MotoGP-Regeln 2027: GPS-Daten für alle einsehbar - die Hintergründe

Nicht nur die Rennleitung sondern auch die Teams und die Fans (TV) werden Einblick in die GPS-Daten erhalten - Analysemöglichkeiten, die von der Formel 1 kommen

(Motorsport-Total.com) - Als das MotoGP-Reglement ab der Saison 2027 präsentiert wurde, gab es unter Punkt 2.4.3.5 einen auf den ersten Blick unscheinbaren Satz: "GPS-Daten aller Fahrer werden nach jeder Session für alle Teams zur Verfügung gestellt." Dahinter versteckt sich sehr viel.

Titel-Bild zur News: Aleix Espargaro

Ab 2027 werden genauere GPS-Daten für alle zur Verfügung stehen Zoom

"Wir arbeiten jetzt seit einigen Jahren mit neuen Transpondern in der MotoGP, die auch GPS umfassen. Das nutzen wir für die Rennleitung", sagt Dorna-Sportdirektor Carlos Ezpeleta. Damit wird angezeigt, wo sich welcher Fahrer auf der Strecke befindet.

Auch für die Positionsanzeige in den Fernseheinblendungen wird GPS verwendet. Deswegen werden Positionsänderungen oder Stürze relativ schnell in der Liste in der linken Seite des TV-Bildes angezeigt und nicht erst beim nächsten Sektor.

"Jetzt beträgt die Genauigkeit rund zwei Meter", sagt Dorna-TV-Experte Simon Crafar. "In Zukunft soll das genauer werden, damit die Daten nutzbar werden, um sich Linien und so weiter ansehen zu können. Die Rennleitung wird sich das in Echtzeit ansehen können."

Das neue GPS-System soll bis auf wenige Zentimeter genau sein und damit deutlich bessere Daten liefern als aktuell. "Das wird bei vielen Dingen hilfreich sein", betont Ezpeleta. "Auf der einen Seite betrifft das die Sicherheit und die Analyse von Stürzen."

"Das wird der Rennleitung helfen. Welche Linien die Fahrer nehmen und welche Distanzen sie zurücklegen. Es wird auch den Fans viele Einblicke ermöglichen. Zum Beispiel wie die Fahrer unterschiedliche Linien fahren, und auch wie sich die Motorräder unterscheiden."

Videoanalysen werden durch GPS-Daten ersetzt

Deswegen hat man sich zur Transparenz entschieden. Nach jedem Training erhalten alle Teams alle GPS-Daten. Auf der einen Seite kann die Rennleitung Kollisionen und Zwischenfälle besser bewerten. Aber auch für TV-Analysen werden diese Daten zur Verfügung stehen.


Fotos: MotoGP: Grand Prix von Frankreich (Le Mans) 2024, Grand Prix


Ein Gamechanger werden diese GPS-Daten für die Teams sein. Derzeit ist es so, dass jedes Team ihre Riding-Coaches rund um die Strecke schickt. Sie machen Videoaufnahmen an verschiedenen Stellen. Später werden diese Aufnahmen am Computer übereinandergelegt.

Dann kann man erkennen, welches Motorrad und welcher Fahrer welche Linien fährt und wo man selbst auf die Konkurrenz gewinnt oder verliert. Diesbezüglich gibt es bereits Softwaretools, die diese Videoanalysen erleichtern.

Großer Vorteil für die Teams?

In Zukunft können die Teams die GPS-Daten vergleichen. Ein Vorgang, wie er seit Jahren in der Formel 1 praktiziert wird. Jedes Team analysiert und vergleicht sich mit der Konkurrenz und weiß genau über alle Stärken und Schwächen Bescheid.

Wird das also für die MotoGP-Teams ein großer Vorteil? "Ja und nein", meint KTM-Technikdirektor Fabiano Sterlacchini bei GPOne.com. "Jetzt arbeiten alle Teams mit Kameraleuten und die MotoGP nutzt bereits GPS, aber die Daten sind nicht verfügbar."

"Deshalb haben wir uns gefragt, warum sollen wir uns gegenseitig ausspionieren, wenn es GPS gibt? In der Formel 1 wird das bereits so gemacht. Meiner Meinung nach wird das aber eine Herausforderung, denn bei einem Motorrad ist es nicht so trivial, die GPS-Daten zu lesen."

Charles Leclerc, Esteban Ocon, Oscar Piastri

In der Formel 1 sind GPS-Analysen seit vielen Jahren üblich Zoom

Ducati-Motorsportchef Gigi Dall'Igna glaubt, dass von diesen Daten eher Teams profitieren werden, die aufholen müssen. "In der Formel 1 wird das schon gemacht, also ist es vernünftig, das auch in die MotoGP zu bringen", so der Italiener bei GPOne.com.

Aber Paolo Bonora hält dagegen: "Jene, die von der Formel 1 kommen wissen, dass es auch Probleme geben kann. Massimo Rivola hat diese Dynamiken gesehen und weiß, dass so ein akkurates Signal dazu führt, dass die Kosten für Ausstattung des Personals und die Analysen steigen."

Andererseits können die Kosten für die Videoanalyse eingespart werden, wenn man nach jedem Training die GPS-Daten automatisch von der Rennleitung übermittelt bekommt. "Es ist ein großes Projekt, aber ich denke, das wird viel Nutzen beitragen", findet Ezpeleta.

Kritik von Jack Miller: "Wofür soll das gut sein?"

Entscheidend ist, dass die neuen GPS-Transponder viel genauer als die derzeit verwendeten sind, "mit einer Genauigkeit von 50 Zentimetern oder weniger", so Aprilia-Rennmanager Bonora bei GPOne.com.

"Die Rennleitung wird diese Daten in Echtzeit zur Verfügung haben. Ich schätze, sie werden das für bessere Analysen im Fall von Unfällen verwenden. Der dritte Punkt sind die Fernsehstationen, die diese Daten auch zur Verfügung haben und einen Wow-Effekt erzeugen können."

Jack Miller

Jack Miller sieht die Offenlegung aller GPS-Daten für den falschen Weg Zoom

Denn mit Grafiken können künftig auch bei TV-Analysen viel mehr Details gezeigt werden. "Die Einführung von GPS wird komplett neue Möglichkeiten und Ideen eröffnen", sieht Bonora die künftigen Chancen sehr positiv.

Auf Fahrerseite gibt es aber auch Kritik. "Wofür soll das gut sein?", fragt sich Jack Miller. "Es sind Motorradrennen und die Idee dahinter ist, schneller als die Konkurrenz zu sein. Und nicht um im Detail zu sehen, wo man schneller ist. Dieses Rätselraten macht diesen Sport schön."