Nicht drin, was draufsteht: Seit 1960 kratzen Formel-1-Teams die Logos der Motoren-Hersteller ab und benennen sie um
Offiziell fahren Red Bull und Toro Rosso 2022 mit RBPT-Motoren. Das steht für Red Bull Powertrains, die neue Motorenabteilung der Bullen. Neu ist aber nur der Name, in Wahrheit stecken auch weiterhin die alten Honda-Antriebe in den Autos. Unsere Fotostrecke beweist: Kein Einzelfall in der Königsklasse ...
TAG: Die Schweizer sind von 1983 bis 1987 Namensgeber für die Porsche-Motoren bei McLaren - und extrem erfolgreich. Weil die Zuffenhausener damals nicht bereit sind, das Risiko einer sportlichen Blamage auf sich zu nehmen, springt der Mansour Ojjeh (Teilhaber bei McLaren und der TAG-Gruppe) ein und drückt dem Turboaggregat seinen Stempel auf. Pech für Porsche: Niki Lauda und Alain Prost holen zwischen 1984 und 1986 drei WM-Titel in Serie. Dazu gibt es 25 Siege in 68 Rennen. Keine Mogelpackung ist erfolgreicher.
Ein "Comeback" gibt es später noch einmal von 2016 bis 2018. Weil die Partnerschaft mit Renault zerrüttet ist, geht Red Bull drei Jahre lang mit TAG-Heuer-Power an den Start. Danach wechseln die Bullen zu Honda. Immerhin: In den drei Saisons, in denen der Renault-Hydrid als TAG Heuer getarnt wird, feiert Red Bull neun Siege und eine Vizeweltmeisterschaft.
Fondmetal: Der italienische Alufelgenhersteller wird in der Saison 2000 aus heiterem Himmel der Motorenpartner Minardis. Weil der umtriebige Unternehmensboss Gabriele Rumi sich zuvor beim Hinterbänkler eingekauft hat, verpasst er dem Zetec-R-Zehnzylinder von Ford "seinen" Namen. Besser macht das die schwachbrüstigen und extrem übergewichtigen Triebwerke auch nicht - und Fondmetal ist nach 17 Grands Prix wieder nur noch Alufelgenhersteller.
European: Nachdem Rumi bei Minardi wegen eines Krebsleidens aussteigt, braucht Retter Paul Stoddart unbedingt einen Motor: Er schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, als er den Ford-V10 weiter verwendet und ihm die Logos seines eigenen Charterfliegers verpasst. Zu Höhenflügen verhilft die Umbenennung nicht. Obwohl Fernando Alonso in seinem Debütjahr für den einen oder anderen Akzent sorgt, verabschiedet sich auch European nach einem Jahr des Hinterherfahrens.
Petronas: Heute wegen der Mercedes-Partnerschaft in aller Munde, sind die Malaysier von 1997 bis 2005 bei Sauber im Heck. Oder besser gesagt: Ihr Schriftzug steht 151 Rennen lang auf der Abdeckung, Denn in den Autos der Schweizer rattern stets Ferrari-Kundenmotoren, denen der Name des Sponsors aufgedrückt wird - bis BMW werksseitig in Hinwil einsteigt. Sauber landet in der Petronas-Ära mit Rang vier in der Konstrukteurs-WM in der Saison 2001 den größten Erfolg der Teamgeschichte.
Asiatech: Klingt nach Japan, ist aber abgesehen von Investoren aus Fernost mehrheitlich ein französisches Projekt. Hinter dem Namen Asiatech verbirgt sich in den Jahren 2001 und 2002 ein Versuch der Motorenfirma AMT, ein Formel-1-Team mit asiatischer Philosophie aufzubauen - der später sogar die Präsentation eines Windkanalmodells erlebt. Die Gründer kaufen der Prost-Mannschaft Vorjahresmotoren von Peugeot ab und stellen sie Arrows kostenlos zur Verfügung. Die Mannschaft hätte dem geschenkten Gaul besser ins Maul geschaut, denn die Triebwerke sind öfter defekt als auf Drehzahl. Folge: Zwölf Monate später wechselt Arrows zu Cosworth. Minardi erbt in der Saison 2002 den Deal, erleidet aber genauso Schiffbruch. Sayonara!
Castellotti: Quasi der Erfinder der Motoren-Mogelpackung, aber mit besonderem Clou. Castellotti ist kein Unternehmen, sondern geht auf den Namens des Rennfahrers Eugenio Castellotti (links im Bild) zurück, der zwischen 1955 und 1957 in der Formel 1 aktiv ist. Nach seinem Unfalltod formiert sich ein Privatteam aus seinen Freunden, das mit einem Cooper-Chassis und einem Ferrari-Motor antritt. Es nennt sich Scuderia Eugenio Castellotti und verpasst auch dem Triebwerk den Namen des verstorbenen Kompagnons. Obwohl drei WM-Punkte bei nur vier Grands Prix keine schlechte Ausbeute sind, wird die Sache zur Tragödie. Pilot Giulio Cabianca kommt in einem Castellotti bei einem Testunfall in Modena ums Leben - genau an der Stelle, wo schon der Namensgeber seines ließ.
Megatron: Hinter dem Namen verbergen sich BMW-Turbomotoren - oder besser gesagt die Notlösung, die Arrows nach dem Rückzug der Münchener 1987 ansteuert. Den Namen leiht sich die Mannschaft bei einer Tochterfirma des Hauptsponsors, der Versicherungsgesellschaft USF&G. Die Triebwerke kauft das Team mit dessen Geld und lässt durch den frühen Rennmechaniker Jo Sifferts die 1982 konstruierten Motoren warten. Ligier springt auf den Zug auf und setzte ebenfalls Megatron ein. Die nächste Saugmotoren-Ära ab 1989 macht der Sache nach zwei Jahren den Gar aus - nachdem Eddie Cheever beim Italien-Grand-Prix 1988 sogar auf das Podium gefahren war.
Acer: Nein, die Prost-Mannschaft stöpselt 2001 nicht den Laptop an ihre Gurkenkiste namens Formel-1-Rennwagen. Vielmehr wirft Teamchef Alain Prost mit der Hilfe des damaligen Ferrari-Rennleiters Jean Todt nach dem werksseitigen Rückzug Peugeots und einiger großer Sponsoren den Rettungsanker, als er seine Ferrari-Kundenmotoren mit den Logos des taiwanischen Computerunternehmens ausstattet. Vor dem Untergang bewahrt der Deal die Truppe nicht: Zum Saisonende erdrückt Prost die Schuldenlast und auch bei Acer poppt nach 17 Rennen ein Bluescreen auf.
Playlife, Mecachrome und Supertec: Spötter durften nicht ganz zu Unrecht behaupten, dass sich Formel-1-Chefmacho Flavio Briatore kaum einen passenderen Namen als Playlife hätte aussuchen dürfen, um 1998 und 1999 seine Motoren bei Benetton zu branden. Schon die Originale sind geleaste Uralt-Aggregate von Renault beziehungsweise Mecachrome (entwickelte die V10-Motoren als Zulieferer weiter), die unter dem Supertec-Label vorbereitet wurden - auch dieses Unternehmen gehörte Briatore. Hinter Playlife verbirgt sich eine neue Benetton-Marke für Freizeitmode.
Playlife, Mecachrome und Supertec: Williams und BAR nutzen 1998 und 1999 respektive nur 1999 ebenfalls die Renault-Hinterlassenschaft und zahlten dafür an Briatore. Williams verwendet zu Beginn allerdings den Namen des kanadisch-französischen Subunternehmers Mecachrome. Klingt kompliziert, ist aber schlicht und ergreifend ein Desaster: Die Briten steigen vom Weltmeisterteam zum Mitläufer ab, BAR kommt auf keinen grünen Zweig. Arrows greift 2000 nochmals auf Supertec zurück. Nach insgesamt 114 Rennen - aufgeteilt auf vier Teams und drei Jahre - stehen für Playlife/Mecachrome/Supertec aber immerhin zwölf Podiumsplätze zu Buche.
Osella: Nach der Übernahme durch den FIAT-Konzern will Alfa Romeo 1988 mit dem eigenen Firmennamen in der Formel 1 nicht mehr präsent sein - zumal dem Autobauer aus Mailand klar wird, dass er mit seinen in die Jahre gekommenen Turbo-V8 keinen Blumentopf gewinnen würde. Enzo Osella, der die Triebwerke für seine Mannschaft bis dato eingekauft hatte, darf sie zwar weiterverwenden, muss aber neue Sticker anbringen. Nicola Larini leidet als einziger Pilot der Truppe und qualifiziert sich für fünf Rennen erst gar nicht. Anschließend wechselt Osella zu Cosworth.
Nicht drin, was draufsteht: Seit 1960 kratzen Formel-1-Teams die Logos der Motoren-Hersteller ab und benennen sie um