Das war das Formel-1-Rennen in Melbourne 2016: Horrorcrash von Alonso, Wutausbruch von Verstappen und Sieg Rosberg
Qualifying-Fiasko, dramatisches Rennen, jede Menge Action - und am Ende wieder drei Fahrer auf dem Podium, die dort schon 2015 Stammgäste waren: Der Grand Prix von Australien 2016 hatte einiges zu bieten.
Lewis Hamilton fährt am Freitag zweimal Bestzeit, aber das ist wegen Regens wenig aussagekräftig. Dass aber Nico Rosberg im zweiten Training eine seiner neuen Nasen crasht, ist nicht der Saisonauftakt, den sich der Deutsche vorstellt.
Das neue Qualifying-Format verkommt zum Fiasko: Hamilton holt Pole, steht aber beim Top-3-Foto allein da. Statt prickelnder Q3-Spannung gibt es ein Finish, in dem minutenlang gar nichts passiert. Damon Hill liefert den Satz des Tages: "Lewis hätte genug Zeit gehabt, selbst die karierte Flagge zu schwenken."
Start ins erste Rennen 2016: Sebastian Vettel kommt am besten weg, Hamilton am schlechtesten - und ganz hinten schiebt sich Rookie Pascal Wehrlein sensationell vom 21. auf den 14. Platz!
Für beide Silberpfeile wird die erste Kurve zu eng: "Nico ran me off the track", flucht Hamilton, der sich den Flügel beschädigt, abbremsen muss und auf Platz sechs zurückfällt. Kimi Räikkönen nutzt die Gunst des Augenblicks: Ferrari-Doppelführung! Was Mercedes-Sportchef Toto Wolff schon vorher geahnt hat: "Wir haben ein Kupplungsthema."
Für Kevin Magnussen ist der Comeback-Grand-Prix nach ein paar hundert Metern so gut wie vorbei: Reifenschaden links vorn, vermutlich ohne Fremdeinwirkung. Die Safety-Car-Phase ist seine zweite Chance, für Punkte reicht's trotzdem nicht - weil der bananengelbe Renault dafür einfach nicht schnell genug ist.
Daniil Kwjat kann das Rennen gar nicht erst aufnehmen, bleibt nach der ersten Aufwärmrunde stehen und verursacht einen Startabbruch. Übeltäter ist eine elektrische Komponente im Renault-, pardon, TAG-Heuer-Motor.
Es dauert bis in die vierte Runde, ehe Hamilton am Williams von Felipe Massa vorbeikommt. Leader Vettel hat den Weltmeister zu diesem Zeitpunkt schon um 7,1 Sekunden abgehängt.
Hinter Max Verstappen ist aber auch schon Endstation: Hamilton beißt sich mit 2016er-Mercedes-Power am 2015er-Ferrari-Antrieb im überraschend starken Toro Rosso die Zähne aus. Was seine Strategen zur Entscheidung veranlasst: Ruhe bewahren, ersten Stint möglichst lang machen, dann mit Medium bis ins Ziel durchfahren.
In der zehnten Runde haben die australischen Fans erstmals Grund zum Jubeln: "Local Hero" Daniel Ricciardo schnappt sich Massa und übernimmt aus eigener Kraft den sechsten Platz im Rennen.
Auch weiter hinten gibt's tolle Rad-an-Rad-Action: Valtteri Bottas knöpft Renault-Rookie Jolyon Palmer den elften Platz ab, muss sich dafür aber mächtig anstrengen und braucht zwei Kurven. Palmer ist eine der kämpferischen Erscheinungen, schrammt jedoch am Ende um 6,6 Sekunden an einem WM-Punkt vorbei.
Rosberg hat, an dritter Stelle liegend, 3,9 Sekunden Rückstand auf Leader Vettel, als er in der zwölften Runde an die Box kommt. Und zeigt in der ersten Kurve nach dem Rausfahren die nötige Entschlossenheit, als er gegen Nico Hülkenberg nicht locker lässt. Das Überholen des Force India hätte sonst rennentscheidende Sekunden kosten können.
Nur eine Runde später wechselt Vettel die Reifen, und dass der Ferrari-Pilot zwei Zehntelsekunden weniger an der Box verliert, rettet ihn gegen den versuchten Rosberg-Undercut. Vettel bleibt auf Supersoft, Rosberg ist jetzt auf Medium unterwegs - weswegen der Abstand natürlich relativ schnell anwächst.
Vettel hat 2,5 Sekunden Vorsprung auf Rosberg, als er sich in der 16. Runde Hamilton (noch nicht gestoppt) greift. Leader Räikkönen will wegen abbauender Vorderreifen an die Box, darf aber nicht. Und Hamilton nutzt die letzten Meter vor seinem eigenen Boxenstopp, um Teamkollege Rosberg aufzuhalten. Die Psychospielchen gehen weiter, ...
... ebenso wie die Pechsträhne von Fernando Alonso: Kollision mit Haas-Fahrer Esteban Gutierrez, Überschlag bei Kurve 3. "Ich habe nur den Sicherheitsmaßnahmen der FIA zu verdanken, dass ich noch am Leben bin", sagt er. Besonders schön: Zwischen den beiden gibt es hinterher keine Diskussionen, sondern eine Umarmung.
Während der Rennunterbrechung wechselt Hamilton den beschädigten Frontflügel. Nach dem Neustart gibt zunächst Vettel auf Supersoft den Ton an. Er fährt Rosberg auf über vier Sekunden davon, doch dann beginnt der Abstand wieder zu schrumpfen - weil die weicheren Reifen früher abbauen als Rosbergs Medium-Pirellis.
Die Pechsträhne des "Iceman" geht weiter: Räikkönen, schon 2015 nicht vom Glück verfolgt, bleibt zwar trotz qualmendem Hecks und Airbox-Feuer cool, scheidet aber mit Motorschaden in der 22. Runde aus. Zu dem Zeitpunkt hat er, hinter Rosberg an dritter Stelle liegend, nur 3,4 Sekunden Rückstand auf seinen führenden Teamkollegen.
Wieder Teamkollegen-Zoff bei Toro Rosso: Carlos Sainz macht nicht Platz, als Verstappen von hinten zu drücken beginnt. Die Verstappen-Crew hatte zuvor den Reifenwechsel verpatzt. Der junge Niederländer dann, sauer: "Wie oft habe ich gesagt, dass ich Probleme mit den Reifen habe? Ich wollte zuerst an die Box kommen!"
Als Sainz endlich an Palmer vorbei ist, bezeichnet es Verstappen als "Witz", dass er nicht vorbeigelassen wird. In der 53. von 57 Runden verbremst sich Sainz in der vorletzten Kurve. Verstappen nimmt die Einladung an - dreht sich aber nach leichter Berührung selbst. Bezeichnend: Die 5,7 Sekunden Rückstand vernichtet er binnen drei Runden!
Klemmendes Rad rechts vorne, 5,6 Sekunden Standzeit für den Wechsel von Supersoft auf Soft in der 35. Runde: Das hat Ferrari schon mal schneller hinbekommen! Die zwei Sekunden sind nicht rennentscheidend. Aber die aggressive Strategie mit einem zusätzlichen Boxenstopp geht im Nachhinein betrachtet nicht auf.
Lokalmatador Ricciardo muss zwar erst Hamilton durchlassen, dreht nach dem Wechsel auf Supersoft aber groß auf, überholt unter frenetischem Jubel vor der Haupttribüne Massa und wird am Ende Vierter - mit schnellster Rennrunde, um fast eine Sekunde!
Hamilton kämpft im Finish mit Reifen-Handicap gegen den von hinten drängenden Vettel um Platz zwei. Ein Verbremser des Weltmeisters bringt Vettel in die DRS-Sekunde, der wirft seine Chance aber mit einem Ausritt in der 55. Runde weg. "Sorry, Jungs", entschuldigt er sich - und tröstet sich immerhin mit dem Podium.
"Das ist wie ein Sieg für uns", jubelt Romain Grosjean über Platz sechs in seinem ersten Antreten für das neue Haas-Team. Hinter ihm fahren Hülkenberg und Bottas über die Ziellinie.
Und Rookie Wehrlein bedauert, dass nach seiner furiosen Anfangsphase die Reifen am Manor schneller abbauen als bei der Konkurrenz. Am Ende wird er doch nur 16. - und damit letzter gewerteter Fahrer.
Der Sieg freilich ist Rosberg nicht mehr zu nehmen. Es ist sein vierter hintereinander, der 15. insgesamt. In der ewigen Bestenliste der Formel 1 zieht er mit Jenson Button gleich - und übernimmt erstmals seit September 2014 wieder die WM-Führung.
Das war das Formel-1-Rennen in Melbourne 2016: Horrorcrash von Alonso, Wutausbruch von Verstappen und Sieg Rosberg