Von Rubens Barrichello bis Sebastian Vettel
Bereits 1988 kauft Paul Stewart seinem britischen Landsmann Gary Evans dessen Motorsport-Team ab und geht in der Britischen Formel 3 an den Start. 1995 entsteht die Idee, in die Formel 1 aufzusteigen, die Pleiten von Forti, Pacific und Simtek bewegen Stewart aber dazu, seinen Plan zu verschieben. 1996 wird die Idee dann wieder aufgegriffen - mit Support von Papa Jackie, der seine alten Verbindungen zu Ford anzapft und dem Familienteam einen Status als Semi-Werksteam sichert. In 17 Rennen der Premierensaison gelingen Stewart nur einmal Punkte, für den sensationellen zweiten Platz beim Regenrennen in Monaco. Rubens Barrichello bricht in Tränen aus, Jackie Stewart schenkt ihm eine Rolex-Armbanduhr.
Nach den WM-Plätzen neun und acht sollte 1999 das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Stewart-Teams werden, aber auch das letzte. Der SF3 mit dem typischen Tartan-Muster ist für viele Fans eines der schöneren Autos der Formel-1-Geschichte - und auch ein schnelles: 36 Punkte bedeuten den sensationellen vierten WM-Rang, vor dem Traditionsteam Williams.
Der absolute Höhepunkt der Saison ist das chaotische Regenrennen auf dem Nürburgring, das viele Fahrer gewinnen könnten. Aber Johnny Herbert und Rubens Barrichello machen alles richtig und sichern dem Team den ersten Sieg und Platz drei obendrauf. Ein schöner Abschied für Jackie Stewart, der wegen der Krebserkrankung seines Sohnes immer mehr Verantwortung übernimmt - und bereits im Juni 1999 mit dem Verkauf des Teams an Ford den Millionendeal seines Lebens macht.
Ford lackiert die Autos grün um und schickt die Konzernmarke Jaguar in der Formel 1 an den Start - eines der größten Geldverbrennungs-Kommandos der Grand-Prix-Geschichte, übertroffen vielleicht nur vom Toyota-Fiasko. Als Fahrer wird Eddie Irvine engagiert, im Jahr 2000 immerhin amtierender Vize-Weltmeister. Ford-Oberboss Jacques Nasser wundert sich bei einer Vorstandssitzung über die Gage des bestbezahlten Mitarbeiters des gesamten Konzerns: "Wer zum Teufel ist dieser Edmund Irvine?"
Am 6. Februar 2001 wird im Londoner Savoy-Hotel Niki Lauda als neuer Rennleiter vorgestellt, um das marode Team auf Vordermann zu bringen. Wenig später sollte der Österreicher Bobby Rahal (links) als Teamchef beerben - und (erfolglos) versuchen, Adrian Newey von McLaren abzuwerben. Jaguar-Präsident Wolfgang Reitzle ist noch optimistisch, bald auf die Siegerstraße einzubiegen.
"Die heutigen Autos kann doch ein dressierter Affe fahren!" Ein Zitat, das Niki Lauda im Januar 2002 auf den Kopf fällt, als er sich bei einem Formel-1-Test bis auf die Knochen blamiert und schon nach wenigen Metern die Kontrolle verliert. Am Jahresende ist sein Gastspiel bei den "Raubkatzen" dann auch als Teamchef beendet.
Der Durchbruch gelingt Jaguar nie, egal was im Management oder technisch geändert wird. Symbolisch dieser Testunfall von Antonio Pizzonia. Eddie Irvine fährt 2001 und 2002 immerhin je einmal auf das Podium, in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft bleibt aber der siebte Platz (2002 bis 2004) das Höchste der Gefühle.
Aufbruch in eine neue Ära: Ford verliert im Jahr 2004 zunehmend die Lust am Millionengrab Formel 1. Ein wichtiger Wendepunkt ist die Verpflichtung des jungen Österreichers Christian Klien, der Sponsor Red Bull im Gepäck hat. Mark Webber hat hingegen am Saisonende genug und wechselt zu Williams - nur um 2007 wieder zum Team aus Milton Keynes zurückzukehren.
Am 15. November 2004 geht das Jaguar-Team für einen symbolischen Euro an Red Bull über. Im Gegenzug verlangt der Ford-Konzern die Zusage, drei Jahre lang insgesamt 400 Millionen US-Dollar zu investieren. Im Bild Neuzugang David Coulthard bei den ersten Testfahrten mit Interimslackierung im Januar 2005.
Die Energy-Station ist heute das mit Abstand größte Motorhome im Paddock - und war es auch 2005 schon, wenn auch damals noch viel kleiner. Das heutige Modell wurde erst eingeführt, als 2006 auch Toro Rosso in die Formel 1 kam und man plötzlich eine zweite "Doppelhaushälfte" benötigte.
Ständige Gäste in der Energy-Station: die Formula Unas. 2008 wird das optisch attraktive PR-Projekt mit den hübschen Missen eingestellt - sehr zum Leidwesen der männlichen Paddock-Pundits.
Eigentlich sollten die Superman-Kostüme in Monaco 2006 nur ein PR-Gag sein, wegen der Kooperation mit einem großen Hollywood-Filmstudio. Aber Christian Klien, der auf dem Weg zu seinem ersten Podestplatz in der Formel 1 ausscheidet, und David Coulthard wachsen an jenem Rennsonntag tatsächlich über sich hinaus.
Coulthard ist es letztendlich, der das erste Podium in der Teamgeschichte einfährt - und Teamchef Christian Horner damit zwingt, eine Wette einzulösen: splitternackt in den Swimmingpool der Energy-Station zu springen! Coulthard ist gnädig und leiht dem jüngsten aller Formel-1-Bosse zumindest sein Superman-Cape.
Der Südtiroler Günther Steiner löst die alte Jaguar-Führungsspitze im Technikbereich ab und leitet in der Fabrik in Milton Keynes die längst überfällig gewordene Umstrukturierung ein. Doch der ganz große Durchbruch bleibt dem Team auch unter Steiner verwehrt - der von Red Bull aus der Formel 1 entfernt und in die NASCAR abgeschoben wird, wo er seine neue sportliche Heimat findet.
Der neue Heilsbringer kommt 2006 und heißt Adrian Newey (im Bild mit Dany Bahar, der damaligen rechten Hand von Dietrich Mateschitz). Der Legende nach soll Gerhard Berger, 50-Prozent-Partner von Mateschitz bei Toro Rosso, die Idee gehabt haben, den introvertierten Genius zu holen - um jeden Preis. Man munkelt, dass Newey, der bestverdienende Designer der Formel 1, rund zehn Millionen Euro Jahresgage kassiert.
Heimlich, still und leise baut Red Bull in Milton Keynes eine der modernsten Fabriken auf, investiert hunderte Millionen, stellt zugleich das schlagkräftigste Team zusammen. Doch geerntet wird erst ab 2009: Sebastian Vettel und Mark Webber sind in jener Saison von Anfang an konkurrenzfähig, fahren die ersten Siege ein - und werden nur nicht Weltmeister, weil Ross Brawn die Idee mit dem Doppeldiffusor früher umsetzt als Newey.
Beim Grand Prix von China die erste große Sternstunde: Vettel, zuvor noch zweimal im Pech, gewinnt das dritte Saisonrennen 2009 - und zwar gleich mit einem Doppelsieg. Aus der Spaßtruppe ist binnen vier Jahren ein ernstzunehmender Titelkandidat geworden. Auch wenn es 2009 doch noch nicht ganz reicht.
2010 dann schon: Weltmeister! Sebastian Vettel gewinnt das dramatische Saisonfinale in Abu Dhabi und damit auch den Titel - weil sich Webber mit dem frühen Boxenstopp verzockt und Ferrari mit Fernando Alonso darauf reagiert, Vettel völlig übersieht.
Großer Bahnhof für die Weltmeister 2010 bei der Ankunft am Red-Bull-eigenen Hangar-7 in Salzburg: Teamchef Christian Horner, Technikdirektor Adrian Newey und Champion Sebastian Vettel strahlen um die Wette. Nur bei Mark Webber, dem großen Geschlagenen, wirkt das Lächeln ein wenig gequält. Aber Red Bull hat es geschafft, ist auf dem Höhepunkt - und sollte auch 2011 und 2012 nicht vom Formel-1-Olymp gestoßen werden...
Von Rubens Barrichello bis Sebastian Vettel