Warum kanadisches Fast Food nichts für feine Gaumen ist und die Formel 1 die Strecke Montreals U-Bahn zu verdanken hat
Die sogenannte "Europa-Saison" der Formel 1 ist im vollen Gange, da unternimmt die Königsklasse einen Abstecher nach Nordamerika. Der Kanada-Grand-Prix ist ein Klassiker im Kalender und für spektakuläre Rennen bekannt - die Strecke in Montreal für eine knallharte Zuverlässigkeitsprobe, grausames Fast Food und eine verhängnisvolle Mauer.
Das als riesengroße Motorsport-Party bekannte Rennen findet im Herzen der 1,7-Millionen-Einwohner-Metropole Montreal statt. Sie liegt im Südwesten der französischssprachigen Provinz Quebec, und zwar auf einer Halbinsel zwischen dem Sankt-Lorenz-Strom und dem Fluss Ottawa. Die USA sind nur 50 Kilometer entfernt.
Daniel Ricciardo (Red Bull) hat eine Fast-Food-Spezialität erkundet, die jeden Starkoch und Ernährungscoach zum Strick greifen ließe: "Die Poutine ist so lecker!", sagt er über Pommes Frites mit Käsestückchen und Bratensauce, um sich dann noch als Gourmet outen zu wollen: "Die mit Hummer, die war etwas für Feinschmecker."
Nicht immer ging es an Ort und Stelle so zügig zur Sache: Bei den Olympischen Sommerspielen 1976 war die Ile Notre-Dame Austragungsort der Ruderwettbewerbe. Neun Jahre zuvor war sie für die Weltausstellung künstlich aufgeschüttet worden - mit Gestein, das beim Bau von Montreals U-Bahn gefördert wurde.
Da die nur 4,361 Kilometer lange Bahn eine Kombination aus Straßenkurs und permanenter Rennstrecke ist, fehlt es in vielen Bereichen an Auslaufzonen. Ergo steigen Unfallrisiko und Safety-Car-Wahrscheinlichkeit. Bisher rückte das Führungsfahrzeug in acht von zehn Rennen aus.
Fernando Alonso (McLaren) erklärt, wieso die High-Speed-Bahn in Kanada seit Jahren als Härtetest für die Zuverlässigkeit der Formel-1-Autos gilt: "Es geht rasend schnell von langsamen in schnelle Kurven, da lastet eine Menge Druck auf den Bremsen und auf dem Antrieb."
Weil die Teams in Kanada die Flügel sehr flach einstellen, fühlt sich Esteban Gutierrez (Haas) an Monza erinnert. Sebastian Vettel (Ferrari) findet sie "ziemlich old school" und Sergio Perez (Force India) stellt fest, dass "Mut belohnt und Fehler gnadenlos bestraft" würden: "Hier kann der Fahrer noch den Unterschied machen.
"Der Soft-Reifen ist hier kaum auf Temperatur zu bringen", klagt Carlos Sainz (Toro Rosso). Auch vor Pirellis Ultrasoft-Pneus, die zum zweiten Mal zum Einsatz kommen, graust es vielen Piloten. Denn Montreals Asphalt ist sehr glatt und macht es kompliziert, die Gummis aufzuwärmen.
Mit einem Spritverbrauch von rund 1,8 Kilo pro Runde wird in Montreal so viel Benzin verbraucht wie auf keiner anderen Bahn. Viermal wird bei einem Umlauf die 300-km/h-Marke geknackt. Pro Runde werden 56 Mal die Gänge gewechselt, pro Rennen zeichnet die Telemetrie 3920 Schaltvorgänge auf.
Vorteil der vielen harten Bremspunkte, bei denen mit bis zu 5,6 g, mit einem Pedaldruck von 171 Kilogramm und 2481 kW Bremsleitung verzögert wird: Es lässt sich gut überholen, auch dank des insbesondere auf der Gegengeraden extrem effizienten DR-Systems. Manche sagen sogar: "Zu einfach!"
Die seit 2014 im Einsatz befindlichen Hybridautos machen die Sache mit den Bremsen noch kniffliger: "Man muss Sprit sparen. Das verändert das Bremsen und die Bremstemperaturen", sagt Jenson Button (McLaren). "Richtig schwierig wird es im Qualifying, wenn man ans Limit geht."
Daniil Kwjat (Toro Rosso) bereitet sich darauf vor, mächtig durchgeschüttelt zu werden: "Auf dieser Strecke springst du nur von Randstein zu Randstein. Sie sind hoch und es gibt viele." So schlimm sei es nicht, findet Nico Rosberg (Mercedes): "Körperlich ist es nicht so hart, weil es viele Geraden gibt, um sich auszuruhen."
Der Brite, der 2011 ein vier Stunden und vier Minuten langes Chaosrennen mit Wetterkapriolen gewann, liebt die Strecke für "umwerfenden Motorsport" und sagt: "Wenn man heil und ohne einen Kratzer an der 'Wall of Champions' vorbeikommt, dann fühlt sich das schon wie eine Leistung an."
Die Mauer auf der Außenseite der letzten Schikane, die auf die Start- und Zielgerade führt, hat unter anderem bereits Michael Schumacher, Damon Hill, Jacques Villeneuve und Sebastian Vettel ein heiles Auto gekostet - aber auch vielen Piloten Siege beschert, denn wer hier etwas riskiert, dem winkt ein großer Zeitgewinn.
Übriges heißt die Strecke erst seit 1982 Circuit Gilles Villeneuve - als die kanadische Rennlegende bei einen tödlichen Unfall in Zolder verstarb. Vier Jahre zuvor hatte er an Ort und Stelle noch selbst das Rennen gewonnen. Noch heute steht auf dem Asphalt hinter der Ziellinie gepinselt: "Salut Gilles".
Warum kanadisches Fast Food nichts für feine Gaumen ist und die Formel 1 die Strecke Montreals U-Bahn zu verdanken hat