Nach sechs Jahren verlässt Sebastian Vettel die Scuderia Ferrari: Ein Blick zurück auf die High- aber auch Lowlights der Partnerschaft (2015 bis 2019)
101 Rennen hat Sebastian Vettel seit 2015 für die Scuderia Ferrari absolviert. Vor Saisonbeginn 2020 kann er auf 14 Siege, 12 Pole-Positionen und insgesamt 54 Podestplätze in Rot verweisen. Wir blicken zurück auf die vergangenen fünf Jahre!
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: 2015 wechselt Vettel von Red Bull zu Ferrari. Die Tifosi setzen alle Hoffnungen in den Nachfolger von Fernando Alonso - schließlich war die Scuderia in der Vergangenheit schon einmal erfolgreich mit einem deutschen Fahrer am Steuer.
Sein erster Ferrari-Sieg lässt nicht lange auf sich warten. Schon im zweiten Rennen für sein neues Team steht er in Malaysia auf dem Siegertreppchen. "Als Kind habe ich immer Michael im roten Ferrari siegen gesehen. Heute bin ich selbst hier. Das ist unglaublich", ist er den Tränen nahe.
Insgesamt gewinnt Vettel in seinem ersten Ferrari-Jahr drei Rennen (Malaysia, Ungarn und Singapur). Gegen die dominanten Mercedes-Boliden hat das italienische Team aber keine Chance. Mit 17 Top-5-Platzierungen in 19 Rennen wird der Deutsche am Ende des Jahres WM-Dritter (278 Punkte).
2016 ist von Beginn an der Wurm drin. Schon im zweiten Saisonrennen (Bahrain) fällt Vettel noch vor dem Start mit Motorschaden aus, zwei Rennen später (Russland) kollidiert er mit Daniil Kwjat und in Österreich platzt auf Start-Ziel der rechte Hinterreifen - drei Nuller in der ersten Saisonhälfte.
Nach einer weiteren Kollision mit Nico Rosberg in Malaysia folgt in Mexiko das negative Highlight: Im Duell gegen die Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo wütet Vettel unterm Helm: "Eine Nachricht für Charlie [Whiting]: 'Fuck off!'"
Mit Platz drei in Abu Dhabi beschließt der Heppenheimer ohne einen einzigen Sieg eine durchwachsene Saison 2016. In 20 Rennen schaffte er es insgesamt nur siebenmal auf das Podium. In der Weltmeisterschaft wird er nur Vierter (212 Punkte) und muss sich hinter den Mercedes-Fahrern und seinem Ex-Teamkollegen Daniel Ricciardo einreihen.
In die Saison 2017 erwischt der Deutsche einen Traumstart. In Australien macht er das durchwachsene Vorjahr mit dem ersten Ferrari-Sieg seit Singapur 2015 schnell vergessen. Die Scuderia scheint über den Winter etwas gefunden zu haben, in Melbourne sind die Roten auf Augenhöhe und Vettel in Bestform.
Den Schwung kann Vettel in die erste Saisonhälfte mitnehmen, er gewinnt noch drei weitere Rennen (Bahrain, Monaco und Ungarn). Allerdings zeigt er erneut Nerven: In Baku kommt es in der Safety-Car-Phase zum mittlerweile berühmten "Rammstoß" gegen Lewis Hamilton, nachdem dieser beim Restart langsamer gemacht hat.
Der Anfang vom Ende aller WM-Hoffnungen: Nachdem Vettel die WM-Führung ausgerechnet in Monza an Lewis Hamilton abgeben muss, erlebt er in der zweiten Saisonhälfte ein Desaster nach dem anderen. Zuerst kollidiert er ausgerechnet mit Kumpel Kimi Räikkönen in Singapur ...
... dann streikt die Technik in Malaysia und Japan. In Suzuka muss Vettel seinen Traum nach einem Zündkerzen-Defekt endgültig begraben. Auch der Sieg in Brasilien nutzt nichts mehr: Mit 317 Punkten wird er nur Vize-Weltmeister. Schwacher Trost: Fünf Siege in einer Saison sind seine bisher beste Ausbeute mit Ferrari.
Noch besser als im Vorjahr startet Vettel in die Saison 2018. Er gewinnt nicht nur den Auftakt in Australien (sein 100. Podium) sondern mit einer Meisterleistung auch den Grand Prix von Bahrain. Auf 39 Runden alten weichen Reifen hält er sich im Finish Valtteri Bottas vom Leib.
Nach weiteren Siegen in Kanada (sein 50. Karrieretriumph) und in Großbritannien mausert sich Vettel erneut zum WM-Favoriten - bis zu seinem Heimrennen. Feiert er am Samstag in Hockenheim noch die Pole, wendet sich das Blatt im Rennen. In Führung liegend rutscht er durch einen Fahrfehler in der Sachskurve ins Aus.
Erneut muss sich der vierfache Weltmeister von der WM-Führung verabschieden, erneut scheint es in der zweiten Saisonhälfte nicht mehr so rund zu laufen. Etwa in Monza: In der ersten Runde dreht sich Vettel vor den Tifosi. Dennoch: 2018 beendet er mit 320 Punkten und erneut fünf Siegen und dem Vize-Titel seine bislang beste Ferrari-Saison.
Im Hintertreffen startet Vettel in das Jahr 2019. Sein neuer Teamkollege Charles Leclerc macht ihm Druck, erst im siebten Saisonrennen in Kanada präsentiert sich ihm die erste Siegchance. Nach einem strittigen Manöver gegen Hamilton wird er jedoch bestraft und verliert den Sieg. Im Parc ferme zeigt er der FIA, was er von der Strafe hält.
Ferrari kann nicht an die fulminanten Saisonstarts der Vorjahre anknüpfen, hinzukommen ungewöhnliche Eigenfehler des Stammfahrers (etwa in Silverstone - Kollision mit Verstappen). Ein Lichtblick folgt ausgerechnet in Hockenheim: Vettel rast zu Hause im Regen vom letzten Platz auf das Podium (Platz zwei)!
Intern nimmt die Spannung zwischen Vettel und Leclerc zu, besonders deutlich fällt das im Qualifying in Italien auf (Leclerc verweigert den Windschatten). Während der junge Monegasse die Tifosi mit seinem Sieg in Ekstase versetzt, fällt Vettel mit seinem Dreher negativ auf. Auch im fünften Versuch schafft er keinen Monza-Sieg in Rot.
Erst nach 23 Rennen kann Vettel seine Durststrecke beenden und in Singapur 2019 endlich wieder ein Rennen gewinnen - bis heute sein letzter Ferrari-Triumph. "Ich habe nicht an mir gezweifelt", richtet er danach seinen Kritikern aus, die sich im Laufe der Saison vermehrt haben.
Nach einem kurzen Aufatmen aber schon der nächste Tiefpunkt: Nach zwei technischen Defekten (Russland, USA) geraten Vettel und Leclerc in Brasilien aneinander. "So ein Bockmist aber auch", flucht der Heppenheimer. Sein Frust hat sich aufgestaut, wieder ist er seinem Traum nicht ein Stück näher gekommen ...
... denn seine fünfte Ferrari-Saison ist mit WM-Rang fünf auch seine bislang schlechteste (240 Punkte). Nur ein Rennen kann er gewinnen, acht weitere Male aufs Podium fahren. Die Anzeichen verdichten sich im Frühjahr 2020, dass Vettel Ferrari verlassen könnte. Am 12. Mai gibt das Team die offizielle Trennung zu Saisonende bekannt.