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  • 24.10.2018 08:12

  • von Daniel Halder

Ross Brawn will Trainingszeit kürzen: Weniger Daten für eine bessere Show

Nach Regen-Freitag in Austin: Der Liberty-Mann will Teams weniger Zeit für Analysen geben - Mehr Spannung durch verschiedene Strategien und weniger Perfektion

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis der USA in Austin/Texas am vergangenen Wochenende gehörte zu den besseren Formel-1-Rennen der Saison 2018. Besonders die Schlussphase sorgte für Begeisterung, als gleich drei Fahrer um den Sieg kämpften. Während Kimi Räikkönen vorne mit kluger Strategie seine Reifen ins Ziel bringen musste, preschten von hinten Max Verstappen und Lewis Hamilton heran. Kurz vor dem Ende gipfelte die Spannung in einem Duell zwischen dem Briten und dem Niederländer, der den Angriff des Mercedes-Stars abwehren konnte. Schließlich überquerten die ersten Drei innerhalb von nur etwas mehr als zwei Sekunden die Ziellinie.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn, Chase Carey

Ross Brawn und Chase Carey wollen die Attraktivität der Formel 1 steigern Zoom

Liberty-Media-Technikchef Ross Brawn hat seine eigene Theorie, warum der USA-Grand-Prix einen so unvorhersehbaren Verlauf fand. "Das lag wahrscheinlich auch daran, dass niemand am Freitag Trockenreifen fahren konnte, weil die Strecke während der drei Trainingsstunden nass war. Damit hatten die Teams weniger Daten als üblich, um ihren Plan fürs Rennen zu erstellen - und damit stieg die Fehlerquote." Was Brawn meint: Für Spannung gegen Ende sorgten vor allem die unterschiedlichen Reifenstrategien, auf denen die Top-3-Fahrer unterwegs waren.

Räikkönen auf einer Einstopp-Strategie musste bis zur Zielflagge 34 Runden lang auf Soft-Reifen durchhalten. Mit ähnlich alten Supersofts konnte von hinten Verstappen bis kurz vor Ende Druck machen, während Hamiltons Soft-Reifen nach dem ersten Stopp früh in die Knie gingen und der Weltmeister einen zweiten Halt an der Box einlegen musste. So hatte er am Ende die frischesten Soft-Pirellis und konnte sich wieder an die Spitze rankämpfen. "Sie fuhren alle verschiedene Strategien. Bei Räikkönen und Hamilton wurde es unterschiedlich entschieden und bei Verstappen war es nötig, etwas anderes zu machen, weil er sich von seinem hinteren Startplatz nach vorne kämpfen musste", weiß Brawn.

Brawn: Weniger Perfektion = mehr Spannung

Der langjährige Teamverantwortliche schlussfolgert: "So grundverschiedene Taktiken sind ungewöhnlich für die Formel 1, in der Simulation und Strategie bis ins kleinste Detail so ausgefeilt sind, dass man normalerweise keine solchen Unterschiede zu sehen bekommt. Erst recht nicht zwischen den Topteams." Brawn glaubt aber, dass wegen des verregneten Freitags die Teams nicht genügend Daten sammeln konnten, um die perfekte Rennstrategie zu finden - und das wäre dem Rennverlauf zu Gute gekommen.

Produzieren weniger Daten also eine bessere Show und sollten die Teams demnach in Zukunft weniger Zeit und Möglichkeiten bekommen, ihren Analysen und Longruns vor einem Rennen zu betreiben? "Dadurch würden die Unabwägbarkeiten zunehmen und deshalb sollten wir das definitiv zur Diskussion stellen, um zukünftig unseren Sport von der ersten bis zur letzten Runde noch spannender zu machen - so wie am Sonntag in Austin", ist sich der Brite sicher.

Er glaubt: Je mehr Zeit die Teams bekommen, um Dinge zu perfektionieren, desto vorhersehbarer werden die Rennen. "Nehmen wir eine Fußball-Metapher her: Wenn zwei Teams absolut perfekt spielen, ist ein Unentschieden die logische Konsequenz. Ähnlich ist das in der Formel 1: Wenn die Simulationen bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind, dann nähern sich alle in der bestmöglichen Strategie an." Das aktuelle Format in der Formel 1 gibt den Teams drei Stunden Trainingszeit am Freitag und eine weitere Trainingsstunde am Samstag vor dem Qualifying.

Weniger Zeit auf der Strecke vor einem Rennen würde für mehr Unabwägbarkeiten in einem Grand Prix sorgen, bestätigt auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'. Der Österreicher glaubt aber auch, dass die Teams stattdessen mehr Zeit in den Strategiezentralen und im Simulator verbringen würden, um die Versäumnisse wieder auszugleichen. "Sollten sich die Regeln so ändern, dann würden bei den Ingenieuren einfach noch mehr Simulationen und Computer im Hintergrund laufen, um das Auto auf diese Weise in die Spur zu bekommen", so Wolff.

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