Aus dem Odenwald in die Motorsport-Welt
Der am 18. März 1982 in Lindenfels, einer 5000-Seelen-Gemeinde in Südhessen, geborene Timo Glock war ein motorsportlicher Spätzünder und begann seine Karriere 1996 auf dem Motocross.
1997 wechselte er in den Kartsport. Erfolge stellten sich für den gelernten Gerüstbauer, der eigentlich den Betrieb seines Vaters hätte übernehmen sollen, schnell ein.
2001 kam dann auch die Formelkarriere mit einem erfolgreichen Engagement in der Formel BMW in Schwung, anschließend ging es in die Formel 3.
Nach Platz drei in der Deutschen Meisterschaft wurde er 2003 mit drei Lauferfolgen Gesamtfünfter der neu gegründeten Euroserie. Rechts von Glock (Mitte) steht hier übrigens Christian Klien. Die Karriere des Brasilianers Fabio Carbone (links) verlief in der Renault-World-Series und der japanischen Super-GT-Meisterschaft im Sande.
Der Lohn: Ein Testfahrer-Job bei Jordan in der Formel 1, den Glock 2004 antrat. In Barcelona ging es zum ersten Mal auf die Strecke.
Doch aller Anfang war schwer: Dabei gab sich der Odenwälder doch wirklich alle Mühe, zumindest die Fotografen mit Spektakel zu beglücken.
Immerhin: Zum obligatorischen Formel-1-Fotocall in Melbourne durfte Glock mit schnittiger Kurzhaarfrisur antreten. Damals an seiner Seite waren die Stammfahrer Nick Heidfeld und Giorgio Pantano. Ob der Jordan-Näherei die Sponsorensticker ausgegangen sind?
Weil damals alle Teams außerhalb der Top 4 der Konstrukteurs-Wertung am Freitag ein drittes Auto einsetzen durften, bekam Glock wesentlich mehr Praxis hinter dem Steuer als die heutigen Testpiloten. Das sollte sich auszahlen.
Pantanos Sponsoren überwiesen nicht das versprochene Geld auf die Jordan-Konten und Glock kam auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal zu seinem ersten Grand-Prix-Einsatz. Sein beinahe sensationeller siebter Rang wurde damals mit zwei WM-Zählern belohnt. Doch schon eine Woche später in Indianapolis saß wieder Pantano im Auto.
Obwohl er für drei finalen Saisonrennen wieder ins Cockpit durfte, ging seine erste Formel-1-Karriere zu Ende. Glock versuchte sich 2005 nicht nur wie hier beim Test in der Formel Superfund, sondern auch in Übersee - in der ChampCar-Serie. Bei Rocketsports fuhr er einmal auf das Podium und wurde Neuling des Jahres.
Doch 2006 rief wieder Europa, genauer gesagt die neu gegründete GP2-Serie. Bei BCN Competicion blieb er lange unauffällig, der Wechsel zu Paul Jacksons iSport-Mannschaft zur Mitte der Saison jedoch verlieh Glock Flügel. Er holte zwei Laufsiege und wurde noch Vierter der Meisterschaft.
Das war auch Mario Theissen nicht entgangen. Der BMW-Motorsportchef holte Glock 2007 als Testfahrer in das Formel-1-Projekt der Münchener.
Bei BMW konnte Glock Erfahrung in einem Spitzenauto der Formel 1 sammeln, blieb aber ohne Renneinsatz. Die sportliche Bestätigung holte er sich dafür in der GP2...
...wo er mit iSports an die Spitze stürmte. Fünf Laufsiege glückten Glock.
Am Ende stand der Meistertitel und damit das Rückreise-Ticket in die Formel 1.
Glock löste es 2008 bei Toyota ein und trat die Nachfolge Ralf Schumachers an. Er wurde Teamkollege von Jarno Trulli und dem damaligen Testfahrer Kamui Kobayashi.
Wieder brauchte Glock nicht lange, um in die Spur zu finden. In seiner ersten vollen Formel-1-Saison gab es fünfmal Punkte, in Kanada und in Singapur schrammte er haudünn am Podium vorbei.
2009 in Malaysia dann die Erlösung dank Rang drei: Und es sollte noch mehr Edelbrause den Overall tränken, da in Singapur der nächste Gang auf das Podest anstand. Sogar als Zweiter.
Glock schien auf dem Weg, sich in der Formel 1 zu etablieren. Und es wirkte, als könnte Toyota endlich das enorme Potenzial des eigenen Projektes nutzen. Doch es folgte ein herber Rückschlag.
Im Freien Training in Suzuka hatte Glock einen heftigen Unfall eingangs der Start- und Zielgeraden. Er zog sich eine schwere Beinverletzung zu.
Nach dem Japan-Grand-Prix musste er auch die abschließenden Saisonläufe in Brasilien und Abu Dhabi auslassen, die Ersatzpilot Kamui Kobayashi bestritt. Und so endete die Ära Glock bei Toyota im Stillen.
Obwohl er zum Beispiel auch von Renault ein Angebot vorliegen hatte, entschied sich Glock 2010 für eine neue Herausforderung und ging zum neuen Virgin-Rennstall des exzentrischen Milliardärs Richard Branson. Ob es vielleicht die coolen Lederjacken waren, die den Hessen und Teamkollege Lucas di Grassi überzeugten?
Das Auto kann es jedenfalls nicht gewesen sein, schließlich lief es sportlich nicht so rund wie modisch. Mit dem neuen Team fuhr Glock chronisch hinterher, an WM-Punkte und anderen Luxus war bei Virgin nicht zu denken.
Erfolgserlebnisse gab es nur auf anderem Untergrund. Dennoch: Glock hielt durch und blieb mit der verwegenen Hoffnung auf Besserung bei Virgin, das sich ab 2011 Marussia nannte.
Doch neuer Name hieß nicht neuer Speed. Wieder waren die drei jüngsten Mannschaften chancenlos und Glock wurde im wahrsten Sinne des Wortes langsam aber sicher zum dauerhaften Hinterbänkler.
Zynisch gesagt: Mit seinem Rennrad wäre der begeisterte Hobbyradler wahrscheinlich schneller um so manchen Kurs gekommen als mit seinem Formel-1-Boliden.
Trost gab es von Freundin Isabell Reis, einen Anschlag auf den Diätplan ebenfalls. Zucker soll ja glücklich machen...
...aber eben auch Rennautos nicht schnell. 2012 wurde zur Seuchensaison für Marussia, das ohnehin die Dauerseuche heimgesucht hatte. Höchste Zeit für Glock, dem chronisch klammen Team den Rücken zu kehren und Platz für einen Paydriver zu machen.
Doch andernorts gibt es ja auch schicke Autos: zum Beispiel in München. Sein Lieblingsmodell fand Glock allerdings nicht in der BMW-Welt, sondern auf der Rennstrecke.
Dort hat BMW für ihn ein quittegelbes Postauto geparkt. Déjà-Vu? Wenn ja, gibt es am 5. Mai in Hockenheim für Glock gleich Meisterschaftspunkte.
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