Spionage, Erpressung, Amnesie, Schimpftiraden und eine Menge Kleinholz: Die Höhen und Tiefen einer Hassliebe
Kaum eine Verbindung zwischen einem Formel-1-Fahrer und einem Team ist so wechselvoll wie die des Fernando Alonso zu McLaren - spöttisch ausgedrückt eine Daily Soap. Die guten und die schlechten Zeiten in Woking warteten nicht nur mit Spionage, einer angeblichen Erpressung und vermeintlicher Amnesie auf: die Höhen und Tiefen.
Obwohl er noch ein Jahr Vertrag im Renault-Werksteam hat, gibt der Spanier Ende 2005 als frisch gebackener Weltmeister bekannt, sich 2007 McLaren anzuschließen. Ein Jahr später gewährt ihm Intimus Flavio Briatore, zwölf Tage vor dem Auslaufen des Kontrakts für den neuen Arbeitgeber zu testen - mit neutralem Equipment.
Alonso soll angeblich eine Gage von 39 Millionen US-Dollar (damals rund 29 Millionen Euro) erhalten. Ron Dennis installiert Lieblingsschüler und Zögling Lewis Hamilton als Teamkollegen. Beiden haben anfangs ihren Spaß und necken sich in einem Werbefilm für Motorenzulieferer Mercedes. Daraus wird bald bitterer Ernst...
Zunächst ist alles in Butter: Beim Malaysia-Grand-Prix in Sepang landet Alonso den ersten Sieg im McLaren und wiederholt das Kunststück in Monaco und am Nürburgring. Er scheint auf WM-Kurs zu liegen, als das Stallduell mit dem Rookie zu köcheln beginnt und im Qualifying in Budapest explodiert.
Alonso blockiert Hamilton an der Box, damit er seine zweite schnelle Runde nicht fahren kann - nachdem der Brite ihm zuvor auf der Strecke keine Vorfahrt gewährt hatte. Alonso profitiert und schnappt ihm die Pole-Position weg, doch die FIA schreitet ein: fünf Plätze Rückversetzung und 15 Punkte Abzug in der Konstrukteurs-WM.
Was McLaren letztlich den Titel kostet und Kimi Räikkönen den Weg ebnet, führt intern zum Eklat: Alonso und Hamilton sollen nicht mehr miteinander reden. Es kommt noch dicker: Die FIA findet heraus, dass McLaren-Mitarbeiter - darunter Alonso und Tester Pedro de la Rosa - vertrauliche Ferrari-Unterlagen besitzen. "Spygate" ist geboren.
Die Dokumente stammen von Chefdesigner Mike Coughlan. Alonso soll Ron Dennis damit erpresst und gedroht haben, die FIA in Kenntnis zu setzen, wenn er keinen Nummer-eins-Status erhält. Der McLaren-Patron geht selbst zum Automobil-Weltverband, doch da ist durch einen Ausrutscher Coughlans bereits alles bekannt.
Mit der Rekordstrafe von 100 Millionen US-Dollar und dem Abzug aller WM-Punkte in der Konstrukteurs-WM endet auch Alonsos Zeit bei McLaren - als WM-Dritter. Ein Comeback scheint undenkbar, zumal der auf der Strecke bestimmende Pilot dieser Tage zum schwächelnden Renault-Team zurückkehren muss.
Im November 2014 die Sensation: Nach dem Knall bei Ferrari, einer monatelangen Hängepartie sowie Spekulationen um ein Karriereende und ein Sabbatjahr unterschreibt Alonso bei McLaren wieder einen Zweijahres-Vertrag in Woking. Honda soll an Finanzierung und Durchsetzung nicht unbeteiligt gewesen sein.
Schon der Einstand misslingt: Bei Testfahrten in Barcelona hat Alonso einen bis heute mysteriösen Unfall. Er kracht in die Leitplanke und zieht sich eine Gehirnerschütterung zu. Es wird berichtet, dass er auch unter Amnesie leiden würde und der Überzeugung gewesen sei, ein Kartfahrer im Teeniealter zu sein.
Die Ursachen beschäftigen die Formel 1 noch lange: Von einer Windböe ist die Rede, auch über eine gebrochene Lenkung wird spekuliert. Dass ein Elektroschock des Honda-Hybridsystems für seine Bewusstlosigkeit gesorgt hätte, hält sich hartnäckig. Wieder ermittelt die FIA. Auch sonst die Tests für McLaren eine Katastrophe.
Alonso verpasst den Saisonauftakt und debütiert in Malaysia im McLaren. Während Ferrari-Nachfolger Vettel gewinnt und die Sieglos-Serie der Roten beendet, fallen er und Teamkollege Jenson Button aus. Bis einschließlich des Österreich-Rennens passiert das fünfmal in sieben Grands Prix. Der MP4-30 ist dazu langsam - eine Gurkenkiste.
Der nächste Unfall in Spielberg: Alonso geht in Runde eins fliegen und hat die Nase voll von der Saison 2016. Mittlerweile häufen sich die Antriebsstrafen und das Team startet ständig von hinten, dazu gibt es auch noch in den Rennen Kompensationsstrafen.
Licht am Ende des Tunnels? In Großbritannien holt Alonso als Zehnter mit McLaren erstmals wieder WM-Punkte, in Ungarn wird er in einem Chaosrennen sogar Fünfter. Und in Singapur zeigt er nach eigener Aussage seine "beste Leistung des Jahres", als er im Qualifying Rang zwölf sichert.
Der Frust lässt sich nicht verbergen - auch nicht im Teamfunk. "Ich werde auf der Geraden wie ein GP2-Auto überholt! Das ist peinlich, sehr peinlich", schreit er in Japan. Schon zuvor läuft der Satz "Ich hab schon jetzt genug Probleme und wirke wie ein Amateur" über den Äther. Viele vermuten, Alonso würde die Brocken hinwerfen.
In den USA fährt Alonso nach Wetterkapriolen "eines der besten Rennen seines Lebens", doch der McLaren ist und bleibt eine Krücke. In Mexiko dreht er nur eine Showrunde am Sonntag, weil der Antrieb wieder defekt ist, in Brasilien streikt der Wagen im Qualifying: Alonso setzt sich auf einen Campingstuhl und genießt die Sonne.
Was unter dem Twitter-Hashtag #placesalonsowouldratherbe prominent wird, toppen er und Button in Sao Paulo mit einem sarkastischen Besuch des Podiums, wo sich vom Publikum feiern lassen. "So viel Spaß hatte ich an diesem Wochenende sonst nicht", kommentiert Alonso süffisant.
Trotz dezenter Performance-Verbesserungen kommt der jüngster Tiefpunkt 2016: Im Auftaktrennen in Australien begeht Alonso einen Fahrfehler, kracht Esteban Gutierrez ins Heck und zerstört seinen McLaren. Ein Pneumothorax führt dazu, dass er den Lauf in Bahrain auslassen muss. Fortsetzung folgt...
Spionage, Erpressung, Amnesie, Schimpftiraden und eine Menge Kleinholz: Die Höhen und Tiefen einer Hassliebe