Er eroberte die Formel 1 und die Herzen der Fans im Sturm, aber er überlebte seine größte Leidenschaft nicht: Ein Rückblick auf die Karriere von Gilles Villeneuve
Der Kanadier Gilles Villeneuve kommt im Sommer 1977 mit großen Vorschusslorbeeren in die Formel 1: Bei einem Rennen zur Formel Atlantic 1976 in Trois-Rivieres ist er einigen Grand-Prix-Stars um die Ohren gefahren. Jetzt kann er sich erstmals auf der ganz großen Bühne beweisen, und das ...
... passiert beim Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone. McLaren setzt ein drittes Auto ein für Villeneuve, der sich im Vorjahresmodell prompt gut verkauft: Im M23 belegt er P9 und schlägt Teamkollege Jochen Mass, der den aktuellen M26 fährt. Auf James Hunt, der die Poleposition sicherstellt, fehlen ihm acht Zehntel.
Im Rennen macht er zunächst gute Fortschritte und liegt alsbald an siebter Stelle. Eine fehlerhafte Temperaturanzeige aber kostet ihn zwei Runden und eine mögliche Punkteposition im ersten Grand Prix, aber ...
... Villeneuve hat mit Platz elf trotzdem überzeugt: Er wird zum "Fahrer des Tages" und wird noch vor Ort geehrt. Auch die Presse jubelt: Die englische Times etwa schreibt von einem "kommenden Weltmeister". McLaren sieht das aber etwas anders und ...
... hält nicht am eigentlichen Plan fest, Villeneuve für bis zu fünf Rennen im weiteren Saisonverlauf einzusetzen. Schon nach der Premiere in Silverstone ist Schluss. Er bleibt aber nicht lange ohne Formel-1-Cockpit, denn schon ...
... bald reist er auf Einladung von Ferrari nach Maranello und bestreitet einen Test in Fiorano. Enzo Ferrari erkennt in Villeneuve "die Statur eines Nuvolari" und gibt ihm einen Vertrag für zwei Rennen 1977 und die Saison 1978.
Schon sein zweites Rennen für Ferrari endet vorzeitig: Villeneuve kollidiert mit Tyrrell-Fahrer Ronnie Peterson. Schlimmer noch: Der Ferrari hebt ab und landet in einer Gruppe Zuschauer, die in einer Sperrzone stehen. Zwei Personen sterben, sieben weitere werden verletzt. Villeneuve wird nicht verantwortlich gemacht.
Die Saison 1978 beginnt nicht nach Wunsch für Villeneuve: Beim ersten Rennen in Long Beach fliegt er in Führung liegend ab und scheidet aus. Es folgen vier weitere Ausfälle in den nächsten Grands Prix, dann ...
... gelingt beim Belgien-Grand-Prix in Zolder der Durchbruch mit Platz vier und den ersten Punkten. Bald darauf steht Villeneuve in Österreich als Dritter erstmals auf dem Podium, und ...
... beim Finalrennen in Kanada fährt er unter eiskalten Bedingungen allen davon: erster Sieg in der Formel 1 - auf der Strecke in Montreal, die später einmal seinen Namen tragen wird.
Kaum sitzt Villeneuve 1979 im neuen Ferrari 312T4, schon gewinnt er erst in Kyalami (Foto), dann sofort auch in Long Beach. Damit steht der Kanadier erstmals an der Spitze der Fahrerwertung. In Erinnerung bleibt das Jahr aber vor allem ...
... aufgrund seines epischen Duells mit Renault-Fahrer Rene Arnoux beim Frankreich-Grand-Prix in Dijon: Im Kampf um Platz zwei beharken sie sich über drei Runden hinweg, am Ende bleibt Villeneuve knapp vorne. Die WM hingegen ...
... verliert Villeneuve an seinen Ferrari-Teamkollegen Jody Scheckter. Aber nur, weil einzig 1979 eine andere Streichresultat-Regelung gilt als in den Jahren davor und danach, sonst wäre Villeneuve nicht Zweiter, sondern Weltmeister.
1980 geht fast gar nichts für Villeneuve: Im schwierig zu fahrenden 312T5 ist der fünfte Platz in Monaco (Foto) das höchste der Gefühle. Villeneuve punktet überhaupt nur bei vier Grands Prix, darunter ein weiterer fünfter Platz in Kanada. Mit dem Titelkampf hat Ferrari nichts am Hut. Scheckter holt gar nur einmal Punkte und tritt zurück.
Der Ferrari 126CK als das erste hauseigene Modell mit Turbomotor hat Startschwierigkeiten, aber dann gewinnt Villeneuve in Monaco. In Jarama in Spanien hält er souverän eine Gruppe schnellerer Autos hinter sich und siegt erneut. Dann folgt ...
... eine lange Flaute mit fünf Ausfällen in sechs Rennen. In Silverstone etwa dreht sich Villeneuve von der Bahn und muss aufgeben.
Beim Heimrennen in Kanada ist Villeneuve im Nassen wieder schnell, aber mit beschädigtem Frontflügel über weite Strecken im Grand Prix fahrtechnisch eingeschränkt. Er bringt dennoch Platz drei ins Ziel und wird WM-Siebter. Sein Ferrari-Teamkollege Didier Pironi landet ohne Sieg auf Platz 13.
Im Winter erreicht ihn ein McLaren-Angebot: Sein Ex-Team hätte ihn gerne zurück für 1982, doch Villeneuve lehnt ab. Er sieht bessere Chancen bei Ferrari, aber ...
... die Formel-1-Saison 1982 beginnt für Villeneuve mit zwei Ausfällen im Ferrari 126C2: Sowohl in Kyalami als auch in Rio de Janeiro kommt er nicht über die Distanz: Im zweiten Rennen kreiselt er in Führung liegend von der Bahn und fällt aus.
In Long Beach wird Villeneuve zwar Dritter auf der Strecke, verliert den Podestplatz aber nachträglich durch einen erfolgreichen Protest gegen den Ferrari-Heckflügel. Nach drei Rennen steht er noch bei null Punkten.
Weil einige Teams das Rennen in Imola boykottieren und die restliche Konkurrenz ausfällt, hat Ferrari leichtes Spiel. Beide Fahrer sollen die Autos schonen und den Doppelsieg sicherstellen. Doch ganz zum Schluss zieht Pironi noch an Villeneuve vorbei und gewinnt, was ...
... für eine Eiszeit sorgt zwischen den Ferrari-Fahrern: Villeneuve fühlt sich hintergangen und wirft Pironi vor, gegen die Ferrari-Stallregie verstoßen zu haben. Pironi wiederum meint, es ging nur um geringeres Tempo, nicht um das Positionen halten. Die Stimmung bleibt frostig, selbst ...
... kurz darauf beim Belgien-Grand-Prix in Zolder. Im Qualifying holt Villeneuve nochmal frische Reifen - weil er Pironi schlagen will, der bis dahin vor ihm klassiert ist? So weit kommt es aber nicht, denn ...
... Villeneuve läuft auf March-Fahrer Jochen Mass auf. Nach einem Missverständnis kommt es zur Kollision: Das Villeneuve-Auto steigt auf und hebt ab. Beim Aufprall bricht es auseinander, Villeneuve wird herausgeschleudert und prallt in die Fangzäune. Er verliert sofort das Bewusstsein.
Rasch sind Ärzte und Ersthelfer zur Stelle, Villeneuve wird ins Krankenhaus transportiert. Dort stellt man einen Genickbruch fest, kann aber nichts mehr für ihn tun. Gilles Villeneuve wird noch am Abend für tot erklärt. Er hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Sein Sohn Jacques ...
... schafft 1997, was dem Vater verwehrt geblieben ist: Er wird Formel-1-Weltmeister, ohne je die gleiche Strahlkraft zu entwickeln wie Gilles Villeneuve.
Über Gilles Villeneuve sagt Enzo Ferrari später: "Der Tod hat uns einen Champion genommen. Einen, den ich sehr geliebt habe."
Niki Lauda meint: "Gilles war der verrückteste Teufel, dem ich je in der Formel 1 begegnet bin. Die Tatsache, dass er trotz all dem ein sensibler und liebenswerter Charakter war und kein kompromissloser Hitzkopf, machte ihn zu einem so einzigartigen Menschen."
Er eroberte die Formel 1 und die Herzen der Fans im Sturm, aber er überlebte seine größte Leidenschaft nicht: Ein Rückblick auf die Karriere von Gilles Villeneuve