Eine mörderische Hetzjagd auf Sizilien, ein schwäbisches Rokoko-Schloss und ein "Indoor"-Etikettenschwindel
Früher waren Formel-1-Rennen ohne WM-Status gang und gäbe. Die Stars scheuten sich nicht davor, zusätzlich zum regulären Kalender auf spektakulären Strecken rund um den Globus aufzuschlagen. Einige dieser Kurse etablierten sich später als veritable Grands Prix, doch einige blieben Exoten. Wir werfen einen Blick in die Geschichtsbücher...
Pau-Grand-Prix: Am Rande der französischen Pyrenäen entstand vor dem Zweiten Weltkrieg ein Rennen, das in den Fünfziger- und Sechzigerjahren von der Formel 1 angesteuert wurde. Die Kulisse des klaustrophobisch-engen Stadtparcours erinnert an Monaco ohne Mittelmeer, der wellige Asphalt an Rallye. Heute ist Pau als Nachwuchsevent bekannt.
Glover Trophy: An der englischen Südküste, wo heute das Showevent Goodwood Festival of Speed stattfindet, gab es bis 1965 ein "echtes" Rennen. Stirling Moss hätte es beinahe das Leben gekostet, als er 1962 nach einem schweren Unfall wochenlang im Koma lag. Für die britische Rennlegende bedeutete der Crash das Karriereende.
Kanonloppet: Der Schweden-Grand-Prix in Anderstorp war nicht das einzige Formel-1-Rennen des Landes. Schon von 1961 bis 1967 röhrten die Motoren unweit der Ortschaft Karlskoga im Herzen Schwedens (im Bild die Formel 2). Der veranstaltende Motorsport-Klub ging später pleite. Das Event ist Geschichte, die Strecke wird aber noch genutzt.
Formula One Indoor Trophy: Im Rahmen der Bologna Motor Show wurde zwischen 1988 und 1996 ein Spritrennen ähnlich dem Race of Champions ausgetragen (Bild von 2002). In aktuellen Boliden maßen sich Stars auf einem mit Reifenstapeln abgesteckten Parkplatzparcours. Kleiner Etikettenschwindel: Alles fand unter freiem Himmel statt.
Solituderennen: Benannt nach einem Rokoko-Schloss im Westen Stuttgarts führte die Rennstrecke über Bundesstraßen durch das Mahdental und lockte von 1961 bis 1964 alle Größen der Szene ins Schwabenland. Heute tobt nur noch der Straßenverkehr. Der Parcours wird aber noch sporadisch für Oldtimer-Events gesperrt.
Dänemark-Grand-Prix: 1961 und 1962 fuhr die Formel 1 im 50.000-Seelen-Städtchen Roskilde vor den Toren Kopenhagens. Was früher ein überhöhtes Oval mit Schotter-Boxengasse und Amphitheater-Kulisse sowie und die erste permanente Rennstrecke des Landes war, ist heute Naherholungsgebiet. Der Kontrollturm der Rennleitung fungiert als Hotel.
Siracusa-Grand-Prix: Von 1951 bis 1967 gastierte die Königsklasse auf Sizilien. Der Stadtkurs erinnerte an die der Targa Florio, die Sicherheitsvorkehrungen waren aus heutiger Sicht ein Witz. Die Zuschauer wurden von einem einen Meter hohen Mäuerchen geschützt, an vielen Straßenrändern standen lediglich einige Strohballen.
Mittelmeer-Grand-Prix: Von 1962 bis 1965 ging es ebenfalls auf Sizilien zur Sache - und zwar in Pergusa. Die Bahn, die noch heute besteht und für kleinere Tourenwagen- und GT-Veranstaltungen genutzt wird, führt rund um den einzigen See der Insel. Bekannt war sie für viel Staub und Dreck, was die Angelegenheit zur Schlitterpartie machte.
Neuseeland-Grand-Prix: Das Rennen, das mittlerweile Teil einer Nachwuchsserie ist, fand ab 1954 als Teil der Formula Libre respektive der Tasman-Serie mit Regeln ähnlich denen der Formel 1 und unter Beteiligung ihrer Piloten statt. Schauplätze waren Armeeflugfelder und eine Pferderennbahn, die heute permanente Rennstrecke ist.
Eläintarhanajot: Hinter dem unaussprechlichen Namen, der auf Suomi so viel wie "Zoo" bedeutet, verbirgt sich der Finnland-Grand-Prix, der 1952 und 1953 als inoffizieller Teil der Formel-1-WM ausgetragen wurde. Schluss mit Motorsport in einem Park in Helsinki war 1963 - aus Sicherheitsgründen.
Eine mörderische Hetzjagd auf Sizilien, ein schwäbisches Rokoko-Schloss und ein "Indoor"-Etikettenschwindel