Monte Carlo
Paukenschlag im Monaco-Qualifying 2014: Nico Rosberg verbremst sich in Mirabeau, löst gelbe Flaggen aus, verhindert Zeitenverbesserungen seiner Konkurrenten - und holt somit vor Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton die Pole-Position. Absicht oder nicht? Hamilton, stinksauer, glaubt ja, die FIA-Rennkommissare sagen nein.
Pech für Sebastian Vettel: Der Weltmeister kann wegen technischer Probleme mit dem Hybridsystem nicht die volle Leistung abrufen und wird Vierter. Im Qualifying-Duell gegen Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo liegt er damit schon mit 1:5 im Rückstand.
Zuletzt von Medien und Fans wegen seiner vielen Crashes arg gescholten, kommt Pastor Maldonado beim Grand Prix von Monaco keinen Meter weit. Bereits vor der Aufwärmrunde gibt sein Lotus den Geist auf, und auch der Versuch, das Rennen aus der Boxengasse aufzunehmen, scheitert. Was da viele noch gar nicht merken: Sowohl Sauber-Pilot Esteban Gutierrez als auch die Marussia-Fahrer lassen keine Lücke in der Startaufstellung und "mogeln" sich nach vorne. Das wird noch Konsequenzen haben.
Der Start: Rosberg kommt perfekt weg und lässt Hamilton nicht den Funken einer Chance für ein möglicherweise aggressionsgetriebenes Manöver in Sainte Devote, ...
... während Kimi Räikkönen auf der freien Außenbahn davon profitiert, dass Ferrari-Teamkollege Fernando Alonso hinter dem schlechter gestarteten Ricciardo lupfen muss. Vettel geht als Dritter in die erste Runde.
"Selbst schuld", sagt Experte Marc Surer: Das Rennen von Force-India-Pilot Sergio Perez, im Qualifying wieder schneller gewesen als Nico Hülkenberg, geht nach einer Berührung mit Jenson Button (McLaren) bei Mirabeau schon in der ersten Runde zu Ende.
Ein paar Meter weiter attackiert Hülkenberg schon die vor ihm liegenden Toro Rossos - und bei einer leichten Berührung fliegen auch ein paar Teilchen. Das hat jedoch erstmal keine nennenswerten Auswirkungen.
Wegen des Perez-Zwischenfalls muss bis zum Restart in der vierten Runde das Safety-Car auf die Strecke. Romain Grosjean (Lotus) und Adrian Sutil (Sauber) nutzen dies für einen extrem frühen Reifenwechsel - eine Taktik, die für Sutil eine Zeit lang aufzugehen scheint.
Gleich nach dem Restart verabschiedet sich der erste Topfavorit: Vettels Renault-Turbo hat keinen Ladedruck mehr, dann fährt sich der RB10 des Weltmeisters auch noch im ersten Gang fest. Bereits zum zweiten Mal in der Saison 2014 bleibt der Titelverteidiger ohne WM-Punkte.
Laut Boxencrew hat Rosberg in der Anfangsphase zwar die Reifentemperaturen besser im Griff, während Hamilton früh über abbauende Hinterreifen klagt, aber der Abstand der beiden Mercedes-Piloten wird nie größer als maximal gut eine Sekunde.
Aber die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn ausgangs Tunnel verliert er sein Auto auf einer Bodenwelle außer Kontrolle. Der Crash geht trotz hoher Geschwindigkeit zum Glück glimpflich aus. In der Hafenschikane hat das Sauber-Team auch schon andere Erfahrungen gemacht (Karl Wendlinger 1994).
Während der zweiten Safety-Car-Phase kommen alle zum Boxenstopp, Rosberg und Hamilton direkt hintereinander. Jean-Eric Vergne schnappt sich durch den schnelleren Reifenwechsel der Toro-Rosso-Crew zwar Kevin Magnussen (McLaren), kassiert aber wegen "unsafe Release" eine Fünf-Sekunden-Strafe. Magnussen schlägt schon beim Restart zurück - und schnappt sich den überraschten Vergne in der engen Rascasse (!) mit einem sensationellen
Routinier Felipe Massa riskiert eine abweichende Strategie, kommt während der Safety-Car-Phase nicht an die Box und rückt dadurch auf Platz sechs auf. Dass er letztendlich Siebter wird, liegt aber weniger an dieser Taktik als an den vielen Ausfällen. Zum Beispiel von Teamkollege Valtteri Bottas, dessen Mercedes-Antrieb sein Leben ausraucht.
Einer der Pechvögel: Räikkönen. Nach gutem Start und starker Anfangsphase vor Ricciardo an dritter Stelle liegend, schlitzt ihm Chilton einen Hinterreifen auf. Der "Iceman" muss zum erneuten Reifenwechsel an die Box kommen und fällt ans Ende des Feldes zurück.
Bei den beiden Manövern des Tages ist Magnussen nicht nur Täter (gegen Vergne), sondern auch Opfer: Wie ihn Hülkenberg (mit den weicheren Supersoft-Reifen) in der Portier-Kurve vor dem Tunnel überrumpelt, ist Weltklasse! Von da an nimmt der Deutsche Kurs auf den fünften Platz.
Nächste Schrecksekunde für Räikkönen: Beim Versuch eines Angriffs gegen Kamui Kobayashi verliert dieser seinen Caterham außer Kontrolle. Das führt beinahe zu einer Kollision.
An der Spitze kann sich Rosberg langsam doch ein wenig absetzen, obwohl er gewarnt wird, wegen des hohen Benzinverbrauchs später zu schalten. Erst nach ein paar Runden gibt es diesbezüglich wieder grünes Licht. Gleichzeitig klagt Hamilton, der seinen Renningenieur Peter Bonnington einige Male schroff anfährt, über Probleme mit dem linken Auge, in dem sich wohl ein kleines Gummipartikel verfangen hat.
Nach dem starken Qualifying (beide Autos in den Top 10) kassiert Toro Rosso im Rennen die Höchststrafe: Vergne beißt sich nicht nur in einem beinharten Duell mit Landsmann Jules Bianchi (Marussia) die Zähne aus, ...
... sondern scheidet wenig später auch noch aus. Teamkollege Daniil Kwjat ist da schon längst geduscht und umgezogen. Ausfallursache bei beiden: Auspuff defekt.
Spannung im Kampf um Platz fünf: "Boah, sind die schnell", stöhnt Hülkenberg über das McLaren-Duo, das in seinem Rückspiegel immer größer wird. Aber dann muss Magnussen wegen eines vorübergehenden Antriebsproblems erst Button durchlassen - und der findet kein Mittel, um noch am Deutschen vorbeizugehen. Magnussen rettet als Zehnter immerhin einen WM-Punkt ins Ziel.
Hamilton funkt ein paar Runden vor Schluss: "Der Abstand zu Ricciardo ist mir egal. Sagt mir, wie weit ich hinter Nico liege!" Ein Satz, der ihm angesichts seiner Sichtprobleme beinahe auf den Kopf fällt - aber letztendlich hat der Red Bull nicht genug Topspeed, um den fünften Mercedes-Doppelsieg im sechsten Saisonrennen zu verhindern.
Dank der ebenso späten wie unnötigen Kollision zwischen Räikkönen und Magnussen in der Loews-Kurve fährt Bianchi als Achter über die Ziellinie, sodass ihn selbst eine Fünf-Sekunden-Strafe wegen Einnehmens der falschen Startposition nicht mehr aus den Punkterängen werfen kann. Es ist ein Moment Formel-1-Geschichte: Marussias neunter Platz ist das erste Top-10-Ergebnis eines der 2010 neu eingestiegenen Teams!
Rosberg gewinnt am Ende verdient vor Hamilton, Ricciardo und Alonso. In der Fürstenloge lässt die Gestik und Mimik tief blicken, wie es um den Seelenfrieden der einzelnen Akteure bestellt ist: Rosberg jubelt über einen psychologisch ganz wichtigen Sieg - während Hamilton mindestens genauso bedröppelt dreinschaut wie die unglückliche Fürstin Charlene.
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