Pech für Lewis Hamilton im Qualifying, Uneinigkeit der Silberpfeile im Rennen, und schon staubt Daniel Ricciardo den Grand-Prix-Sieg ab
Die Formel 1 kann gnadenlos sein: Während Lewis Hamilton im Qualifying zusehen muss, rechtzeitig aus seinem brennenden Mercedes zu klettern (Benzinleck), fährt Teamkollege Nico Rosberg auf die Pole-Position. Beinahe eine Wiederholung der Ereignisse von Hockenheim eine Woche zuvor.
Plötzliches Wolkenbruch zu Mittag am Race-Day! Rosberg gewinnt den Start auf dem nassen Hungaroring souverän. Sein Landsmann Sebastian Vettel, mit dem Red Bull erst zum dritten Mal 2014 in der ersten Startreihe, fällt gleich auf den ersten Metern hinter Valtteri Bottas (Williams) zurück, ...
... und muss in der zweiten Kurve auch das Beschleunigungsduell gegen Fernando Alonso (Ferrari) verloren geben.
Hamilton startet aus der Boxengasse - und nach diesem Abflug gleich in der ersten Runde sieht es nicht mehr so aus, als wäre für ihn noch etwas zu holen. Nach einem weiteren Ausrutscher und nur acht Runden hat er schon 33,1 Sekunden Rückstand auf den in Führung liegenden Teamkollegen.
Aber dann die Wende im Grand Prix: Marcus Ericsson verliert in Kurve 4 die Kontrolle über seinen Caterham, lenkt zu aggressiv gegen - und landet im Reifenstapel. Das Safety-Car muss erstmals auf die Strecke.
Pech für die Herren Rosberg, Bottas, Vettel und Alonso, denn die werden von Bernd Mayländer erst eingefangen, als sie schon an der Boxeneinfahrt vorbei sind. Alle anderen nutzen die Gelegenheit, um sofort von Intermediates auf Slicks zu wechseln.
Logische Konsequenz: Rosberg fällt auf den vierten, Vettel auf den siebten und Bottas sogar auf den elften Platz zurück.
Als sich Mayländer in der elften Runde gerade dazu bereit macht, das Rennen wieder freizugeben, fliegt auch noch Romain Grosjean (Lotus) ab. Der Franzose unterschätzt die Feuchtigkeit der Strecke nach dem Boxenstopp, als er versucht, seine Slicks mit Zick-Zack-Bewegungen auf Temperatur zu bringen.
In der 14. Runde kann das Rennen dann doch neu gestartet werden, und Leader Ricciardo wird sofort von Jenson Button (McLaren) überholt. Dessen Geheimnis: McLaren setzt - ohne Boxenstopp - weiterhin auf Intermediates. Eine Taktik, die nur aufgehen kann, wenn es sofort wieder zu regnen beginnt. Was nicht der Fall ist.
Der große Gewinner der Safety-Car-Phase: Hamilton. Am Ende der 14. Runde liegt er an neunter, nach den überfälligen McLaren-Boxenstopps sogar schon an siebter Stelle. Formatfüllend im Rückspiegel von Vettel, nur noch eine Sekunde hinter Teamkollege Rosberg.
Der kämpft mit rauchenden Bremsen und lässt Alonso fast kampflos vorbei. Erst bei der Attacke gegen Jean-Eric Vergne (Toro Rosso) riskiert er etwas mehr und lässt ein Rad stehen. Trotzdem beißt er sich an Vergne 17 Runden lang die Zähne aus, ehe Mercedes entnervt seinen Boxenstopp vorzieht.
Im elften Saisonrennen 2014 geht Nico Hülkenberg erstmals leer aus. Nach einer missglückten Attacke ausgerechnet gegen seinen Force-India-Teamkollegen Sergio Perez (der später selbst crasht, möglicherweise wegen des beeinträchtigten Fahrverhaltens) rutscht der Deutsche in der Zielkurve von der Strecke. "Da gibt es keine zwei Meinungen", nimmt er die Schuld auf sich.
Zur Kollision kommt es auch zwischen Jules Bianchi (Marussia) und Pastor Maldonado (Lotus). Beim Duell um Platz 17 fliegen die Fetzen - und beide müssen anschließend zum Reparaturstopp an die Box kommen.
Nach dem Perez-Unfall sammelt Mayländer seine nächsten "Führungsrunden". Diesmal wechseln nur Ricciardo (auf Soft) und die beiden Williams (auf Medium) die Reifen. Ricciardo fällt auf Platz sechs zurück, hat aber die frischesten Pneus. In Führung liegt Alonso vor Vergne und Rosberg.
Ein Beinahe-Crash von Vettel bringt Hamilton in unmittelbare Schlagdistanz zu Vergne, mit dem er nicht so lange fackelt wie zuvor Rosberg: Wie der Brite außen am Toro-Rosso-Junior vorbeizieht, verdient Applaus - und zeigt den Unterschied in der Herangehensweise der beiden Mercedes-Stars an diesem Sonntag. Nicht einmal eine überhitzte Sitzschale (Ursache ungeklärt) kann Hamilton aus dem Konzept bringen. Auch wenn er schon das Schlimmste befürchtet: "Fühlt sich an wie in Kanada." Wo er ausgeschieden ist...
Zur Rennmitte fährt Hamilton mit harten Reifen vor Rosberg mit weichen. Hamiltons Pirellis sind um zehn Runden frischer, trotzdem kann Rosberg schneller. Also gibt das Team eine Stallorder aus: "Lass Nico vorbei!" Aber das ignoriert der Brite - und erntet Verständnis bei Formel-1-Experte Marc Surer: "Rosberg soll sich nicht aufregen, er ist zu weit hinten."
Rosberg muss noch einmal Reifen wechseln und fällt auf den siebten Platz zurück, hat aber realistische Chancen, dank seines Grip-Vorteils noch Vierter zu werden. Erstes Opfer auf dem Weg dorthin: Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen, der ein verkorkstes Wochenende irgendwie doch zumindest als Sechster beendet.
Ganz vorne spitzt sich indes der Dreikampf um den Sieg zu. Zu Beginn der 63. Runde führt Alonso 0,7 Sekunden vor Hamilton und 1,1 Sekunden vor Ricciardo. Bereifung: Alonso Soft, 27 Runden alt. Hamilton Medium, 23 Runden alt. Ricciardo Soft, elf Runden alt. Vorteil Ricciardo.
Inzwischen schnappt sich Rosberg auch noch Massa und ist Vierter. Rückstand auf den drittplatzierten Ricciardo: 26,1 Sekunden. Noch sind zehn Runden zu fahren.
Runde 68: Alonso ist vor Kurve 1 bestenfalls Kanonenfutter für Ricciardo, dem der Sieg nun nicht mehr zu nehmen ist.
Unglaublich, aber wahr: Dank der um zwölf Runden frischeren (und weicheren) Reifen vernichtet Rosberg seinen riesigen Rückstand binnen weniger Runden. In der vorletzten Runde ist er am Teamkollegen dran, in der letzten probiert er es auf Ricciardo-Art - und scheitert, weil sich Hamilton diesmal brutal, aber auch sehr geschickt nach außen tragen lässt. Rosberg beendet den Grand Prix von Ungarn auf Platz vier. Erstmals 2014 ist ein Mercedes im Ziel, aber nicht auf dem Podium.
Beinahe reicht es für Adrian Sutil zum ersten Sauber-WM-Punkt der Saison. Nach 30 Runden langem Duell gegen Button und dem einen oder anderen gescheiterten Überholversuch fehlen am Ende nur 0,9 Sekunden.
Ricciardo feiert den zweiten Sieg seiner Formel-1-Karriere (nach Kanada 2014) letztendlich souverän mit 5,2 Sekunden Vorsprung. Alonso schleppt seinen Ferrari mit völlig abgefahrenen Reifen als Zweiter ins Ziel, Hamilton wird Dritter - und verkürzt seinen WM-Rückstand auf Rosberg von 14 auf elf Punkte.