Experte Gary Anderson und Motorsport-Total.com bewerten die Stärke der Formel-1-Teams nach den Testfahrten in Barcelona
Mercedes - 5 Sterne: Zwar waren die Silberpfeile bei den Spitzenzeiten nicht vorne dabei, doch Mercedes wird die Hosen erst in Melbourne heruntergelassen. Die bärenstarken Longruns haben aber gezeigt, dass das Team um Lewis Hamilton wohl wieder die Messlatte für alle anderen darstellen wird.
Gary Anderson: "Mercedes' neues Paket ist eine Weiterentwicklung vom letzten Jahr - und das ist genau das Richtige! Mercedes wusste, dass der Speed da war. Es ging nur darum, ihn öfters zu zeigen. Dass sie im vergangenen Jahr ein kleines Problem damit hatten, war wohl das Schlimmste, was den anderen Teams passieren konnte."
Red Bull - 4 Sterne: Schon früh haben die Bullen eine gute Testform gezeigt, mussten sich aber auch über einige technische Probleme den Kopf zerbrechen. Das Team braucht endlich ein titelfähiges Auto, will man Daniel Ricciardo und Max Verstappen bei Laune halten. Die Frage ist: Wie groß ist das Renault-Defizit?
Gary Anderson: "Red Bull hat gute Arbeit geleistet, doch die ist nicht gut genug. Das Auto sieht ziemlich ordentlich aus, und die Fahrer sind hungrig auf Erfolg. Allerdings war die Zuverlässigkeit nicht perfekt - und die ist der Schlüssel, will Red Bull um die Meisterschaft kämpfen. Probleme müssen der Vergangenheit angehören."
Ferrari - 4 Sterne: Die Scuderia hat die schnellsten Zeiten des Winters hingelegt - doch das ist in der Formel 1 nicht alles. Der Longrun ging klar an Mercedes, und wenn sich 2018 kein Erfolg einstellt, könnte die Atmosphäre in Maranello schnell ungemütlich werden.
Gary Anderson: "Auf der Strecke sieht das Auto ziemlich gut aus, aber es scheint auch am Limit zu sein. Wenn man versucht, noch etwas mehr zu pushen, dann rutscht man damit. Auch wenn es ziemlich gut ausbalanciert zu sein scheint, so hat Ferrari doch nicht das Grip-Niveau, das der Mercedes aufweist."
Haas - 3 Sterne: Verglichen mit 2017 müsste man den Amerikanern eigentlich mehr Sterne geben, weil sie die große Überraschung waren. Trotz härterer Reifen fuhr man durchaus beachtliche Zeiten, sodass sich das Mittelfeld wirklich in Acht nehmen muss. Bekommt man nun Grosjeans Bremsprobleme in den Griff, sind gute Ergebnisse drin.
Gary Anderson: "Wenn das der echte Fortschritt ist, bin ich beeindruckt. Bei der Präsentation des Autos sah alles etwas bieder aus, aber etwas besser zu machen, das man versteht, könnte für dieses kleine Team genau das Richtige sein. Haas muss sich auf Konstanz und die Entwicklung konzentrieren, das waren 2017 die Schwachpunkte."
Renault - 3 Sterne: Die Franzosen sind ein bisschen im grauen Mittelfeld versackt. Nico Hülkenberg und Carlos Sainz fuhren durchaus ansprechende Testzeiten, allerdings gab es auch ein paar Wehwehchen mit dem Fahrzeug. Ein erstes Podest dürfte für die Piloten nur mit Glück abzustauben sein.
Gary Anderson: "Vor McLaren zu sein, wird die große Herausforderung für Renault, und bei den Tests hat man das knapp geschafft. Red Bull hat schon lange auf hohem Niveau gearbeitet und sollte noch außer Reichweite sein. Doch bei Renault wird man schon glücklich sein, solange man im Laufe der Saison konstante Fortschritte macht."
McLaren - 3 Sterne: Eine nichtssagende Testbestzeit und viele Defekte sind das Fazit der Tests für McLaren. Auch ohne Honda-Motor geht bei den Briten zu viel kaputt - und immer ist es ein anderes Problem. Mit der Power im Hintergrund sollte man das allerdings hoffentlich lösen können. Das Auto hat zumindest Potenzial.
Gary Anderson: "Das Auto sieht auch im Detail gut aus, aber das zeigt sich nicht immer in der Rundenzeit. Der Wechsel zu Renault ist positiv, dadurch kann man die Performance des Chassis nun richtig bewerten. Da hört es aber auch auf: Die Zuverlässigkeit ist eine Katastrophe, und mit seinen Möglichkeiten sollte man das im Griff haben."
Toro Rosso - 3 Sterne: Mit seiner Zuverlässigkeit hat Honda alle überrascht. Toro Rosso fuhr in der ersten Woche die meisten Runden von allen - auch wenn es Gerüchte gibt, dass Honda jeden Tag einen neuen Motor eingebaut haben soll. Die Zeiten sind erst einmal zweitrangig gewesen. Fragezeichen sind die unerfahrenen Piloten.
Gary Anderson: "Das Team und Honda scheinen sich wohl zu fühlen, das kann nur positiv sein. Zunächst schien das Auto ein Problem mit der Vorderachse zu haben, was im Laufe der Tests verschwand - später gab es jedoch wieder Aussagen über eine einbrechende Vorderachse. Mit den ganzen Kilometern sollten aber Daten zur Lösung vorhanden sein."
Williams - 2 Sterne: Der Rennstall verbrachte viel Zeit in den hinteren Tabellenregionen, vor allem mit den Stammpiloten. Testpilot Robert Kubica schien schneller zu sein, auch wenn man die Programme natürlich nicht kennt. Weil die Longruns immerhin einigermaßen gut aussahen, gibt es zwei statt einen Stern.
Gary Anderson: "Williams hat seine Philosophie beim Design der Aerodynamik und der Mechanik dramatisch verändert. Das Auto ist ein Mix der Konzepte von Ferrari und Mercedes, und man scheint die Arbeit im Griff zu haben. Die Historie zählt nichts mehr, das hat das Team mit der Verpflichtung von Paddy Lowe und Dirk de Beer erkannt."
Force India - 2 Sterne: Das war nicht viel, was Force India in Barcelona gezeigt hat. Das Auto war in Sachen Performance sehr langsam und teilweise unzuverlässig. Allerdings lief man bei Tests zuletzt immer unter ferner liefen und will in Melbourne ein großes Update bringen. Ob das reicht?
Gary Anderson: "Im Vergleich zu den Spitzenteams ist die Performance enorm abgesackt, aber das Team weiß, dass man sich nur eine Plattform erarbeiten wollte, die man versteht. Trotzdem muss das Update riesig sein. Man muss eine oder 1,5 Sekunden finden, um eine Chance auf den vierten Platz zu haben - das ist in der Formel 1 eine Welt."
Sauber - 1 Stern: Mit Alfa Romeo soll es aufwärts gehen, doch der Weg ist für die Schweizer steinig. Der Bolide scheint schwierig zu fahren sein und Grip zu mangeln, so oft wie die Piloten im Kiesbett standen. Man darf allerdings davon ausgehen, dass sich durch Ferraris Know-how im Laufe der Zeit Verbesserungen einstellen.
Gary Anderson: "Laut den Zeiten ist Sauber mehr oder weniger stehengeblieben. Wenn man auf das Auto schaut, ist es aber vollkommen anders. Das dürfte aber nur heißen, dass man es anders aussehen lassen kann, die Performance dabei aber nicht immer verbessert. Ferrari wird sich jedoch nicht still anschauen, wie Alfa Romeo befleckt wird."
Experte Gary Anderson und Motorsport-Total.com bewerten die Stärke der Formel-1-Teams nach den Testfahrten in Barcelona