Ein kurzes Vergnügen mit schwindelerregenden Topspeeds, Grillgeruch und erstaunlich wenig Benzinverbrauch
Kaum ein Rennen im Formel-1-Kalender wird dem Begriff Klassiker so gerecht wie der Italien-Grand-Prix. In Monza trifft Tradition auf Tifosi, wenn die Boliden in einem roten Fahnenmeer mit rekordverdächtigen Geschwindigkeiten über die Highspeed-Bahn in der Lombardei krachen.
Die Tempohatz ist ein echter Dauerbrenner: Nicht nur ist Italien seit der Premieren-Saison 1950 ununterbrochen Teil des Kalenders, sondern weist mit Ausnahme von 1980 (das Rennen wurde aufgrund von Renovierungsarbeiten nach Imola verliehen) immer Monza als Austragungsort aus.
Das Autodromo Nazionale ist neben dem Königlichen Park, der es beherbergt, das Wahrzeichen der 120.000-Einwohner-Stadt vor den Toren Mailands. Berühmteste Motorsport-Sohn der Gemeinde ist Bruchpilot Vittorio Brambilla, der ein Formel-1-Rennen gewann - und auf der Ziellinie crashte.
Kulinarisch wie sportlich zählt Monza zu den Klassikern, die nicht jedermanns Geschmack sind: Milanesische Küche, darunter das namengleiche Safran-Risotto, ein Eintopf aus Wirsing und Schweineinnereien sowie Kuttelsuppe kommen auf den Tisch. Plus Pizza und Pasta versteht sich.
"Die Partys am Sonntagabend sind nicht allzu schlecht", kommentiert Nico Hülkenberg (Force India), der den italienischen Spätsommer mit Sonne satt, oft hohen Temperaturen und frenetischen Fans genießt. "Es summiert sich zu einem großartigen Rennen", schwärmt der Deutsche.
Apropos Fans: Ihre Loyalität gilt fast ausschließlich Ferrari. Das tut der Faszination aber keinen Abbruch. "Auf diesem grandiosen Podium zu stehen und über das Meer an Zuschauern zu blicken, muss eine der unglaublichsten Erfahrungen sein, die ein Sportler erleben kann", sagt Lewis Hamilton (Mercedes).
Carlos Sainz (Toro Rosso) erklärt, dass ihm der Geruch von Holzkohle in die Nase steigen würde, wenn er sich in der Nähe der Haupttribüne befindet: "Du kannst riechen, wie sie alle grillen!"
Früher gehörte die legendäre Steilkurve zur Formel-1-Variante, doch es wurden Bedenken wegen der Sicherheit laut. Heute sind es noch elf Richtungswechsel mit teils klingenden Namen. "Man denkt bei Monza oft an die Geraden, aber das stimmt nicht. Die großen, schnellen Kurven brauchen Präzision und Hingabe", sagt Jenson Button (McLaren).
Das moderne Monza ist 5,793 Kilometer lang und beginnt mit der Variante del Rettifilo, dann geht es in die Curva Grande und in die Varianta della Roggia, ehe die beiden Lesmo-Kurven folgen. Durch die Ascari-Schikane geht es auf die Gegengerade und mit einer 180-Grad-Wende in der Parabolica zurück auf Start und Ziel.
Dort schaffen die Formel-1-Hybride knapp 360 km/h Spitze, was in Zeiten der neuen Kurse in Mexiko und in Aserbaidschan kein Rekord mehr ist, aber noch immer für stockenden Atem sorgt. "Fantastisch", schwärmt Sainz. Klar ist: Motorpower ist auf dieser Strecke Trumpf.
Beim Setup setzen die Teams auf so wenig Abtrieb wie möglich, was den Sponsoren nicht schmecken dürfte. Ihre Schriftzüge sind auf den Flügeln kaum noch zu lesen. "Es ist immer wieder ein Genuss", findet Fernando Alonso (McLaren), "ein Auto mit so wenig Downforce zu fahren."
Bei Renn-Durchschnittsgeschwindigkeiten jenseits der 230 km/h ist Monza ein kurzes Vergnügen und zeitlich gesehen häufig das kürzeste Rennen des Jahres. Nichtsdestotrotz "bringt kaum ein Kurs das Auto und den Fahrer so sehr an seine Grenzen", weiß Nico Hülkenberg. "Ein Fehler beim Anbremsen kann schon höllisch Zeit kosten."
Mit 70 Prozent Vollgasanteil und mit 36 Schaltvorgängen auf der Runde bringt Monza das Material an seine Grenzen. Erstaunlich: Der Benzinverbrauch ist aufgrund der wenigen Beschleunigungs-Manöver eher gering. Der Reifenverschleiß gestaltet sich ebenfalls überschaubar.
Physisch gibt es zwar viel Gelegenheit, sich auszuruhen, aber auch Belastungsproben wie bis zu vier g Querbeschleunigung in der zweiten Lesmo-Kurve und drei Bremsmanöver mit mehr als 4 g. Pro Umlauf, versteht sich.
Die besten Überholmöglichkeiten präsentieren sich Ende der Start- und Zielgeraden sowie vor der Variante della Roggia, obwohl das DRS erst vor der Ascari-Schikane zum zweiten Mal aktiviert werden darf.
Ein kurzes Vergnügen mit schwindelerregenden Topspeeds, Grillgeruch und erstaunlich wenig Benzinverbrauch