Das Formel-1-Rennen in Sotschi: Der Startcrash aus neuer Perspektive sowie das dramatische Duell um den Sieg
"Hat 'ne Weile gedauert, huh?" Im 81. Grand Prix seiner Karriere feiert Valtteri Bottas seinen ersten Sieg in der Formel 1. Landsmann Mika Häkkinen hat 96 Anläufe gebraucht - und wurde danach zweimal Weltmeister. Sebastian Vettel, knapp geschlagen, gratuliert neidlos: "Valtteri war der Mann des Rennens!"
Schließlich ist Sotschi für Ferrari ein gutes Pflaster. Nach bis dahin dominanten Trainingsleistungen sichert sich die Scuderia ihre erste Doppel-Pole seit Magny-Cours 2008 (Kimi Räikkönen und Felipe Massa). Dass es Vettel macht und nicht Räikkönen, entscheidet sich durch einen Fehler des "Iceman" in der letzten Kurve.
Bild mit Symbolkraft: Marschiert Fernando Alonso gedanklich schon nach Indianapolis? Oder gar zu einem anderen Formel-1-Team? Die Gerüchte reißen nicht ab. Beim Grand Prix von Russland rollt sein McLaren-Honda jedenfalls schon in der Aufwärmrunde aus, weil das Hybridsystem den Geist aufgibt. Ein neuer Tiefpunkt.
Dann der Start: Vettel kommt okay weg, Bottas aber saugt sich im Windschatten an ihm vorbei, noch bevor das Feld in Kurve 2 einlenkt. Dahinter hat Lewis Hamilton seine Nase kurz vor Räikkönen, muss aber zurückstecken. Und Max Verstappen verbessert sich vom siebten auf den fünften Platz.
Dahinter wird's eng: Romain Grosjean möchte sich innen an Jolyon Palmer vorbeipressen und regt sich lautstark auf, warum der Renault-Pilot nicht mehr Platz lässt. Dass Palmer aber wegen Pascal Wehrlein auf der Außenbahn gar nicht anders kann, als nach innen zu ziehen, sieht Grosjean nicht.
Es kommt, wie es kommen muss. "Hier gibt's keinen Schuldigen. Ein typischer Rennunfall", analysiert Experte Marc Surer. Die Rennleitung sieht's ähnlich und verteilt keine Strafen. Im Chaos der ersten Runde dreht sich auch noch Rookie Lance Stroll ohne Fremdverschulden. Bis zur vierten Runde muss das Safety-Car auf die Strecke.
Gleich nach dem Restart (den Bottas souverän gewinnt) Alarm bei Daniel Ricciardo: Der Red-Bull-Pilot hat schon zu Beginn sein Duell gegen Felipe Massa verloren und liegt ohnehin nur noch an siebter Stelle, als er im Rückspiegel zufällig sieht, dass seine rechte Hinterradbremse brennt. Zweiter Ausfall im vierten Rennen, WM-Titel ade!
Indes fährt Bottas - entgegen aller Longrun-Prognosen - dem Vettel-Ferrari auf und davon. Ob es am Reifen-Blistering liegt, das Vettel ab Runde 18 meldet? Eher nicht. In Runde 21 beträgt der Abstand 5,5 Sekunden. Als Bottas in Runde 27 an die Box kommt, sind es nur noch 3,2.
Hamilton liegt da schon 13,6 Sekunden zurück auf P4, 5,2 Sekunden hinter Räikkönen. Es ist ein einsames Rennen - mit Problemen: "Something wrong with the car", meldet er schon in der achten Runde. Der Mercedes überhitzt. Erst in Runde 23 Entwarnung: "Lewis, die Temperaturen beginnen zu sinken."
In Runde 33 täuscht Ferrari erstmals einen Boxenstopp an, erst in Runde 34 wechselt Vettel wirklich von Ultra- auf Supersoft. Vettel steht 3,4 Sekunden (zu lang) und kommt 4,7 Sekunden hinter Bottas wieder auf die Strecke. Mit Reifen, die um sieben Runden frischer sind. Jetzt kann die Aufholjagd beginnen!
Erst in der 40. Runde wechselt Nico Hülkenberg, im Qualifying guter Achter, die Reifen. Weil kurz nach ihm Massa einen schleichenden Platten hat und noch einmal an die Box muss, wird es der achte statt neunte Platz. Aber gegen sein Ex-Team Force India mit Mercedes-Power hat der Deutsche im Renntrimm keine Chance.
Die Entscheidung: In der vorletzten Runde zoomt sich Vettel in die DRS-Sekunde, in der letzten Runde hat er seine letzte Chance. Aber während Bottas schnell an Massa vorbeikommt, der gerade mit Hülkenberg um P8 fightet, wird Vettel aufgehalten. "Was soll das?", tobt der Ferrari-Fahrer in der ersten Emotion.
Massa kontert schlagfertig: "Sebastian hat am Funk geschimpft? Das ist ja mal ganz was Neues!" Aber Vettel schiebt seinen Wutausbruch auf die angespannte Situation und sieht das Thema nach dem Rennen viel entspannter. Außerdem: Irgendwie passend, dass ausgerechnet Ex-Teamkollege Massa Bottas zum ersten Sieg verhilft ...
Was keiner ahnt: In der Mercedes-Box spielt sich ein Drama ab, weil die Dateningenieure aus dem fernen Brackley funken, man möge Bottas' Motor keinesfalls weiter hochdrehen. Niki Lauda will auf diesen Rat pfeifen, Toto Wolff beherzigt ihn. Und freut sich umso mehr, dass es auch ohne Zusatz-PS reicht!
Für einen Finnen freut sich Bottas fast schon emotional über seinen ersten Sieg. Es ist ein geschichtsträchtiger: Erst vier Finnen und vier Silberpfeil-Werksfahrer haben vor ihm in der Formel 1 gewonnen. Der Name Bottas steht in einer Reihe mit Legenden wie Fangio, Moss oder Hamilton. Und in der WM hat er nur noch 23 Punkte Rückstand.
Das Formel-1-Rennen in Sotschi: Der Startcrash aus neuer Perspektive sowie das dramatische Duell um den Sieg