Finale in Monza: Nico Hülkenberg treibt seinen Landsmann fast zur Verzweiflung. Rosberg ist eines der ersten Opfer, das den Sauber-Aufschwung der zweiten Saisonhälfte hautnah miterleben darf. Teamkollege Hamilton kann vom Kampf um Platz fünf nach seinem Aus in Q2 nur träumen und muss eingestehen: "Ich bin gefahren wie ein Idiot. So schlecht war ich schon seit Jahren nicht mehr."
Sauer ist Rosberg in Singapur: Erst kann er Vettel in der Qualifikation nicht mehr abfangen, auch wenn dieser es sich beim letzten Versuch in der Box gemütlich macht, dann muss er sich noch über dessen berühmten Eier-Spruch ärgern. Ein Besuch im Swimmingpool wäre dem Deutschen in diesem Moment sicherlich lieber gewesen.
Den Asien-Auftakt dürfte man in Brackley allgemein schnell aus dem Gedächtnis gestrichen haben, denn auch bei den folgenden Rennen bleibt man farblos wie die Lackierung des Autos. Immer wieder steht sich Mercedes selbst im Weg: In Südkorea knickt Rosbergs Nase ab, woraufhin auch das Rennen von Hamilton zerstört wird, weil er mit völlig abgefahrenen Reifen mit dem Boxenstopp warten muss. In Japan schickt man Rosberg in der Box zu früh los und kassiert eine Durchfahrtsstrafe. Zu allem Überfluss muss Hamilton auf einer seiner Lieblingsstrecken nach einem Reifenschaden früh aufgeben.
Wie gut, wenn man sich von seiner Freundin trösten lassen kann. Noch-Freundin muss man sagen, denn Rosberg und seine Vivian wollen schon bald den Bund der Ehe eingehen. Wann und wo, das ist allerdings noch offen - genau wie bei Hamilton und Scherzinger.
Sportlich kann man in den verbleibenden Wochen nur wenige Akzente setzen. Neben Sebastian Vettel sehen einfach alle anderen Fahrer in den letzten Saisonrennen alt aus. Immerhin schafft es Rosberg in Indien und Abu Dhabi noch zweimal auf das Podest, bevor er in den USA mit Platz 14 im Qualifying total abstürzt. Hamiltons restliche Rennen sind von wenigen Tiefen geprägt - aber auch von wenigen Höhen. Vom aufregenden Saisonstart ist man mittlerweile weit entfernt.
Beim Saisonfinale in Brasilien bekommt aber auch die Mercedes-Crew noch einmal Arbeit: Nach einer Kollision mit dem Williams von Valtteri Bottas muss Hamilton zum Reifenwechsel an die Box kommen und erhält zusätzlich noch eine Durchfahrtsstrafe. Im Kampf um den zweiten Konstrukteursrang gegen Ferrari ist dies ein herber Rückschlag, Hamilton wird nur Neunter.
Doch die Vorstellung von Rosberg sichert den Silberpfeilen am Ende doch WM-Platz zwei hinter Red Bull. Auch wenn der Wiesbadener nach einer Führungsrunde zu Beginn nur auf Rang fünf über die Ziellinie fährt, reicht Mercedes dieses Ergebnis, um die rote Konkurrenz um sechs Punkte in Schach zu halten und das Jahr doch noch versöhnlich ausklingen zu lassen.
Doch nach der Saison ist bekanntlich vor der Saison. Schon kurz nach dem Saisonende stellt Mercedes die Weichen für die Zukunft neu und gibt bekannt, dass Ross Brawn 2014 nicht mehr als Teamchef fungieren wird. An seine Stelle treten der neu zum Team gestoßene Paddy Lowe sowie Toto Wolff, die im kommenden Jahr eine Doppelspitze bilden werden.
Die Saison 2013 im Rückspiegel