Ein Großer verlässt BMW: Wie Bruno Spengler vom ewigen Zweiten bei den Münchnern zum DTM-Champion wurde und welche Rolle Toto Wolff spielte
Mit Bruno Spengler verlässt einer der ganz Großen nach 13 Jahren BMW! In der DTM holt er in 195 Rennen 16 Siege, 51 Podestplätze, 18 Polepositions und 2012 den Meistertitel im BMW-Comebackjahr. Wir lassen die Karriere des Publikumslieblings Revue passieren, der auch Toto Wolff den Einstieg ins Motorsportmanagement bescherte.
Der 18-jährige Spengler fällt 2002 in der deutschen Formel Renault als Vizemeister hinter Christian Klien auf. Er stellt sich in Zeltweg einem gewissen Toto Wolff vor, der nach einer eher erfolglosen Rennkarriere ins Fahrermanagement einsteigen will, aber einen anderen Fahrer im Auge hat. Dennoch nimmt Wolff Spengler unter Vertrag.
Mit Wolff im Rücken nimmt die Karriere Fahrt auf: Spengler wird Mercedes-Junior, wechselt in die hochkarätige Formel-3-Euroserie und fährt für Frederic Vasseurs ASM-Team. Seine Gegner: Nico Rosberg, Robert Kubica, Timo Glock, Jamie Green, Christian Klien oder Lucas di Grassi.
Doch beim Testen in Dijon erlebt Spengler noch vor dem Saisonauftakt 2003 einen schweren Rückschlag: Er verliert in der Zielkurve die Kontrolle über seinen Formel-3-Boliden und schlägt in die Mauer ein. Die Diagnose: Bruch des ersten Rückenwirbels. Spengler fürchtet das Karriereende.
Nachdem ihm Norbert Haug die Treue von Mercedes versichert, beweist Spengler Kampfgeist und sitzt nach drei Monaten Pause wieder im Formel-3-Boliden. Doch nicht nur das: Er fährt bis Saisonende dreimal auf das Podest und wird Zehnter in der Meisterschaft - nur zwei Plätze hinter Rosberg.
2004 versucht es Spengler bei Mücke noch einmal in der Formel-3-Euroserie, in der inzwischen auch Lewis Hamilton startet, und wird Robert Kubicas Teamkollege. Das Jahr wird zur Enttäuschung: Spengler gelingt nur ein Podestplatz und wird Elfter, während Jamie Green den Titel holt. Aber auch Kubica kommt über Platz sieben nicht hinaus.
Trotz der mäßigen Saison gibt Mercedes Spengler die Chance, 2005 im DTM-Jahreswagen des Persson-Teams sein Talent zu zeigen. Teamkollege Green ist erneut besser und wird knapp hinter Mika Häkkinen Sechster in der Meisterschaft, Spengler holt einen sechsten Platz und wird 15. Niemand glaubt, dass er ein Jahr später um den Titel fährt.
2006 wird beinahe zum Jahr des Bruno Spengler: Ins Werksteam HWA aufgestiegen, holt er auf dem Norisring seinen ersten DTM-Sieg - und lässt es beim darauffolgenden Rennen auf dem Nürburgring gleich noch einmal krachen. Teamkollege Bernd Schneider kann er zwar trotz zwei weiterer Siege nicht abfangen, dafür jubelt niemand so oft wie er.
2007 kann selbst "Mr. DTM" Bernd Schneider den Senkrechtstarter nicht mehr halten: Spengler wird nur drei Punkte hinter Champion Mattias Ekström Zweiter in der Meisterschaft - und damit bester Silberpfeil-Pilot. Norbert Haugs Vertrauen hat sich ausgezahlt.
Spengler, der seinen Formel-1-Traum nie aufgegeben hat, wird nach Tests im McLaren-Simulator sogar als möglicher Nachfolger von Fernando Alonso gehandelt. Am Ende entscheidet sich Ron Dennis aber für Heikki Kovalainen. In der DTM folgt ein Zwischentief: Teamkollege Paul di Resta wird Meister, Spengler bleibt zwei Jahre sieglos.
2010 ist Bruno Spengler wieder voll da! Er reißt die DTM-Führung rasch an sich und wehrt sich gegen die Markenkollegen Paul di Resta und Gary Paffett. Bis zum Finale spricht alles für den Kanadier, doch Schanghai wird zum Albtraum: Platz 17 im Qualifying, Platz 13 im Ziel. Paffett siegt vor Meister di Resta, Spengler weint bittere Tränen.
Nachdem er bis zur Saisonmitte die Meisterschaft anführt, wird Spengler 2011 als Dritter immerhin bester Mercedes-Pilot. Und verabschiedet sich in Richtung München: Der Kanadier soll beim BMW-Comeback in der DTM die Marschrichtung vorgeben. Der Plan geht auf!
Schnitzer-Pilot Spengler beschert BMW schon beim zweiten Saisonrennen auf dem Lausitzring den ersten Sieg seit 1992. Und wird zum Jäger von Paffett, der die ganze Saison von der Tabellenspitze lacht. Doch dann schafft Spengler, der mit drei Punkten Rückstand in das Finale geht, was ihm niemand zutraut: Er siegt und ist DTM-Meister!
Mit der Nummer 1 des Titelverteidigers gelingt Spengler immerhin ein Sieg in Spielberg - und Platz drei in der Meisterschaft hinter Mike Rockenfeller und Markenkollege Augusto Farfus. Dafür muss er 2014 einen Rückschlag hinnehmen: Während BMW-Aufsteiger Wittmann Meister wird, liegt er als Elfter erstmal seit dem Debüt nicht in den Top 5.
Anfang 2015 trumpft Spengler beim 24-Stunden-Klassiker in Daytona auf! Gemeinsam mit seinen RLL-Teamkollegen Bill Auberlen, Augusto Farfus und Dirk Werner fehlen ihm im BMW Z4 am Ende nur 0,478 Sekunden auf die siegreiche Corvette.
2015 wechselt Spengler in der DTM zum BMW-Werksteam MTEK. Er siegt zwar erneut nicht, wird aber immerhin Fünfter in der Meisterschaft und damit bester BMW-Pilot. Dafür geht die Achterbahnfahrt 2016 weiter - und Spengler landet nur auf dem 15. Platz.
Etwas Trost spendet die Langstrecke: Spengler wird mit seinen Teampartnern Bill Auberlen und Dirk Werner beim 12-Stunden-Rennen in Sebring starker Zweiter. Es ist der erste Podestplatz für den neuen BMW M6 GTLM.
2017 muss Spengler in der DTM erneut das Team wechseln und sich an die belgische Truppe von Bart Mampaey gewöhnen. Doch der Routinier lässt sich nicht unterkriegen und feiert auf dem Norisring den ersten Sieg seit über vier Jahren. In die Top 10 schafft er es aber auch bei Mampaey nicht: 2017 wird er 13., 2018 Zwölfter.
Dafür geht Spengler immer wieder neue Wege: Neben zahlreichen Langstreckeneinsätzen, die er für BMW bestreitet, entwickelt er als Testfahrer das neue Formel-E-Auto mit und ist 2018 auch als Ersatzmann an Bord.
2019 folgt für Spengler in der DTM der nächste Teamwechsel: Er wird zum RMG-Team von Stefan Reinhold geholt. Mit dem neuen Turbo-M4 kommt er sofort gut zurecht und scheitert zu Saisonstart nur wegen unglücklicher Safety-Car-Phasen an Podestplätzen. Am Norisring ist er aber nicht mehr zu stoppen und holt den fünften Nürnberg-Sieg.
Es sollte sein 16. und letzter Triumph in der DTM sein. Trotz eines zweiten Platzes beim vorletzten Wochenende auf dem Nürburgring und Platz neun in der Meisterschaft muss er sein Cockpit räumen und wird in die IMSA-Serie abgezogen - sehr zum Leidwesen der Fans, die den 36-Jährigen in 15 Jahren DTM ins Herz geschlossen haben.
2020 bestreitet Spengler im M8 GTE mit Connor de Phillippi die komplette IMSA-Serie und holt einen Sieg und insgesamt vier Podestplätze. In der Gesamtwertung landen sie auf Platz vier. 2021 bestreitet er nur mehr die Langstreckenrennen, ehe die GTE-Autos ins Museum kommen.
2022 wird für Spengler ein hartes Jahr: Bei BMW hat er keine ernsthaften Renneinsätze, doch er macht das beste draus und startet im Classic-Programm bei der DTM am Norisring. Zudem fährt er in der ECTR Elektro-Tourenwagen und erleidet bei einem Crash in Vallelunga einen Wirbelbruch.
Dafür setzt er 2023 noch einmal ein Highlight: Erholt von seiner Verletzung, startet Spengler neben Einsätzen in Japan auch in der italienischen GT-Serie mit Teampartner Jens Klingmann im BMW M4 GT3. Das Duo sichert sich im Finale den Meistertitel. 2024 fährt Spengler erneut in Japan, ehe er zu Saisonende BMW verlässt.