Malaysia-Grand-Prix 2014: Regenchaos im Qualifying, Mercedes-Dominanz im Rennen und ein unglücklicher Daniel Ricciardo
Das fängt ja gut an: Das Lotus-Team, einst mit Geldern des malaysischen Staatskonzerns Proton gegründet (und deswegen mit Spezialaufklebern dekoriert), kommt im Freitagstraining in Sepang erneut kaum zum Fahren. Romain Grosjean und Pastor Maldonado schaffen in den ersten eineinhalb Stunden volle sechs Runden - und keine einzige Zeit.
Mit McLaren erwischt die Technik-Seuche am Samstagmorgen auch ein Mercedes-Team. Rennleiter Eric Boullier befürchtet schon, das Qualifying auslassen zu müssen, aber zum Glück stellt sich heraus: Nicht der Antriebsstrang selbst ist das Problem, sondern Sensoren, die falsche Daten liefern - wie schon tags zuvor bei Kevin Magnussen aufgetreten.
Der stellt im Qualifying-Stallduell gegen Jenson Button auf 2:0, trotz dieses spektakulären Ausritts in der Zielkurve in Q2 - eigentlich hatte der Däne nicht vor, den Weg durch die Boxengasse zu nehmen, in die er sich mit hoher Geschwindigkeit reindrehte.
Aber der strömende Regen, der den Beginn des Qualifyings um 50 Minuten verzögert, fordert weitere Opfer. Marcus Ericsson zum Beispiel, dem ein klassischer Rookie-Fehler unterläuft, als er in Q1 auf einem Randstein ins Schleudern gerät, in die Mauer rutscht und beim Austrudeln beinahe den Sauber von Esteban Gutierrez rammt. Immerhin wissen die Streckenposten beim Caterham, wo sie ihn am besten anfassen können...
Heimliche Helden des Qualifyings: die Ferrari-Mechaniker. In Rekordzeit von rund fünf Minuten wechseln sie die Spurstange am Wagen von Fernando Alonso, der zuvor Daniil Kwjat die Tür zugeschlagen hat. "Ich habe ihn nicht gesehen", gibt der Ex-Weltmeister zu. Für Experte Marc Surer ist klar: "Alonsos Schuld." Auch wenn sicher dazu beigetragen hat, dass er zu jenem Zeitpunkt mit den Intermediates (statt Full-Wets) auf den falschen Reifen war.
33. Pole-Position für Lewis Hamilton, damit auf einer Stufe mit den Legenden Jim Clark und Alain Prost. Erfolgreicher waren an Formel-1-Samstagen nur Michael Schumacher (68), Ayrton Senna (65) und Sebastian Vettel (45). Während Mercedes das Ergebnis von Melbourne exakt wiederholt, steht in der ersten Reihe ein (zumindest 2014) neues Gesicht: Vettel.
Für Sergio Perez ist der Rennsonntag schon vorbei, noch bevor er richtig anfängt. Wovon er bei der Fahrerparade noch nichts ahnt: Sein Force India schafft es wegen einer fehlerhaften Getriebesoftware nicht einmal in die Startaufstellung.
Start zum 16. Grand Prix von Malaysia: Hamilton behauptet seine Pole-Position, dahinter geht Nico Rosberg an Vettel vorbei. Und Nico Hülkenberg greift sich gleich den ersten der beiden Ferraris.
Vettel muss ausgangs zweiter Kurve lupfen, sodass Teamkollege Daniel Ricciardo trotz der zunächst schlechteren Außenbahn an ihm vorbeiziehen kann.
Der Start der ersten zwei Runden ist Valtteri Bottas: Am Start und in der ersten Runde macht er sechs Positionen gut, in der zweiten Runde weitere zwei. Plötzlich sitzt er seinem Williams-Teamkollegen Felipe Massa im Nacken.
Und es kracht auch am Start: Jean-Eric Vergne schlitzt seinem Landsmann Jules Bianchi den Reifen auf, der deswegen in den Lotus von Maldonado rutscht - und dafür die erste Fünf-Sekunden-Strafe der Formel-1-Geschichte kassiert.
Fünf-Sekunden-Strafe Nummer zwei "sichert" sich McLaren-Rookie Magnussen, indem er Kimi Räikkönens rechten Hinterreifen mit dem Frontflügel aufschneidet. Räikkönen fällt wegen des frühen Boxenstopps ans Ende des Feldes zurück, Magnussen kämpft mit einem miserablen Handling.
Weswegen er den Boxenstopp vorzieht und in Runde neun den Frontflügel wechseln lässt. Dadurch fällt der Zweite von Melbourne zunächst vom achten auf den 17. Platz zurück.
Bereits in der vierten Runde stellt Vettel die natürliche Hackordnung bei Red Bull wieder her, indem er Ricciardo überholt. Der reagiert aber widerwillig auf die Empfehlung des Teams, Vettel nicht zu dicht zu folgen und stattdessen sein Material zu schonen: "Ich will dabei sein, wenn etwas passiert!"
Die beiden Williams, im Renntrimm wieder konkurrenzfähiger als auf die schnelle Einzelrunde, werden in der Anfangsphase hinter dem McLaren-Duo aufgehalten. Bottas wird ungeduldig, macht Druck auf Massa. Der emotionale Brasilianer beschwert sich: "Habt ihr gesehen, was er getan hat?" Worauf der coole Finne mit ruhiger Stimme kontert: "Ich bin viel schneller als er."
In der achten Runde kommt das endgültige Aus für Maldonado. Ursache: Wegen eines sich anbahnenden Defekts des Turboladers befehlen ihm die Ingenieure, die Antriebseinheit sicherheitshalber abzustellen. Probleme, die sich bereits am Freitag angebahnt haben.
In der elften Runde liegt Vettel 2,2 Sekunden vor Ricciardo, der wiederum 1,6 Sekunden Vorsprung auf Alonso hat. Doch Vettel stoppt erst in der 13., Ricciardo in der zwölften, Alonso schon in der elften Runde. Letzterer hält seine Nase in der ersten Kurve kurz vor Ricciardo rein, der kontert aber auf sehenswerte Art und Weise. Das zusammengerückte Trio bricht erst wieder auseinander, als Alonso länger als die Red Bulls braucht, um an Bottas vorbeizukommen.
Nach dem Boxenstopp von Hamilton, der im ersten Stint 10,4 Sekunden Vorsprung auf Rosberg herausfährt, übernimmt Hülkenberg kurzzeitig die Führung. Der Deutsche übersteht 16 Runden auf dem ersten Satz weicher Reifen. So lang hält sonst nur Räikkönen durch, der zu jenem Zeitpunkt mit fast eineinhalb Minuten Rückstand an letzter Stelle liegt.
29. Runde: Grosjean im Lotus geht im Kampf um Platz zwölf an Kobayashi vorbei, aber der Routinier im Caterham nutzt den DRS-Vorteil auf der zweiten Geraden und kontert erfolgreich. Am Ende wird der Japaner für seinen Kampfgeist mit Platz 13 belohnt. Das reicht, um Caterham vorläufig wieder in die Top 10 der Konstrukteurs-WM zu bringen.
Als Sutil seinen Sauber in der 33. Runde abstellen muss, weil sein Ferrari-Antrieb keinen Strom mehr hat, macht der Deutsche seinem Landsmann Vettel ungewollt einen Strich durch die Rechnung. Denn just in jener Runde ist Vettel ein einziges Mal so nahe am zweitplatzierten Rosberg dran, dass er sich mit DRS vorbeizoomen könnte. Das verhindern die wegen Sutil geschwenkten gelben Flaggen.
Hamilton zieht indes weiter einsam seine Kreise, hält den Vorsprung konstant über zehn Sekunden und muss sich dafür noch nicht einmal groß anstrengen. Als Rosberg wieder ein paar beruhigende Wagenlängen Vorsprung auf Vettel hat, kommt bei Mercedes die Anweisung an beide Fahrer: Material schonen, Tempo drosseln - in der Hoffnung, dass kein Regen mehr kommt.
Beim dritten Boxenstopp in Runde 45 klebt Ricciardo schon wieder das Pech an den Hacken: Als er losfährt, hebt der Mechaniker links vorne den Arm - weil das Rad noch locker ist. Also erhält der Australier den Funkspruch, er soll in der Boxengasse stehen bleiben. Bis ihn die Mechaniker abgeholt und das Rad festgezogen haben, vergehen insgesamt eineinhalb Minuten.
Doch damit nicht genug: Wegen der unsicheren Freigabe spricht die Rennleitung eine Stop-&-Go-Strafe aus. Tut nichts mehr zur Sache, weil beim ruppigen
Die besten Zwölf setzen geschlossen auf eine Dreistoppstrategie, mit einer Ausnahme: Hülkenberg wechselt schon beim zweiten Stopp von Medium auf Hard und muss damit kein drittes Mal reinkommen. Als Alonso in der 42. Runde Reifen wechselt, hat der Deutsche auf den fünftplatzierten Spanier 16,7 Sekunden Vorsprung. Diese sind aber mit den älteren und härteren Pneus nicht zu halten: "Fernando hat mich lebend aufgefressen." Am Ende gibt es für den guten fünften Platz zehn wertvolle WM-Punkte.
In der Schlussphase eskaliert das Williams-Stallduell: "Felipe, Valtteri ist schneller als du. Halte ihn nicht auf!" Das bekommt Massa gleich zweimal zu hören - macht aber keine Anstalten, seinen Teamkollegen durchzulassen, damit dieser noch den sechstplatzierten Button jagen kann. "Valtteri kam an mir nicht vorbei, wie hätte er dann an Jenson vorbeikommen sollen?", winkt Massa ab. Aber Bottas sagt: "Ich glaube, ich hätte eine Chance gehabt." Schon nach zwei Rennen hängt der Haussegen schief.
Grosjean fährt das Rennen mit angeschlagenem Diffusor zu Ende, was ihn laut Lotus-Auskunft eineinhalb Sekunden pro Runde kostet. Trotzdem kann er Räikkönen im Finish hinter sich halten. Es reicht aber nicht mehr, um Rookie Kwjat im Toro Rosso noch aus den Punkterängen zu verdrängen. Am Ende fehlen 2,9 Sekunden.
Die Mercedes-Mechaniker jubeln über den ersten Doppelsieg eines Silberpfeil-Werksteams seit Monza 1955. Damals gewann Juan Manuel Fangio vor Piero Taruffi. Gutes Omen: Fangio wurde in jenem Jahr auch Weltmeister.
Vettel bleibt nichts anderes übrig, als den Mercedes-Fahrern zu gratulieren und ihnen Schampus in den Mund zu spritzen. Aber er kann dem dritten Platz auch Gutes abgewinnen: "Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, aber wir werden da hinkommen!"
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