Die Highlights aus zwölf China-Grands-Prix: Der letzte Sieg einer Legende, eine verspielte WM-Chance und die Wiedergeburt der Silberpfeile
Willkommen im Reich der Mitte! 2004 gastiert die Formel 1 erstmals in China - sehr zur Freude der Automobilhersteller, die das Millionengeschäft wittern, eine Milliarde Chinesen vom Fahrrad runterzuholen und ins Auto zu setzen. Und die kommunistische Regierung lässt sich nicht lumpen, investiert umgerechnet 400 Millionen Euro in die bis heute gigantischste Rennstrecke der Welt.
Angelegt in Form des chinesischen Schriftzeichens "Schang", das so viel bedeutet wie "hoch" oder "Aufstieg", zählt die Strecke trotz Besonderheiten wie einer Kurve in Schneckenform, einem überhöhten Rechtsbogen und einer extrem langen Geraden nicht zu den Favoriten unter den Fahrern. Trotz der luxuriösen Häuschen für die Teams.
Premierensieger im Jahr 2004: Rubens Barrichello (Ferrari) vor Jenson Button (BAR), der trotz eines Boxenstopps weniger am Ende den Kürzeren zieht, und Kimi Räikkönen (McLaren).
Jacques Villeneuve (Renault) verliert bei seinem Formel-1-Comeback das Duell gegen Michael Schumacher (Ferrari), der aber noch einmal an die Box kommen muss und am Ende leer ausgeht. Verloren hatte Schumacher den Grand Prix aber schon vor dem Start: Dreher im Einzelzeitfahr-Qualifying, Motorwechsel über Nacht, Start aus der Boxengasse. Am Ende wird er 2004 Zwölfter.
Auch 2005 scheint Schanghai kein gutes Pflaster für den siebenmaligen Champion zu sein: Nach einer Kollision mit Minardi-Pilot Christijan Albers in der Runde auf die Startaufstellung muss er in den Ersatz-Ferrari wechseln. Mit dem dreht er sich dann im Rennen ins Aus - während einer Safety-Car-Phase.
Währenddessen krönt Fernando Alonso eine fast perfekte Renault-Saison beim WM-Finale und sichert seinem Team mit dem siebten Saisonsieg den Konstrukteurstitel gegen McLaren. Als Fahrer-Weltmeister ist der Spanier ohnehin schon festgestanden.
Erst 2006 macht Michael Schumacher seinen Frieden mit Schanghai: Trotz seiner unterlegenen Bridgestone-Reifen rollt er vom sechsten Startplatz das Feld auf (sicherlich auch dank des zeitweiligen Regens), profitiert von einem schlechten Reifensatz bei Fernando Alonso und fightet mit Giancarlo Fisichella auch noch den zweiten Renault-Piloten nieder.
Es ist sein 91. Sieg in der Formel 1 - und sein letzter. Und er übernimmt auch ein letztes Mal die Führung in der Weltmeisterschaft. Für Titel Nummer acht sollte es am Ende jedoch nicht reichen.
2007 kann Lewis Hamilton mit einem Sieg die Weltmeisterschaft entscheiden, und tatsächlich führt er den Grand Prix in der Anfangsphase an. Aber nach einem zwischenzeitlichen Regenguss holt ihn das Team zu spät an die Box, sodass er seine Intermediates bis auf die Karkasse runterfährt - und die Mission Titelgewinn im Kiesbett der Boxeneinfahrt endet. Hamilton selbst steckt das relativ cool weg, sein Renningenieur hingegen vergießt am Kommandostand Tränen. Somit haben McLaren-Teamkollege Fernando Alonso (vier Punkte Rückstand) und Kimi Räikkönen (Ferrari) zumindest noch rechnerische Chancen auf die Weltmeisterschaft.
Im gleichen Rennen geht ein neuer Stern auf: Toro-Rosso-Junior Sebastian Vettel demonstriert erneut sein eindrucksvolles Talent und fährt in seinem siebten Formel-1-Rennen zum zweiten Mal in die Punkte. Der sensationelle vierte Platz wird frenetisch gefeiert.
Während Lewis Hamilton (McLaren) 2008 mit einem Sieg den vorentscheidenden Schritt in Richtung WM-Titel und damit die Schmach von 2007 vergessen macht, sorgt eine Stallorder bei Ferrari für Zündstoff: Kimi Räikkönen überlässt Felipe Massa den zweiten Platz. Am Endergebnis im Titelkampf ändert das nichts mehr.
Nach Toro Rosso (in Monza 2008) "entjungfert" Sebastian Vettel 2009 in Schanghai auch das zweite Red-Bull-Team - und das trotz einer Schrecksekunde, als ihm ausgerechnet Toro-Rosso-Junior Sebastien Buemi während einer Safety-Car-Phase in dem chaotischen Regenrennen hinten auffährt.
Am Ende wird es sogar ein Doppelsieg vor Teamkollege Mark Webber. Erstmals im Jahr 2009 ist die Brawn-Übermacht gebrochen - auch wenn es am Ende für Red Bull nicht zum Titelgewinn reichen sollte.
Der Grand Prix von China 2010 geht als eines der turbulentesten Rennen in die Formel-1-Geschichte ein. Fernando Alonso (Ferrari) geht am Start in Führung, kassiert für zu frühes Losfahren aber eine Strafe. Auch danach verläuft das Rennen chaotisch - manche wechseln die Reifen, andere nicht.
In der Folge führt Jenson Button (McLaren) eine Vierergruppe an, die 40 Sekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes hat. Mittendrin auch Nico Rosberg (Mercedes). Aber als das Safety-Car das Feld wieder zusammenschiebt, kommt es zum Showdown zwischen Button und Teamkollege Lewis Hamilton, den Button letztendlich gewinnt. Der Begriff des "Reifenflüsterers" macht erstmals die Runde.
2011 versucht Sebastian Vettel (Red Bull), mit zwei Boxenstopps über die Runden zu kommen, doch da machen ihm die Pirelli-Reifen einen Strich durch die Rechnung. So gewinnt Lewis Hamilton (McLaren) mit frischeren Pneus den Grand Prix - dank eines Überholmanövers an einer Stelle, an der noch nie zuvor jemand überholt hat.
Ein weiterer Held des Rennens ist Mark Webber (Red Bull): Er setzt mit drei Boxenstopps auf die richtige Strategie und kämpft sich nach einem verkorksten Qualifying vom 18. auf den dritten Platz nach vorne.
Endlich Nico Rosberg, endlich Mercedes: Im 111. Anlauf gewinnt der Deutsche in Schanghai 2012 seinen ersten Grand Prix, nachdem er das Rennen schon 2010 und 2011 angeführt hat. Für ein Silberpfeil-Werksteam ist es der erste Sieg seit Monza 1955. Und es hätte sogar ein Doppelsieg werden können, wenn nicht Michael Schumacher in der 13. Runde mit einem losen Rad nach einem verunglückten Boxenstopp ausgeschieden wäre.
Mit dem 31. Sieg seiner Karriere zieht Fernando Alonso (Ferrari) 2013 in der ewigen Bestenliste der Formel 1 mit Nigel Mansell gleich. Auch, weil Polesetter Lewis Hamilton (Mercedes) im Rennen einmal mehr mit abbauenden Reifen zu kämpfen hat und Sebastian Vettels (Red Bull) Aufholjagd vom neunten Startplatz wegen des schlechten Topspeeds auf Rang vier endet.
2014 erlebt Sebastian Vettel in Schanghai eine Schmach. Auf Anweisung des Teams muss der viermalige Weltmeister seinen jungen Teamkollegen Daniel Ricciardo überholen lassen. Ein deutliches Zeichen für den Deutschen, dass er keinen Nummer-1-Bonus hat. Am Ende des Jahres verlässt er das Team in Richtung Ferrari.
2015 wird es kurios: Nico Rosberg beschwert sich per Funk, dass Teamkollege und Spitzenreiter Lewis Hamilton zu langsam(!) fährt. Der Deutsche, der allerdings trotzdem nicht angreift, vermutet, dass Hamilton ihn bewusst einbremst. Durch den ungewöhliche Funkspruch handelt sich die ohnehin in der Kritik stehende Formel 1 eine Menge Hohn und Spott ein.
Die Highlights aus zwölf China-Grands-Prix: Der letzte Sieg einer Legende, eine verspielte WM-Chance und die Wiedergeburt der Silberpfeile