Rosbergs Pech und Hamiltons souveräner WM-Triumph: Das war der Abu-Dhabi-Grand-Prix 2014
Weltmeister! Lewis Hamilton hat es geschafft, zum zweiten Mal nach 2008. Aber danach sieht es beim Grand Prix von Abu Dhabi nicht immer aus. Nach dem Qualifying am Samstag schöpft Nico Rosberg noch einmal Hoffnung: "Vielleicht hat Lewis heute ein bisschen Nerven gezeigt." Eine Hoffnung, die zerplatzt wie eine Seifenblase. Das Rennen zum Titel erzählen wir mit den nächsten 19 Fotos noch einmal detailgetreu nach.
"Tony, ganz im Ernst jetzt - sei etwas enthusiastischer, bitte!" Rosberg holt die Pole-Position beim Saisonfinale, gewinnt das Qualifying-Stallduell 2014 mit 12:7 und macht dem drittplatzierten Valtteri Bottas ein unmoralisches Angebot: "Ich bezahle ihm heute einen Wellness-Abend, damit er morgen in Topform ist und die Wahnsinns-Performance rausholt. Denn ich brauche schon noch einen Williams vor meinem Teamkollegen..."
Wirbel am Samstagabend: Die Frontflügel der Red Bulls von Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel sind flexibel und fliegen beim FIA-Test von Jo Bauer durch. Urteil: Disqualifikation vom Qualifying, Start aus der Boxengasse.
Der Start: Hamilton fährt los wie eine Rakete ("Vielleicht der beste Start meines Lebens"), Rosberg hat keine Chance - und verteidigt mit Müh und Not zumindest Platz zwei vor Felipe Massa. Dessen Williams-Teamkollege Bottas, direkt hinter Rosberg ins Rennen gegangen, fällt auf Rang acht zurück.
Schon nach der ersten Runde hat Hamilton 1,2 Sekunden Vorsprung auf Rosberg, der 17 Punkte Rückstand aufholen muss. Wichtig, denn so ist DRS bei der Freigabe in der dritten Runde für den Leader gar kein Thema mehr.
Kimi Räikkönen wehrt sich nicht großartig, als Fernando Alonso an ihm vorbeigeht und Platz fünf übernimmt. Womit der Ferrari-Finne eher nicht gerechnet hätte: dass bei der Gelegenheit auch gleich Daniil Kwjat (scheidet später mit Antriebsdefekt aus) durchrutscht und sein Teamkollege am Ende der fünften Runde ohnehin an die Box kommt, um die abbauenden Supersoft-Reifen loszuwerden.
Aus der Boxengasse auf den härteren Reifen gestartet, arbeiten sich Ricciardo/Vettel mit dem einen oder anderen sehenswerten Überholmanöver nach vorne. Weil die anderen früher an die Box müssen, ist Ricciardo nach 15 Runden schon Vierter. Auf den achtplatzierten Vettel hat er zu diesem Zeitpunkt 6,4 Sekunden Vorsprung.
Zehnte Runde: Mit 2,7 Sekunden Vorsprung kommt Hamilton zum ersten Boxenstopp, der um 0,1 Sekunden länger dauert als eine Runde später bei Rosberg. Die Führung geht kurzzeitig an Massa, der bis zur 13. Runde draußen bleibt.
Nico Hülkenberg, gestartet auf den härteren Reifen, fährt ein hervorragendes Rennen, wird aber von der Rennleitung mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt - wegen dieser Berührung mit Kevin Magnussen in der ersten Runde. "Warum zur Hölle habe ich dafür eine Strafe bekommen?", regt er sich (zurecht, wie viele meinen) auf. Kurzzeitig fällt er hinter Sergio Perez zurück, am Ende kommt er aber 8,9 Sekunden vor seinem Force-India-Teamkollegen als Sechster ins Ziel.
Und noch ein verbitterter Fighter: Jean-Eric Vergne denkt in seinem wahrscheinlich letzten Grand Prix für Toro Rosso nicht im Traum daran, seinen Ex-Teamkollegen Ricciardo kampflos durchzulassen. Wozu auch Red Bull einen Gefallen tun, wenn man ein paar Stunden später ohnehin aus der Familie gescheucht wird? Am Ende wird der Franzose Zwölfter.
Vettel patzt beim ersten Boxenstopp in der 21. Runde: Das abgehakte Losfahren kostet rund eineinhalb Sekunden und die Chance, direkt an Magnussen vorbeizugehen. Nach vier gemeinsamen WM-Titeln verabschiedet er sich mit einem enttäuschenden achten Platz in Richtung Ferrari.
Die WM-Entscheidung: Rosberg kommt in der 23. Runde bei Kurve 17 von der Strecke ab, aus 2,7 werden 3,9 Sekunden Rückstand. Eine weitere Runde später sind es schon 7,1. Die Hiobsbotschaft: "Ich verliere Motorleistung!" Genauer gesagt jene 160 PS, die das Hybridsystem ERS liefern sollte. In Runde 27 rückt der erhoffte Titelgewinn in immer weitere Ferne, als er sogar Massa kampflos vorbeilassen muss.
Ebenfalls in Runde 27 beendet Pastor Maldonado seine enttäuschende Saison 2014 mit einem spektakulären Motorschaden. Die Lotus-Mechaniker, an solche Dramen längst gewohnt, nehmen's mit Humor und lachen sich vor laufenden TV-Kameras ins Fäustchen, als sie sehen, wie ihr Fahrer seelenruhig vom lichterloh brennenden Auto weggeht und den Streckenposten das Löschen überlässt.
Neuauflage des Weltmeister-Duells von Austin: Kurz nach ihren Boxenstopps verliert Button in der 28. Runde den zehnten Platz an Alonso - aber nicht ohne sportlich faire Gegenwehr über mehrere Kurven.
Vorne fährt Hamilton indes Sieg und WM-Titel entgegen. "Was kann ich noch tun, um das Auto zu schonen?", fragt er - und drosselt die Rundenzeiten so sehr, dass Massa noch einmal Morgenluft wittert. Nach seinem Boxenstopp muss Hamilton ausgerechnet den strauchelnden Rosberg überholen, der sich aber fair verhält und Platz macht, kurz darauf noch einmal neben die Strecke rollt.
Heimlich, still und leise denkt man bei Williams daran, mit nur einem Boxenstopp durchzufahren - aber als Mercedes das realisiert und Hamilton in der 43. Runde (bei 12,5 Sekunden Rückstand) plötzlich das Tempo anzieht, entscheidet man sich im Massa-Lager, doch noch einmal zu wechseln. Der Brasilianer wird mit um zwölf Runden frischeren Supersoft-Pirellis auf Hamilton-Jagd geschickt.
Rosberg gibt indes den tapferen Kämpfer: "Komm an die Box, zu viele Probleme", funkt Renningenieur Tony Ross in der vorletzten Runde. Aber der Deutsche verneint: "Ich will ins Ziel fahren!" Letztendlich als 14., mit einer Runde Rückstand.
Hamilton hat nach Massas zweitem Boxenstopp in Runde 45 10,8 Sekunden Vorsprung, die bis zur Zieldurchfahrt nach 55 Runden auf 2,5 Sekunden zusammenschrumpfen. Erster Gratulant ist Prinz Harry: "Lewis, danke dafür, dass du die britische Öffentlichkeit nicht hast schwitzen lassen. Du bist eine absolute Legende. Gut gemacht, Junge!"
Jubel auch bei Williams: Erstmals seit Monaco 2005 (Heidfeld/Webber) wieder mit zwei Autos auf dem Podium, Bottas dank doppelter Punkte noch WM-Vierter vor den Weltmeistern Vettel und Alonso - und Platz drei in der Konstrukteurswertung, was 2015 viele Millionen Dollar wert sein wird.
Auch Buttons fünfter Platz bringt fünf bis sechs Millionen, weil er so McLaren den fünften WM-Rang vor Force India sichert. Und trotzdem deutet vieles darauf hin, dass Abu Dhabi sein letzter Grand Prix war. Oder muss am Ende doch Youngster Magnussen (11.) für Neuzugang Alonso die Koffer packen?
Rosbergs Pech und Hamiltons souveräner WM-Triumph: Das war der Abu-Dhabi-Grand-Prix 2014