W 196 Stromlinie, Sechsrad-Tyrrell & Co.
Mercedes stieg in den 1950er-Jahren unter großem Aufsehen in die Formel 1 ein. Der W 196 Stromlinie fiel nicht nur durch seine ungewöhnliche (aerodynamische) Form auf, sondern war obendrein auch noch erfolgreich und machte Juan Manuel Fangio 1954 und 1955 zum Weltmeister. Übrigens: Die legendäre silberne Lackierung war bereits in den 1930er-Jahren entstanden, als Rennleiter Alfred Neubauer die ursprünglich weiße Farbe abkratzen ließ, um Gewicht zu sparen.
Die Aerodynamik des March 711, hier mit Niki Lauda beim Grand Prix von Österreich 1971, wurde von Frank Costin entwickelt. Der ungewöhnliche Frontflügel wurde von der Presse als "Teetablett" veräppelt. Immerhin: Ronnie Peterson holte mit dem Auto vier zweite Plätze und wurde hinter Jackie Stewart Vize-Champion.
Als "Hummerkralle" wurde der Brabham BT34 bezeichnet, den Ron Tauranac für die Saison 1971 entwickelt hatte. Für Teamleader Graham Hill wurde nur ein einziges Modell mit dem Doppelkühler vor den Vorderrädern gebaut; Tim Schenken musste mit einem konventionellen Fahrzeug an den Start gehen. Mehr als sieben WM-Punkte waren in jener Saison aber nicht drin.
Der Tyrrell P34 mit sechs Rädern gilt als eines der legendärsten Formel-1-Autos aller Zeiten. Die Grundidee war, durch schmälere Vorderreifen den Luftwiderstand zu reduzieren, was jedoch gleichzeitig weniger Reifen-Auflagefläche bedeutete. Also entwickelte Derek Gardner eine zweite Vorderachse für zwei zusätzliche Reifen und zusätzlichen Grip. Jody Scheckter und Patrick Depailler feierten in Schweden 1976 einen Doppelsieg. Letztendlich scheiterte das risikoreiche Konzept aber auch an der Entwicklung der speziellen Reifen, die für Goodyear auf lange Sicht nicht rentabel war.
Eher an eine Leiter als an eine Formel-1-Nase erinnert die Frontpartie des Ensign N179. Beim Grand-Prix-Debüt in Südafrika waren die Kühler in der Nase untergebracht. Das Auto überhitzte dennoch, und Derek Daly scheiterte wegen des miserablen Fahrverhaltens an der Qualifikation. Später wurden die Kühler an ihre konventionelle Position in den Seitenkästen versetzt.
Der Arrows A2, der ein wenig wie eine Zigarre aussieht, debütierte in der ersten Saisonhälfte 1979, die er jedoch nicht zu Ende fuhr. Weil damit bereits der Ground-Effect aufgegriffen wurde, war ein konventioneller Frontflügel unnötig. Stattdessen wollte man die gesamte Karosserie nutzen, um Anpressdruck zu generieren. Das große Handicap des Autos war das miserable Fahrverhalten in den Kurven.
Den Tyrrell-Designern Harvey Postlethwaite und Jean-Claude Migeot kam vor der Saison 1990 die Idee, dass man auch ohne seitliche Schürzen mit dem Unterboden die Aerodynamik beeinflussen könnte. Allerdings war dafür erforderlich, einen Luftstrom unter das Chassis zu bekommen. Die hohe Nase, heute Standard in der Formel 1, war geboren.
Benetton war 1991 das erste Team, das nachzog, unter der technischen Regie von John Barnard und Mike Coughlan. Am Steuer des B191 unter anderem ein gewisser Michael Schumacher.
Für viele eine der schönsten Nasen der Formel-1-Geschichte: der Ferrari 412 T2. Im Gegensatz zum 1994er-Modell trug Ferrari die Nase 1995 wieder tief, obwohl das Auto ansonsten in erster Linie eine Weiterentwicklung des Vorgängermodells war. Als Designer fungierten John Barnard und Gustav Brunner. Der einzige Sieg gelang Jean Alesi beim Grand Prix von Kanada.
Die vielleicht höchste Nase der Formel-1-Geschichte entwickelte das Arrows-Team für die Saison 1997. Dass Ex-Weltmeister Damon Hill mit dem A18 beinahe den Grand Prix von Ungarn gewonnen hätte, lag aber weder an der hohen Nase noch am schwachbrüstigen Yamaha-Motor, sondern vor allem an den Bridgestone-Reifen, die der Konkurrenz von Goodyear überlegen waren.
Überhaupt trieb die Saison 1997 so ihre Blüten. Entwickelt von Harvey Postlethwaite, tauchten in Monaco plötzlich die unsäglichen "X-Wings" auf den Seitenkästen auf, die (zumindest offiziell) aus Sicherheitsgründen für 1998 verboten wurden. Gleichzeitig fiel am Tyrrell 025 auch die Nase mit seitlichen Luftleitblechen auf.
Der 1997er-Jordan sorgte ebenfalls für hochgezogene Augenbrauen, allerdings weniger wegen seiner Aerodynamik, sondern vor allem wegen seiner Lackierung. Die "Kobra-Nase" war eine Idee von Zigaretten-Sponsor Benson & Hedges.
Und zwar keine einmalige: 1998 wurde die Kobra durch eine Hornisse abgelöst. Damon Hill und Ralf Schumacher feierten beim Regen-Grand-Prix von Belgien sogar einen überraschenden Doppelsieg mit dem gelben Flitzer.
Als "Hammerhai" ging der Williams FW26 aus der Saison 2004 in die Formel-1-Geschichte ein. Entwickelt wurde die ungewöhnliche Lösung, die ein wenig an so manches 2014er-Design erinnert, von Antonia Terzi. Die Italienerin hatte bei Ferrari unter Rory Byrne gelernt und wurde anschließend zur Williams-Chefdesignerin befördert. Am Saisonende 2004 war sie ihren Job wegen des Flops aber los - und das Team baute auf eine konventionelle Nase zurück.
2008 trieb die Suche nach immer mehr Anpressdruck immer ungewöhnlichere Blüten, bis solchen Auswüchsen durch das Reglement ein Riegel vorgeschoben wurde. BMW zum Beispiel begnügte sich nicht mit einem "Hirschgeweih" auf der Nase, sondern setzte weiter hinten noch ein zweites obendrauf, ...
... während McLaren neben dem Frontflügel eine weitere Strebe etwas höher platzierte und auch im Heck des Fahrzeugs quer ein Luftleitblech einbaute. Immerhin: Robert Kubica gewann mit dem BMW-Sauber F1.08 den Grand Prix von Kanada, Lewis Hamilton wurde mit dem McLaren MP4-23 sogar Weltmeister.
2012 kam es dann zu den bisher letzten Design-Gräueltaten an der Frontpartie, als die maximal erlaubte Nasenhöhe aus Sicherheitsgründen reduziert wurde. Dadurch kam es zu skurril aussehenden Abstufungen, wie etwa hier am hinterherfahrenden Caterham CT01, der eher an einen Entenschnabel als an einen Grand-Prix-Boliden erinnert.
W 196 Stromlinie, Sechsrad-Tyrrell & Co.