Die Höhepunkte des Singapur-Grand-Prix 2014: Nico Rosbergs Mercedes streikt beim Vorstart, Lewis Hamilton fährt einen weiteren Sieg ein, bestes Saisonergebnis für Sebastian Vettel.
Ein Bild, wie es symbolisch nicht besser stehen könnte für den Singapur-Grand-Prix des Jahres 2014: Der frisch gebackene WM-Führende Lewis Hamilton jubelt, Nico Rosberg hat offenbar entweder in eine Zitrone oder in sein defektes Lenkrad gebissen. Der Triumphzug des Briten nimmt da seinen Anfang, wo auch das Waterloo seines Teamkollegen beginnt: 30 Minuten vor dem Rennen.
Rosberg bleibt zunächst lange in der Box stehen, ehe er überhaupt in die Startaufstellung fährt. Offenbar legt ein Defekt an der Elektronik das Lenkrad lahm. Außer Steuern geht nicht mehr viel. Auf dem Grid bricht Hektik aus: "Es ist ein elektronisches Problem, das wir im Moment zu identifizieren versuchen", sagt Toto Wolff zwischen wuselnden Mechanikern. "Einen Lenkradtausch haben wir gemacht, das hat aber nichts gebracht."
Als die Einführungsrunde beginnt, fahren 21 Fahrzeuge los. Was Rosberg sich im Geiste wohl schon ausgemalt hat, wird Wirklichkeit: Der Silberpfeil auf Rang zwei weigert sich beharrlich, einen Gang einzulegen und kommt nicht vom Fleck. Er muss von den Mechanikern in die Boxengasse geschoben werden, um das Rennen überhaupt in Angriff zu nehmen. Mittlerweile steckt im Mercedes das dritte Lenkrad des Tages.
Noch erfolgloser als Rosberg ist Kamui Kobayashi: Der Caterham bleibt nach einer halben Runde stehen und entwickelt offenbar reichlich Hitze. Von den Streckenposten wird er mit Löschschaum üppig eingenebelt.
Während Hamilton auch ohne Intensivbetreuung per Funk in der Einführungsrunde gut loskommt, erwischt Daniel Ricciardo keinen guten Start. Er wird von Sebastian Vettel und Fernando Alonso überholt. Der Spanier jedoch schießt im wahrsten Sinne des Wortes über das Ziel hinaus und durch die Auslaufzone in Kurve eins.
Vettel lässt er wieder vorbei, dem Australier jedoch zeigt er stur den Heckflügel. Die Reihenfolge im ersten Stint: Hamilton souverän vor Vettel und Übeltäter Alonso, der von der FIA aber nicht weiter behelligt wird.
Rosbergs Auto macht derweil, was es will: Die Knöpfe am Lenkrad inklusive dem DRS funktionieren gar nicht mehr, das Getriebe überspringt beim Schalten Gänge. Da fällt es selbst mit einem Silberpfeil schwer, an einem Caterham und einem Marussia vorbeizukommen. In der fünften Runde fährt Hamilton an der Spitze eine Runde in 1:53.035 Minuten, Rosberg braucht für den Umlauf 1:56.769 Minuten.
Das Trauerspiel hat ein Ende, als Rosberg sich in Runde 14 zum ersten Boxenstopp schleppt - mit genau 6.500 Umdrehungen im ersten Gang, weil auch der Speedlimiter streikt. Trotz eines erneuten Lenkradtauschs kommt der Mercedes nicht mehr vom Fleck, nachdem der Motor abgestorben ist und sich kein Gang mehr einlegen lässt. Der Pilot hat genug und winkt mit beiden Armen ab.
Die Rennkommissare haben ihren Spaß mit Jean-Eric Vergne: Der Franzose bekommt in Runde 18 die erste Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt, weil er es mit der Streckenbegrenzung nicht ganz so genau genommen hat. Offenbar eine Motivationsspitze für den Mann, der von Toro Rosso schon den Laufpass erhalten hat. Bereits zuvor ist er per Stallorder an Teamkollege Daniil Kwjat vorbeigewunken worden, weil der Russe dem Tempo nicht ansatzweise folgen kann.
Verlierer der ersten Boxenstopp-Serie ist Vettel: Vor dem Halt bei der Crew liegt er 2,0 Sekunden vor Alonso. Der Ferrari-Star holt sich schon in Runde 25 frische Reifen und sorgt für Sektorenbestzeiten mit frischem Gummi. Als einen Umlauf später auch der Deutsche mit frischen Pirellis ausrückt, befindet er sich plötzlich 4,6 Sekunden hinter Alonso und nur noch auf Platz drei.
Im Mittelfeld gibt es in Runde 31 Geflügelsalat als Mitternachtssnack: Force-India-Pilot Sergio Perez fährt Adrian Sutil auf und beschädigt sich den Frontflügel. Bei Vollgas löst er sich von der Nase und gerät unter das Auto. Um die Trümmer einzusammeln, muss Bernd Mayländer mit dem Safety-Car die Strecke absichern.
Die Hitze und Luftfeuchtigkeit in Südostasiens fordern ihren Tribut: Kevin Magnussen streckt seine Hände aus dem Cockpit, um sich Kühlung zu verschaffen, und funkt, das Trinkwasser sei so heiß, dass er es nicht mehr trinken kann.
Ferrari wagt derweil eine riskante Strategie: Um durchzufahren, wechselt Alonso in Runde 32 hinter dem Führungsfahrzeug auf die härtere Reifenmischung. Hamilton bleibt draußen und in Führung. Er will mit freier Fahrt eine Lücke reißen, die groß genug ist, um auch nach dem Stopp an der Spitze zu bleiben. Die Box rechnet aus: Er muss im Schnitt eine Sekunde auf Alonso herausfahren.
Gesagt, getan: Nach dem Restart fliegt der superweich bereifte Brite und brennt ein Feuerwerk ab. Binnen drei Runden hat er 7,6 Sekunden auf Vettel, der auf zwei Umläufe jüngeren weichen Pneus unterwegs ist, herausgefahren. Nach sechs Runden sind es schon 17,3 Sekunden.
25,1 Sekunden reichen, um nach dem letzten Boxenstopp komfortabel vor Alonso, allerdings nicht in Führung zu bleiben. Hamilton kommt zwischen den beiden Red Bull wieder auf die Strecke, doch Vettel ist mit Gebrauchtreifen leichte Beute. Nach der ersten Runde hat Hamilton schon wieder 2,1 Sekunden Vorsprung auf Vettel. An der Spitze ist die Messe gelesen, die Action spielt sich dahinter ab.
Allerdings ohne Adrian Sutil: Der Gräfelfinger muss seinen Sauber nach 41 Runden mit einem technischen Defekt abstellen und erlebt einen weiteren Tiefpunkt in der für die Schweizer schlechtesten Saison aller Zeiten.
Vergnes Sturmlauf tut das keinen Abbruch: Kimi Räikkönen und den ursprünglich sechsplatzierten Valtteri Bottas lässt er stehen und prescht selbst auf Rang sechs, den er trotz der Strafe behält. Am Ende liegt er 13,2 Sekunden vor dem finnischen Williams-Piloten, zehn Runden zuvor waren es noch 8,6 Sekunden - und zwar Rückstand!
Sergio Perez, dessen Force India das Malheur mit dem Frontflügel dank eines Reparaturstopps überlebt hat, pflügt mit frischen Reifen durch das Feld und fällt durch tolle und faire Manöver auf. Am Ende landet der Mexikaner auf Rang sieben.
Noch besser macht seine Sache Jean-Eric Vergne. Er kommt genau wie Perez in Runde 45 an die Box und liegt fünf Umläufe später immer noch auf Rang zwölf. Dann schnappt er sich die Konkurrenten wie reife Kirschen, doch beim Überholen von Pastor Maldonado drängt ihn der Venezolaner von der Strecke ab. Vergne fährt trotzdem vorbei, die Rennleitung sanktioniert die Sache aber mit einer weiteren Fünf-Sekunden-Strafe, die am Ende auf seine Rennzeit addiert wird.
Nico Hülkenberg sorgt mit tollen Überholmanövern zwar für einige beachtenswerte Szenen, bleibt im Rennen als Neunter aber sonst unauffällig.
An der Spitze herrscht Überholverbot: Zwar holt der von einem Problem mit dem Energiespeicher geplagte Ricciardo auf Vettel auf, kann seinen Teamkollegen aber nicht mehr attackieren. Alonso profitiert nicht von frischeren Reifen und folgt dem Australier seinerseits mit Respektabstand.
Hamilton feiert vor den beiden Red Bull den 29. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere, den zweiten beim Nachtrennen in Singapur. Das Bonbon: Er übernimmt die WM-Führung und reist mit drei Zählern Vorsprung ins japanische Suzuka.
Die Höhepunkte des Singapur-Grand-Prix 2014: Nico Rosbergs Mercedes streikt beim Vorstart, Lewis Hamilton fährt einen weiteren Sieg ein, bestes Saisonergebnis für Sebastian Vettel.