Vierfach-WM-Duell, Kimi-Sprüche und doppelte Punkte: Abu Dhabi ist im Formel-1-Kalender bereits jetzt ein Klassiker der Moderne
Willkommen in Abu Dhabi, willkommen im Reich von 1.001 Nacht. 2009 macht sich die Formel 1 erstmals auf in das neue Prunkstück des Kalenders - dem Rennen auf dem Yas Marina Circuit. Auf der Yas-Insel in den Vereinigten Arabischen Emiraten haben die Verantwortlichen keine Kosten und Mühen gescheut, um den Grand Prix zu einem der aufsehenerregendsten zu machen. Auf und neben der Strecke sieht alles edler als edel aus. Sogar unter einem Hotel müssen die Piloten hindurch fahren.
Schon beim Debüt 2009 findet die Formel-1-Saison in Abu Dhabi ihren krönenden Abschluss. Doch da es damals noch keine doppelten Punkte zu vergeben gibt, steht der Weltmeister bereits vor dem Rennen fest. Jenson Button sicherte sich bereits in Brasilien die Krone, somit liegt der Fokus beim Finale auf den Prachtbauten und der Tatsache, dass erstmals ein Rennen bei Tageslicht gestartet und im Dunkeln beendet wird.
Den Premierensieg holt sich an jenem 1. November Sebastian Vettel, der sich damit auch die Vizeweltmeisterschaft sichern kann. Der Deutsche triumphiert vor seinem Teamkollegen Mark Webber und Weltmeister Button, der im letzten Grand Prix des Brawn-Teams noch einmal auf das Podest steigen darf.
Doch nicht nur Brawn verabschiedet sich an diesem Tag aus der Formel 1: Mit BMW und Toyota verliert die Königsklasse im Anschluss an das Rennen zwei große Hersteller, die den Stecker ziehen. Zumindest Kamui Kobayashi, der als Ersatz des verletzten Timo Glock startet, weiß zu überzeugen und fährt überraschend Rang sechs nach Hause, was Sauber nicht entgeht, die den Japaner für 2010 verpflichten.
2010 darf sich die Formel 1 auf ein großes Finale freuen. Mit Sebastian Vettel, Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Mark Webber können sich im Emirat gleich vier Fahrer noch zum Weltmeister krönen. Die besten Karten besitzt dabei der Spanier, der als Führender in das WM-Finale geht.
Doch das Rennen startet gleich mit einer großen Schrecksekunde: Noch in der ersten Runde dreht sich Michael Schumacher in seinem Mercedes in der langsamen Kurve 6 und steht entgegen der Fahrtrichtung. Vitantonio Liuzzi kann dem Auto des Deutschen nicht ausweichen und kracht mit seinem Force India frontal in den Boliden. Glücklicherweise bleiben beide dabei unverletzt, auch weil die Spitze von Liuzzi Schumachers Helm knapp verfehlt.
Das Rennen seines Lebens fährt derweil Witali Petrow. Um die Strategie des WM-Zweiten Mark Webber zu covern, folgt Fernando Alonso dem Australier früh in die Box - ein Fehler der Ferrari-Crew, wie sich im Nachhinein herausstellt. Denn dadurch hängt der Spanier hinter dem Renault von Petrow fest und kommt trotz harter Attacken nicht am Russen vorbei, der Sechster wird. Alonso und Webber verlieren das Rennen und die WM.
Der lachende (oder weinende) Dritte wird somit Sebastian Vettel, der den Grand Prix wie im Vorjahr für sich entscheiden kann und seinen ersten WM-Titel feiern darf. Auf dem Podest übermannen den Red-Bull-Piloten die Gefühle, während auch bei den Verlierern Tränen fließen.
2011 reist Vettel dann bereits als zweifacher Weltmeister nach Abu Dhabi, denn den Titel macht er schon lange vorher klar. Auch auf dem Yas Marina Circuit ist der Heppenheimer der dominierende Mann und geht das Rennen von Pole aus an. Weit kommt er allerdings nicht: Schon in Kurve 1 schlitzt ihm Lewis Hamilton den Reifen auf und sorgt so für dessen ersten und einzigen Ausfall der Saison.
Damit ist der Weg frei für den Briten, der seinen dritten Saisonsieg einfährt. Schon 2009 war Hamilton nah dran am Sieg, musste allerdings mit einem technischen Defekt in Führung liegend aufgeben. Jetzt holt der McLaren-Pilot seinen fälligen Erfolg nach.
Ein wahres Crashfestival steigt 2012: Zunächst erwischt es Nico Rosberg, der über den plötzlich langsamer werdenden HRT von Narain Karthikeyan schießt und abhebt. Beide Piloten bleiben unverletzt, doch der Schock sitzt ihnen sichtbar in den Gliedern.
Später erwischt es unter anderem auch Mark Webber, der mit Romain Grosjean (Lotus) und Sergio Perez (Sauber) aneinandergerät. Von all dem profitieren kann sein Red-Bull-Kollege Sebastian Vettel, der von ganz hinten starten muss und auch durch zahlreiche Safety-Car-Phasen bis auf Rang drei vorfahren kann, und im WM-Kampf gegen Fernando Alonso, der Zweiter wird, Schadensbegrenzung betreibt.
Den größten Eindruck hinterlässt allerdings an diesem Tag Kimi Räikkönen - nicht nur weil er sein erstes Rennen seit seinem Comeback gewinnt. Auf dem Weg zum Sieg wird er am Funk immer wieder von seinem Renningenieur genervt, was der "Iceman" auf seine Art kommentiert: "Leave me alone" und "I know what I'm doing" sind seitdem Kult! Doch am Ende kann der Finne trotzdem strahlen.
Ein Jahr später zeigt sich allerdings wieder die Kehrseite Räikkönens. Der Finne muss von ganz hinten starten und fährt sich bereits in der ersten Kurve die Aufhängung am Caterham von Giedo van der Garde kaputt - einige böse Zungen spekulieren über Rache für die ausbleibenden Gehaltszahlungen seines Teams. Das kann allerdings nie bewiesen werden, doch der Finne verlässt Abu Dhabi noch während des Rennens - mit Badelatschen in seinem Privatauto.
An der Spitze gewinnt derweil wie üblich Sebastian Vettel. Erneut steht er bereits als Weltmeister fest und feiert seinen dritten Sieg in fünf Jahren Abu Dhabi. Hinter Mark Webber darf auch Nico Rosberg mit auf das Podest, der Mercedes Rang drei schenkt.
2014 steht alles im Zeichen von "Abu Double" - den doppelten Punkten. Durch die neue Regel (die anschließend direkt wieder abgeschafft wird) hat Nico Rosberg noch realistische Chancen auf den WM-Titel. Doch ausgerechnet beim großen Finale hat sein Silberpfeil mit technischen Problemen zu kämpfen.
Sieg und Titel gehen somit an seinen Teamkollegen Lewis Hamilton. Mit seinem zweiten WM-Titel krönt sich der Brite außerdem zum ersten Mercedes-Champion seit Juan Manuel Fangio 1955.
2015 besitzt der Abu-Dhabi-Grand-Prix nur noch statistischen Wert. Alle wichtigen Entscheidungen sind schon lange vor dem Rennen gefallen, sodass es einen ruhigen Ausklang gibt. Nico Rosberg holt sich seinen dritten Sieg in Folge, nachdem er die WM längst verloren hat.
Ganz anders ist die Ausgangslage 2016: Rosberg reist als WM-Führender an und muss (im Falle eines Sieges seines Rivalen Hamilton) nur Vierter werden, um sich die Krone aufzusetzen. Der Brite bemächtigt sich aller Tricks: Als die Silberpfeile ungefährdet auf den Plätzen eins und zwei liegen, bremst er Rosberg ein, damit die Konkurrenten aufschließen und dem Deutschen Punkte wegnehmen. Mercedes will Hamilton die Aktion im Boxenfunk verbieten, aber er entgegnet nur, dass er Weltmeister werden wollle ...
Zwar greift Sebastian Vettel Rosberg sogar an, doch er behauptet Rang zwei und wird zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere Formel-1-Weltmeister. Hamilton sorgt für eine riesige Kontroverse, die Mercedes-Bosse sind stinksauer und denken über eine interne Bestrafung nach. Rosberg erklärt eine Woche nach dem Triumph seinen Rücktritt vom aktiven Motorsport.
Vierfach-WM-Duell, Kimi-Sprüche und doppelte Punkte: Abu Dhabi ist im Formel-1-Kalender bereits jetzt ein Klassiker der Moderne