Kolumne: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Dani Pedrosa wird auch 2018 wieder einmal vom Pech verfolgt - Möglicherweise hat er damit bereits seine letzte Chance auf einen WM-Titel in der MotoGP verloren

Titel-Bild zur News: Daniel Pedrosa

Dani Pedrosas WM-Hoffnungen haben sich auch 2018 schon wieder zerschlagen Zoom

Liebe Leser,

ähnlich wie nach dem Rennen in Austin vor zwei Wochen tue ich mich schwer, nach dem MotoGP-Lauf in Jerez einen klaren Verlierer des Wochenendes zu "krönen" - allerdings aus einem ganz anderen Grund als damals. Gab es vor 14 Tagen keine offensichtlichen Optionen, ist die Auswahl heute fast schon zu groß (mehr dazu am Ende dieser Kolumne). Am Ende entscheide ich mich für einen Mann, der eigentlich eine bessere Nacht verdient gehabt hätte.

Die Rede ist von Dani Pedrosa, dem das Pech auch in diesem Jahr wieder einmal an den Hacken klebt. Das Rennen in Jerez ist dabei eigentlich nur die Spitze des Eisbergs, denn anstatt mitten im WM-Kampf dabei zu sein, liegt der Spanier nach vier Saisonrennen bereits 52 Punkte hinter seinem Teamkollegen Marc Marquez. Die Saison ist für den Samurai wieder einmal gelaufen, bevor sie so richtig angefangen hat.

Rückblick: 2011 liegt Pedrosa nach drei Rennen bereits 20 Punkte vor dem späteren Weltmeister Casey Stoner. Beim vierten Rennen in Le Mans bricht er sich das Schlüsselbein, fällt drei Rennen aus. Die Saison ist gelaufen. 2015 muss er nach dem Auftakt in Katar drei Rennen aussetzen. Diagnose: Armpump. Eine weitere Saison ist gleich in der Frühphase im Eimer.

Nächste Saison gleich zu Beginn ruiniert

Ich will damit nicht sagen, dass Pedrosa in den beiden besagten Jahren andernfalls den Titel gewonnen hätte. Aber es sind einfach zwei bezeichnende Situationen für seine gesamte Karriere in der Königsklasse. Und 2018? Bereits in Argentinien schied der Spanier unverschuldet aus. Früh im Rennen wurde er von Johann Zarco abgeräumt. Den Grand Prix in Termas gewann am Ende Honda-Kollege Cal Crutchlow.

Ich bin auch heute noch immer der Meinung, dass Pedrosa vermutlich der Sieger des zweiten Saisonrennens gewesen wäre, wenn er nicht so früh abgeflogen wäre. Doch der Konjunktiv zählt im Motorsport nicht. Das musste vermutlich kein MotoGP-Pilot in seiner Karriere annähernd so oft und so schmerzhaft erfahren wie Dani Pedrosa.


Fotos: Daniel Pedrosa, MotoGP in Jerez


Und so ist es eigentlich auch müßig, darüber zu diskutieren, wo der Spanier gestern gelandet wäre, wenn er nicht mit Jorge Lorenzo kollidiert wäre - ich tue es aber trotzdem einmal. Hätte er das Rennen gewonnen? Vermutlich nicht, dazu war Marc Marquez schon zu weit weg. Wäre er auf dem Podium gelandet? Das schon eher. Gehen wir also einfach einmal davon aus, dass Pedrosa in Argentinien gewonnen hätte und in Jerez Zweiter geworden wäre.

Tristesse statt Titelkampf

Dann hätte er satte 45 Punkte mehr auf dem Konto, läge auf dem zweiten WM-Platz und wäre voll drin im Titelkampf. Die Realität ist - wie wir wissen - eine andere. Besonders bitter: Pedrosa kann selbst gar nichts dafür. Jorge Lorenzo mag das anders sehen, aber für mich trägt der Spanier keine Schuld an dem Zwischenfall, bei dem sowohl er als auch die beiden Ducati-Piloten abgeflogen sind.

Und auf menschlicher Ebene kann einem der kleine Spanier mit dem großen Kämpferherz ohnehin nur leidtun. Nachdem er sich bei seinem Crash in Termas einen Bruch an der rechten Hand zuzog, biss er sich durch das Rennen in Austin, um dort unter gewaltigen Schmerzen zumindest noch neun WM-Punkte für den siebten Platz mitzunehmen. Das brachte ihm zwar Sympathien ein, wird ihm aber am Ende des Jahres nicht helfen - wieder einmal.

Ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich mich jetzt schon festlege: Der MotoGP-Weltmeister wird auch 2018 wieder nicht den Namen Dani Pedrosa tragen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Dani Pedrosa wird nie mehr MotoGP-Champion. Denn nicht nur sportlich entwickelt sich 2018 für ihn wieder einmal zu einem Seuchenjahr, auch seine Zukunft steht aktuell auf der Kippe.

War es schon Pedrosas letzte Chance?

Pedrosa hat noch keinen neuen Vertrag für 2019 unterzeichnet, und am Wochenende wurde bekannt, dass Honda (unter anderem) mit Andrea Dovizioso spricht. Das mag nur eine clevere Taktik von "Dovi" und seinem Management sein, um dessen Preis bei Ducati in die Höhe zu treiben. Aber ganz ausschließen, dass der Italiener zu seinem Ex-Arbeitgeber zurückkehren wird, kann man nicht. Das weiß natürlich auch Pedrosa.

Seit 2006 fährt der Spanier in der Königsklasse für die Repsol-Truppe. So treu ist kein anderer Pilot im Fahrerfeld. Den Titel konnte er in dieser Zeit aber nie gewinnen. Und selbst, wenn Honda seinen Vertrag noch einmal verlängern sollte: Ewig wird er nicht mehr auf der RC213V sitzen. Früher oder später wird Pedrosa, der im September 33 wird, seinen Platz räumen müssen. Und das - so sieht es aktuell aus - ohne einen Titel in der Königsklasse.

Übrigens: Mit einer ähnlichen "Wette" - nämlich der, dass Nico Rosberg niemals Formel-1-Weltmeister werden wird - flog unser Chefredakteur Christian Nimmervoll vor einigen Jahren einmal ziemlich auf die Schnauze. Für Dani Pedrosa würde ich mir wünschen, dass es mir ähnlich geht. Verdient hätte er es. Der Glaube daran, dass sich sein Glück irgendwann noch einmal wendet, fehlt mir allerdings - aktuell mehr als je zuvor.


Fotos: MotoGP in Jerez, Girls


Wer sonst noch schlecht geschlafen hat
Lin Jarvis: Der Boss von Valentino Rossi und Maverick Vinales muss hier einmal stellvertretend für das ganze Yamaha-Team herhalten - und wäre ohne den "Dreiercrash" eigentlich auch meine erste Wahl gewesen. Die Plätze fünf und sieben für den "Doctor" und seinen Teamkollegen sind mehr als schmeichelhaft. Im Normalfall wären Crutchlow, Pedrosa, Lorenzo und Dovizioso alle auch noch vor den beiden ins Ziel gekommen.

Zudem wurden Rossi und Vinales am ganzen Wochenende wieder einmal von Tech-3-Pilot Johann Zarco düpiert. Das wird langsam zur Gewohnheit. Nach vier Saisonrennen steht Yamaha noch immer ohne Sieg da, und dass das Werksteam die Teamwertung aktuell anführt, spiegelt nicht einmal ansatzweise die aktuellen Verhältnisse in der MotoGP wieder. Rossi fordert zurecht: Es muss sich endlich etwas tun!

Andrea Dovizioso: In Jerez ist genau das passiert, was nicht passieren durfte. "Dovi" hat - ebenfalls unverschuldet - seinen ersten "Nuller" in diesem Jahr geschrieben. Will er den WM-Titel gewinnen, kann das in dieser Saison nur über Konstanz gehen. Der eine Ausfall könnte bereits einer zu viel sein, denn plötzlich ist Marquez in der WM 24 Punkte weg. Eine ruhige Nacht dürfte der Italiener daher nicht gehabt haben.

Jorge Lorenzo: Das Heimrennen hätte - wie auch schon 2017 - einen Aufwärtstrend bei Ducatis "Problemkind" einleiten können. Stattdessen gab es den nächsten Nackenschlag. Rennen lange angeführt, aber am Ende wieder leere Hände. Der Spanier wird langsam zum Dauergast in unserer Kolumne. Immerhin war er bis zum Crash vorne dabei. Vielleicht hat ihn das zumindest ein bisschen besser schlafen lassen.

Bradley Smith: Gleich drei Verträge gab KTM am Wochenende bekannt: Pol Espargaro verlängert im Werksteam, Johann Zarco wird sein neuer Teamkollege und Miguel Oliveira steigt von der Moto2 ins Kundenteam Tech 3 auf. Smith schaut in die Röhre. Das war zwar zu erwarten, doch die Tatsache, dass der Brite beim Werksteam jetzt offiziell raus ist, wird seine Nächte nicht angenehmer machen. Für ihn geht es ab jetzt nur noch um seine Zukunft.

Ihr


Ruben Zimmermann


Ruben Zimmermann