Silverstone
Explosive Stimmung, Träume, die in Luft aufgehen und vor Aufregung platzende Beteiligte - Der Grand Prix von Großbritannien hatte es 2013 wirklich in sich. Da flogen sprichwörtlich die Fetzen. Und Hauptdarsteller des ereignisreichen Rennens war dieses Produkt aus Italien, das die Reifendiskussionen in Silverstone auf einen Höhepunkt brachte.
Doch der Reihe nach. Zum achten Grand Prix der Formel-1-Saison wurden Fahrer, Teams und Fans in Silverstone traditionell vom britischen Sommer in Empfang genommen. Die erste Trainingseinheit fiel daher beinahe komplett ins Wasser...
Nur elf Piloten trauten sich überhaupt an eine schnelle Runde heran, Daniel Ricciardo setzte im Toro Rosso die "schnellste" Zeit. Wasserscheu zeigte sich hingegen Kimi Räikkönen, der bei den Bedingungen lieber ganz in der Garage blieb. Der Rest des Wochenendes verlief allerdings trocken. Im zweiten und dritten Freien Training zeigte Nico Rosberg schon einmal, was er in den kommenden Tagen noch vorhatte, und führte die Zeitentabellen an.
Das Qualifying ging dann aber an den Lokalhelden Lewis Hamilton. Er schnappte sich die Pole-Position vor Rosberg und Vettel. Es war der erste Qualifikations-Erfolg des Briten in dieser Saison und wo hätte er die Pole besser holen können als zu Hause? Auch Force-India-Pilot Paul di Resta hatte erst über seinen fünften Startplatz gejubelt, ehe bekannt wurde, dass er mit seinem Auto das vorgegebene Gesamtgewicht unterschritten hatte und deswegen von ganz hinten starten musste.
Ein Brite auf Startplatz eins - es war angerichtet für die passionierten Fans von der Insel. Die Unterstützung der eigenen Fahrer ist dort traditionell immer sehr groß. Und da von Max Chilton im Marussia, dem zurückgesetzten Paul di Resta im Force India und Jenson Button im schwächelnden McLaren nicht allzu viel zu erwarten war, setzten die Anhänger alles auf Hamilton, der gute Aussichten auf seinen ersten Sieg für Mercedes hatte.
Für Hamilton galt es also einen Heimsieg zu sichern, für die Silberpfeile den bis dahin stets auftretenden Leistungsabfall zwischen Qualifying und Rennen zu überwinden und für Sebastian Vettel eine schon beachtlich wachsende WM-Führung auszubauen. Der Red-Bull-Pilot zog beim Start auch gleich an Rosberg vorbei. Hamilton konnte sich indes von seinen Verfolgern absetzen.
Pech hatte allerdings Mark Webber beim Start. Der Australier war von Startplatz fünf ins Rennen gegangen, fiel aber durch eine Kollision in Kurve eins, bei der er sich den Frontflügel beschädigte, weit zurück.
Hamilton führte seinen Heim-Grand-Prix souverän an, bis es zu ersten Schrecksekunde des Rennens kam, der noch viele folgen sollten: Reifenplatzer in Runde acht. Vom linken hinteren Pirelli-Reifen des Mercedes blieben nur noch Fetzen übrig. Zwar konnte sich Hamilton noch in die Box retten, mit den Siegchancen war es allerdings vorbei.
Nur kurze Zeit später ging es mit Felipe Massa weiter. Auch dem Ferrari des Brasilianers flog der Gummi um die Ohren. Aber auch er konnte das Rennen fortsetzen und wäre es bei diesen beiden Vorfällen geblieben, hätte es wohl noch als Zufall durchgehen können, dass es ebenfalls der linke Hinterreifen war, der sich verabschiedet hatte.
Währenddessen hatte sich durch den Hamilton-Zwischenfall und einen im Übrigen starken Adrian Sutil eine deutsche Dreierführung an die Spitze gesetzt. Vettel fuhr vor Rosberg und Sutil seinem vierten Saisonsieg entgegen.
Dann platzte auch Jean-Eric Vergne der Kragen. Also der, der den Gummi des Pirelli-Reifen zusammen halten soll. Von Zufall konnte nun definitiv nicht mehr gesprochen werden und in der Boxengasse stieg die Angst vor dem nächsten Opfer des offensichtlich unsicheren Pneus.
Um die Trümmerteile und Reifenfetzen zu beseitigen, die Gemüter zu beruhigen und der Lage Herr zu werden schickte Charlie Whiting erst einmal Bernd Mayländer auf die Strecke. Ganze Reifenteppiche wurden dabei von den Streckenposten weggetragen.
Während der Safety-Car-Phase fand lediglich ein Rennen der Räumfahrzeuge statt, sehr zur Belustigung der Zuschauer, die solche Szenen inmitten eines Rennens natürlich nicht gewohnt waren.
Purer Reifenfehler oder vielleicht zu scharfe Randsteine auf der Strecke - Diese Frage wurde an der Boxenmauer hektisch diskutiert. Auch Vettel wurde zur Vorsicht angewiesen, denn beim Reifenwechsel hatte man festgestellt, dass auch der Pirelli-Pneu des Red Bull kurz davor war, den Geist aufzugeben.
In der Boxengasse zuckte man unterdessen wegen eines anderen Vorfalls zusammen. Zwischen Grosjean und Alonso hätte es nämlich beinahe gekracht.
Das Reifendrama war allerdings noch nicht zu Ende und für Alonso wäre das fast ins Auge gegangen. Der Ferrari-Pilot fuhr nämlich knapp hinter Sergio Perez, als sich dessen Gummi über die Strecke verteilte.
Das Gleiche war dem Mexikaner im Mclaren im Übrigen schon beim dritten Freien Training passiert. Da hätte Pirelli eventuell schon aufhorchen müssen.
Als dann alle Reifen-Probleme und Sicher-geglaubte-Sieger-Ausfälle überstanden waren, kam es noch zu einer spannenden Endphase des Rennens. Hauptakteur war dabei Mark Webber, der sich nach seinem Pech beim Start schon wieder ordentlich nach vorne gekämpft hatte und in nur sechs Runden an Ricciardo, Sutil und Räikkönen vorbeizog.
Auf den Überholmarathon folgte dann eine regelrechte Hetzjagd auf den mittlerweile führenden Nico Rosberg. Der Australier war heiß auf den Sieg. Mit knappen 0,7 Sekunden Vorsprung überquerte dann aber doch der Mercedes-Pilot als erster die Ziellinie.
Weder Hamilton, noch Vettel standen am Ende als ganz oben auf dem Podest. Rosberg gewann vor Webber und Alonso. Hamilton hatte es aber immerhin noch auf den vierten Rang geschafft, Räikkönen kam wegen einer nicht aufgegangenen Reifen-Strategie als Fünfter ins Ziel.
Nachdem es schon beim seinem Sieg in Monaco kein Halten mehr gab, wurde auch der dritte Formel-1-Sieg der Karriere von Nico Rosberg standesgemäß begossen, vor allem, weil das Team aus Brackley den Erfolg Zuhause genießen konnte.
Einen frühen Feierabend konnte sich Paul Hembery indes abschminken. Der Pirelli-Mann musste nach dem Rennen noch viele Fragen über die Sicherheit der Reifen beantworten. Schließlich stand der Grand Prix mehrmals kurz vor dem Abbruch und Fahrer drohten danach sogar mit einem Streik, sollten die Ursachen der Vorfälle nicht ordnungsgemäß erkannt und behoben werden.
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