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  • 28.09.2014 10:04

  • von Roman Wittemeier & Stefan Ziegler

Zandvoort-Faszination: Wenn Sand fliegt und Tarzan ruft

Die DTM-Piloten sind von der Traditionsstrecke in Zandvoort begeistert: Abtauchen in die Dünen und der wilde Bremspunkt vor der Tarzan-Kurve

(Motorsport-Total.com) - Ursprünglich hätte die DTM an diesem Wochenende auf einem Straßenkurs im chinesischen Guangzhou fahren sollen. Doch die Pläne für einen weiteren Auftritt im großen asiatischen Markt haben sich zerschlagen. Kurzfristig sprang Zandvoort als Austragungsort für den vorletzten Lauf der Saison 2014 ein. Konsequenz: Die Anreise für alle Fans und Beteiligten ist erheblich kürzer, die Piloten gehen regelmäßig mit einem breiten Grinsen durch das Fahrerlager.

Titel-Bild zur News: Augusto Farfus

Die Tarzan-Kurve (HIntergrund) lässt Duelle zwischen Piloten zu Zoom

"Du hast hier keine Diskussionen über Tracklimits. Die Grenze ist halt definiert über Kiesbett, Gras oder Mauer. Es ist eine schnelle Strecke, die einfach Spaß macht. Hier fährt jeder gern", sagt der noch amtierende Champion Mike Rockenfeller, der 2011 seinen ersten DTM-Sieg auf der Dünenbahn feiern durfte. "Wenn man über die Kuppe kommt und in das Dünental fährt - das ist klasse. Es ist einfach sauschnell dort."

"Auch mir gefällt die siebte Kurve bestens, das ist der Bogen über die Dünen hinüber. Das ist eine Passage, wo du den Abtrieb unserer DTM-Autos mal wirklich spürst. Da kommen wir auf bis zu 3,5 g - einzigartig im Kalender. Das ist einfach geil", schwärmt auch Audi-Markenkollege Timo Scheider. "Auch die Passage zwischen den Kurven drei und fünf ist schön und die zwei schnellen Ecken sind toll. Eigentlich sind alle Abschnitte richtig schön. Es ist eine dieser Strecken, die einen besonderen Reiz haben", ergänzt Mattias Ekström.

"Es ist old school nach dem Motto: If you're leaving the track, you'll find out", sagt der Schwede. "Moderne Rennstrecken haben überall Auslaufzonen. Ganz ehrlich: Das finde ich nicht so reizvoll. Hier in Zandvoort musst du die Grenzen akzeptieren und einhalten. Wenn du das nicht machst, dann tut es weh. Am Nürburgring oder in Hockenheim mit all den Auslaufzonen fühlt man sich ein bisschen anders. Hier gibt es keine Diskussionen über Tracklimits."

Tarzan-Kurve verleitet zum Spätbremsen

"Du weißt, dass es eng ist und dass das Kiesbett nah ist, aber beim Fahren merkst du es nicht. Daran denkst du gar nicht. Du willst einfach zwischen den beiden weißen Linien schnell sein und denkst nicht darüber nach, was drumherum ist", schildert BMW-Pilot Bruno Spengler. "Das ist ja das Schöne an einer Naturstrecke wie dieser hier. Es ist nicht künstlich. Man weiß als Rennfahrer, wo man bremsen muss, um hier heil durchzukommen", erklärt der neue Champion Marco Wittmann.

Zandvoort hat Tradition, Geschichte, besondere Reize. Die Namen mancher Ecken sind klangvoll und berühmt: die enge Hugenholtz-Rechtskurve, der Marlboro-Knick, die Sheivlak-Kurve, die mittlerweile per eigener Facebook-Präsenz gewürdigt und dargestellt wird. Und dann ist da noch die erste Kurve, die nicht nur Jane immer mit dem Namen "Tarzan" ruft. Der leicht überhöhte Rechtsbogen ist Überholstelle und knifflige Falle zugleich.

Timo Glock

Vollgas weiter: Hinter der Kuppe lauert eine schnelle Rechtskurve Zoom

"Du siehst bei der Zufahrt zur Tarzan-Kurve dieses Banking. Das führt dazu, dass du während des Bremsvorgangs immer wieder denkst: 'Ah, das hätte noch ein bisschen später gehen können'. Wenn dann Lenkwinkel und Bremsleistung zusammenspielen, dann geht irgendwann der Grip an der Vorderachse verloren. Dann wird es schwierig", beschreibt Scheider. "Dann geht es relativ schnell mal geradeaus."

"Das Schwierige ist, das Auto beim Anbremsen über die Bodenwellen in der Balance zu halten. Am Kurveneingang, wenn es über die Überhöhung geht, hast du gern mal ein stehendes Vorderrad", sagt Timo Glock. "Aber sobald du von der Linie abkommst, hast du gar keinen Grip mehr. Dafür sorgt der Sand. Und dann geht es auch schon dahin. Du versuchst zwar immer noch, ein bisschen zu kämpfen, aber auf dem Sand hast du kaum eine Chance und du stehst im Kies."

Bremse muss pünktlich vorbereitet werden

Die Piloten bremsen in die Tarzan-Kurve dermaßen tief hinein wie bei keiner anderen Ecke im gesamten DTM-Kalender. Der Anker, der am Ende der Start-Ziel-Geraden spätestens 70 Meter vor der Kurve dringend optimal funktionieren sollte, muss bei der Geradeausfahrt vorbereitet werden. Auf Höhe der Boxengasse blinken bei vielen Piloten einmal ganz kurz unter Vollgas die Bremslichter auf. Dabei geht es nicht um das Anwärmen der Bremsen, sondern darum, den Pedalweg kurz zu halten.

"Man pumpt einmal Druck an, während es Vollgas die Gerade hinuntergeht. Es gibt nichts Schlimmeres als fehlende Bremsperformance, wenn man sie im entscheidenden Moment braucht. Da kann man ein weiches Pedal nicht gebrauchen. Wenn die Bremse in der Tarzan-Kurve nicht da ist, dann ist es ein schlechtes Gefühl", berichtet Scheider, der die "Old-School-Strecke" Zandvoort innig liebt - auch wenn sie ihm bisher keinen Sieg gewährte.

Mike Rockenfeller erklärt das kurze Aufblinken der Bremsleuchten noch präziser. "Das liegt am sogenannten 'Knock-back' von den Randsteinen", so der DTM-Meister von 2013. "Wenn man über die Kerbs fährt, dann werden durch die Vibrationen und Kräfte die Kolben im Bremssattel zurück gedrückt. Dadurch hast du beim Anbremsen der nächsten Kurve ein langes Pedal. Daher pumpt man einmal, damit die Beläge wieder anliegen."


DTM in Zandvoort: Die Highlights des Qualifyings

Vorjahreschampion Mike Rockenfeller schnappt sich die Pole-Position vor dem bereits gekürten Meister Marco Wittmann und Edoardo Mortara Weitere DTM-Videos

"Ich glaube, es ist alles sehr speziell in Zandvoort", fasst Scheider zusammen. "Es hat schließlich einen Grund, dass alle Fahrer diese Strecke lieben. Sie ist old school, sie vereint wirklich alles: schnelle Passagen, langsame Ecken, Banking, blinde Kuppen. Kurzum: Es ist alles vorhanden, was sich ein Rennfahrer wünscht. Wenn du ein schnelles Auto hast, dann ist es hier einfach nur geil zu fahren. Alle Fahrer sagen das."