Bruchpilot, Wandervogel, Toptalent - Andrea de Cesaris war einer der prägenden Formel-1-Fahrer der 80er und 90er Jahre
Am 5. Oktober 2014 erreichten die Formel-1-Welt traurige Nachrichten: Andrea de Cesaris verstarb im Alter von 55 Jahren bei einem Motorrad-Unfall. Der gebürtige Römer hatte eine lange Formel-1-Karriere hinter sich, die zwischen 1980 und 1994 die Teilnahme an 214 Grands Prix und Cockpits bei insgesamt zehn verschiednen Teams umfasste. Damit ist de Cesaris der Pilot, der in der Königsklasse die meisten Starts absolvierte, ohne einen Rennsieg zu landen.
Alles begann 1980 bei Alfa Romeo, wo der zuvor von McLaren-Patron Ron Dennis geförderte de Cesaris im Alter von nur 21 Jahren beim Kanada-Grand-Prix Vittorio Brambilla ersetzte, der seinerseits für verstorbenen Patrick Depailler eingesprungen war. Schon bei seinem zweiten Einsatz in Watkins Glen legte er den Grundstein für seinen Ruf als Bruchpilot, als er seinen Boliden nach zwei Runden verschrottete.
Trotzdem ebnete Dennis mit der Verschmelzung seines Formel-2-Teams Project 4 seinem Zögling im Jahr darauf den Weg zu McLaren. In Imola holte de Cesaris seine ersten WM-Punkte, beendete aber nur sechs von 14 Rennen und baute in allen Sessions insgesamt 18 Unfälle. James Hunt kommentiert süffisant: "Es sieht so aus, als wäre er nicht in der Lage, nicht zu crashen."
Die Konsequenz: Er wurde von der britischen Traditionsmannschaft noch während der laufenden Saison vor die Tür gesetzt und bekam einen Spitznamen verpasst: "Andrea de Crasheris". Angeblich soll McLaren 120 Arbeitsstunden damit verbracht haben, die havarierten Boliden des Italieners wieder auf Vordermann zu bringen.
Für de Cesaris ging es 1982 zurück zu Alfa Romeo, wo er in Long Beach einen der größten Erfolge seiner Karriere landete und die Pole-Position einfuhr: Zu diesem Zeitpunkt als jüngster Fahrer aller Zeiten. Doch wie sollte es anders sein: Nachdem er sich verschaltet hatte, verlor er im Rennen erst die Führung an Niki Lauda und verschrottete anschließend seinen Boliden. Qualmend gingen alle Träume unter der Sonne Kaliforniens in Rauch auf.
Der schnelle de Cesaris bekam noch mehr Siegchancen. In Monaco 1982 hätte er beinahe gewonnen, doch in der Schlussrunde ging dem Alfa Romeo der Sprit aus. Die Italiener hatten viel Geduld mit ihrem Piloten, der in Spielberg kurz nach dem Start seinen damaligen Teamkollegen Bruno Giacomelli abräumte und für eine Nullnummer sorgte. Es zahlte sich aus: Im Jahr darauf vermasselte ihm zwar ein Motorschaden in Spa-Francorchamps einen ersten Platz, in Kyalami jedoch erzielte er als Zweiter das beste Resultat seiner Formel-1-Karriere.
Dass de Cesaris nach 1984 ein zweites Jahr bei Ligier blieb, war aus politischer Sicht ein Wunder: Teamboss Guy Ligier hatte einen Werbedeal mit der Tabakmarke Gitanes an Land gezogen, de Cesaris wurde aber größtenteils von seinem persönlichen Geldgeber Marlboro bezahlt. Trotz vereinzelt starker Leistung wurde de Cesaris seine Vorliebe für Kleinholz einmal mehr zum Verhängnis, schließlich erklärte Ligier zu seinem Rauswurf mitten in der Saison: "Ich kann es mir nicht leisten, diesen Mann noch länger zu beschäftigen!"
Über Stationen bei Minardi (dem einzigen Team, für das er keine WM-Punkte einfährt) und Brabham ging es 1988 zu Neueinsteiger Rial, große Erfolge blieben jedoch Mangelware
Auch in den Jahren 1989 und 1990 bei Scuderia Italia war de Cesaris öfter im Hinterfeld und im Kiesbett zu finden als in Podiumsnähe. Mit unglaublichen Aktionen machte er dennoch von sich Reden: In Monaco 1989 war er nach einem Unfall in der Loews-Kurve kurz davor, Nelson Piquet in seinem verkeilten Auto den Kopf abzureißen. Von einer
1991 schloss sich de Cesaris dem neu gegründeten Jordan-Team an, sehr zum Unmut des damaligen Chefdesigners Gary Anderson. "Als Eddie mir sagte, er hätte Andrea verpflichtet, hielt ich ihn für verrückt", berichtet er 'Autosport', war jedoch schnell vom Bruchpiloten überzeugt.
Trotz Erfolgen ging es aus finanziellen Gründen für de Cesaris in den Jahren 1992 und 1993 weiter zu Tyrrell.
Als die Karriere schon beendet schien, kam 1994 ein Anruf von Eddie Jordan: Ausgerechnet weil Eddie Irvine wegen einer Harakiri-Aktion eine Rennsperre kassierte, musste de Cesaris bei seinem alten Kumpel für zwei Grands Prix einspringen. In Monaco enttäuschte er nicht und sorgte für einen sensationellen vierten Platz, was nicht unbemerkt blieb...
Weil sich Karl Wendlinger am gleichen Wochenende bei einem Unfall in der Hafenschikane schwer verletzte, sicherten sich die Schweizer die Dienste de Cesaris' für neun Rennen. Er hätte zwei weitere fahren können, weil Wendlingers Rückkehr überraschend abgeblasen wurde, war im Urlaub aber nicht erreichbar und wurde deshalb durch JJ Lehto ersetzt.
Damit war die Formel-1-Karriere von "Andrea de Crasheris" beendet. Seine stolze Bilanz: Bei 208 Grand-Prix-Starts (211 Teilnahmen) erreichte er nur in 65 Rennen das Ziel. Neben Unfällen waren aber auch technische Defekte in unterlegenen Boliden der Grund. Im Ruhestand betätigte sich de Cesaris in seiner Wahlheimat Monaco erfolgreich als Börsenmakler und widmete sich einer großen Leidenschaft, dem Windsurfen.
Bruchpilot, Wandervogel, Toptalent - Andrea de Cesaris war einer der prägenden Formel-1-Fahrer der 80er und 90er Jahre