Von Schurkenstaaten, Kinderarbeit und Magersucht: Worüber die Formel 1 in der abgelaufenen Saison nie einer Meinung war
#10: Doppelt hält halb so gut: die Farce um das "Superfinale" Abu Dhabi. Die Formel 1 beschließt, für das abschließende Saisonrennen in der Fahrer- und in der Konstrukteurs-WM doppelte Punkte zu verteilen, schafft die Sache jedoch nach einem Jahr wieder ab. Die Befürworter meinen: Super, das hält die WM bis zuletzt spannend. Die Kritiker meinen: Alles künstlich, krönt unverdiente Weltmeister und ist ohnehin nur ein Bonbon für die Scheichs.
#9: Ab nach Nordkorea? Der Eklat in der Pressekonferenz von Budapest. Christian Horner platzt der Kragen, als sich in der Teamchef-PK am Rande des Ungarn-Grand-Prix die Fragen nach einer Akzeptanzkrise der Formel 1 häufen. "Es wird langweilig, hier zu sitzen und diese Fragen ständig beantworten zu müssen. Alles, was wir tun, ist über negative Dinge sprechen", so der Red-Bull-Teamchef. Es macht sogar das Gerücht die Runde, es sollte einem Journalisten die Akkreditierung entzogen werden, weil er wissen wollte, ob ein Rennen in Nordkorea für die Teams akzeptabel wäre. Die Befürworter meinen: Bitte sprecht endlich wieder über den Sport! Die Kritiker meinen: Bekennt endlich Farbe!
#8: Regelidee skurril: stehende Starts nach Safety-Car-Phasen. Während der Saison kommt die Idee auf, die Rennen 2015 nach jedem Ausrücken des Führungsfahrzeugs wieder mit einem stehenden Start freizugeben. Die Piloten gehen auf die Barrikaden und die Sache verläuft im Sande. Die Befürworter meinen: Schade, dass hätte ungeahnte Spannung in die Rennen gebracht. Die Kritiker meinen: Lotterie pur.
#7: "Inakzeptabel": Belgischer Flügelsalat bei Mercedes. Das Teamduell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg erreicht seinen Höhepunkt, als der Deutsche seinem Stallgefährten bei einem zu optimistischen Überholversuch in Spa-Francorchamps den Reifen aufschlitzt. Mercedes verschenkt einen sicheren Sieg, die Chefetage tobt - rudert mit ihrer Rosberg-Kritik aber kurz darauf zurück und nutzt den Eklat, um bis zum Saisonende Frieden zu stiften. Die Befürworter meinen: Da war wenigstens Feuer mit Duell. Die Kritiker meinen: So schadet man sich nur selbst.
#6: Hungry Heidi mal anders: der Diätenwahn. Weil das untere Gewichtslimit für die neue Antriebsgeneration viel zu niedrig angesetzt ist, müssen insbesondere große Piloten und diejenigen in schweren Autos jedes Gramm einsparen. Neben radikalen Hungerkuren, die im Krankenhaus enden, werden sogar Trinkflaschen ausgebaut. Die Befürworter meinen: Profisport war nie gesund und für den Sieg tut man alles. Die Kritiker meinen: Eine komplett unnötige Attacke auf die Gesundheit von Menschen.
#5: Bäumchen wechsle dich bei Ferrari. Stefano Domenciali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene, Luca di Montezemolo, Sergio Marchionne, gefühlte 124 Aerodynamiker und 270 sonstige Technikspezialisten - 2014 scheint bei der Scuderia alles und jeder infrage zu stehen. Für die Ära Sebastian Vettel wird ordentlich umgekrempelt, was nicht zuletzt auch Fernando Alonso betrifft. Die Befürworter meinen: Endlich tut sich was in Maranello. Die Kritiker meinen: In diesem Chaosladen kehrt nie Kontinuität ein.
#4: Der Zampano vor Gericht - und 100 Millionen Euro später wieder frei. Alles sieht danach aus, als zöge sich im Münchener Bestechungsprozess um Ex-Bayern-LB-Vorstand Gerhard Gribkwosky die Schlinge um den Hals des Bernie Ecclestone zu. Für eine saftige Zahlung jedoch wird das Verfahren, in dem der 84-Jährige stets seine Unschuld beteuert, im August überraschend eingestellt. Die Befürworter meinen: In der Rechtssprechung absolut üblich und lieber 100 Millionen Euro als einen Greis im Knast. Die Kritiker meinen: Mal wieder hat sich ein Reicher freigekauft.
#3: Der kleine Max ganz groß: Kind am Steuer! Toro Rosso gibt im August bekannt, dass 2015 der zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Max Verstappen das Cockpit Jean-Eric Vergnes übernehmen wird - mit nur einem Jahr Formel-3-Erfahrung. Die Befürworter meinen: Wunderkindern muss man ihre Chance geben, wenn sie schnell genug sind. Die Kritiker meinen: Das ist gefährlich und schadet dem Ansehen der Formel 1 als Königsklasse des Motorsport.
#2: Tauber Sound stößt auf Ohren. Die Formel-1-Welt staunt nicht schlecht, als beim Saisonauftakt in Melbourne plötzlich das Klatschen der Zuschauer und das Quietschen der Reifen zu hören sind. Die neuen V6-Turbomotoren mit Hybridunterstützung sind flüsterleise. In der Folge gibt es viel Kritik und eine Reihe teils kurioser Verbesserungsvorschläge. Einen speziellen "Lautsprecher" erprobt Mercedes sogar bei Testfahrten. Die Befürworter meinen: Familienfreundlich, effizient und endlich zeitgemäß. Die Kritiker meinen: Die Formel 1 lebt von ihrem Sound und hat ihr Erbe endgültig zerstört.
#1: Die Formel 1 geht pleite! Die kleinen Teams sind seit geraumer Zeit in finanzieller Not. Als die hohen Kosten für die neue Antriebsgeneration das Fass zum Überlaufen bringen und sich mit Marussia und Caterham zwei Rennställe im Vorfeld des US-Grand-Prix zurückziehen müssen, sind (fast) alle alarmiert: Sauber, Force India und Lotus kokettieren mit einem Boykott, damit Einnahmen endlich gerechter verteilt werden, doch einmal mehr passiert wenig. Es wird verhandelt, während die Zukunft von immer mehr Teams in den Sternen steht. Die Befürworter meinen: Lasst diejenigen, die sich die Königsklasse nicht leisten können, pleite gehen. Das gab es schon immer in der Historie. Die Kritiker meinen: Mit einem Bonsai-Starterfeld schadet die Formel 1 sich selbst, ihren Fans und ihrem Erbe als Konstrukteurs-Wettbewerb.
Von Schurkenstaaten, Kinderarbeit und Magersucht: Worüber die Formel 1 in der abgelaufenen Saison nie einer Meinung war