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  • 15.12.2011 16:59

  • von Stefan Ziegler

Rückblick 2011: Die Privatierwertung

Kristian Poulsen und sein BMW 320 TC sicherten sich 2011 den Privatiertitel, doch der Wettbewerb dieser Konkurrenz war hart umkämpft: Teil 4 des Rückblicks

(Motorsport-Total.com) - 344 Rennrunden, zahlreiche packende Zweikämpfe, sechs strahlende Laufsieger und ein erfolgreicher Titelverteidiger: Die WTCC begeisterte im abgelaufenen Rennjahr durch engen Motorsport und viele spektakuläre Szenen. Von Südamerika über Europa nach Asien - Chevrolet hatte die Konkurrenz von Anfang an sehr gut im Griff und setzte sich letztendlich deutlich gegen BMW, SEAT und Volvo durch.

Titel-Bild zur News: Kristian Poulsen

Kristian Poulsen zeigte der Konkurrenz 2011 meistens nur die BMW Heckpartie

Doch so souverän die Herstellerwertung entschieden wurde, so erbittert kämpften die Piloten um die Fahrerkrone. Yvan Muller, Rob Huff und Alain Menu lieferten sich ein sehr beeindruckendes Duell, das schließlich in einem ungeheuer spannenden Finale mündete. 'Motorsport-Total.com' blickt nun zurück auf die WTCC-Saison 2011 und zeichnet den Jahresverlauf nach. Heute: Die Privatierwertung.

War in der WM-Tabelle schon frühzeitig absehbar, dass einer der drei Chevrolet-Piloten den Titel holen würde, so präsentierte sich die Privatierwertung der WTCC wesentlich umkämpfter. Bis kurz vor Schluss befanden sich nämlich noch sämtliche dort vertretenen Marken im Titelrennen und im Jahresverlauf siegten nicht weniger als acht Piloten. Erst in Macao fiel schließlich die Entscheidung.

Und zwar zugunsten von Kristian Poulsen (Engstler/BMW), der sich letztendlich hauchdünn gegen seinen dänischen Landsmann Michel Nykjaer (Sunred/SEAT) durchsetzte. Franz Engstler (Engstler/BMW), der einzige Deutsche im Starterfeld, mischte indes genau so munter mit wie Norbert Michelisz (Zengö/BMW), Javier Villa (Proteam/BMW) und Darryl O'Young (Bamboo/Chevrolet).

2011 wurde aber wieder einmal deutlich: Konstanz macht sich bezahlt, denn wer bei jedem Event einige Punkte mitnahm und sich gelegentlich in die Siegerliste eintrug, war am Ende des Jahres noch vorne mit dabei. So fochten beim Saisonfinale insgesamt fünf Fahrer die Toppositionen untereinander aus, doch Poulsen war nicht mehr einzuholen. Der Däne rettete seinen Vorsprung über die Linie.

Kristian Poulsen (Engstler/BMW)

"Alles klappte perfekt", sagt Poulsen über seine Saison in der WTCC. "Nur im Sommer war ich etwas glücklos, ansonsten staubte ich immer eine Menge Zähler ab. Ich versuchte einfach nur, jedes Mal möglichst viele Punkte mitzunehmen." Im Schnitt waren es 11,75 pro Wochenende - genug, um sich im breiten Privatierfeld zu behaupten. Davon zeugt auch ein Blick in die WM-Gesamtwertung.

Kristian Poulsen

Kristian Poulsen holte sich in Macao die Siegertrophäe der WM-Privatfahrer ab Zoom

Dort wird der 32-Jährige nämlich als bester Privatfahrer mit 112 Punkten an siebter Stelle geführt. In der Klassenwertung brachte es Poulsen auf insgesamt sechs Siege und 141 Zähler, was bei dieser Leistungsdichte eine klasse Ausbeute darstellt. "Es hätte nicht besser sein können", meint der Däne. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb er 2012 nicht zur Titelverteidigung in der WTCC antritt...

Michel Nykjaer (Sunred/SEAT)

Nur knapp geschlagen, aber dennoch Zweiter: Nykjaer lieferte seinem Landsmann vor allem in den Schlussrennen einen heißen Tanz, doch selbst zwei Klassensiege in Macao reichten nicht aus, um Poulsen noch von der Spitze zu verdrängen. Dafür hatte Nykjaer speziell in Monza und Valencia zu viele Federn gelassen, als dass die Titelchance noch im realistischen Rahmen gewesen wäre.

Pepe Oriola, Michel Nykjaer, Fredy Barth

Michel Nykjaer war in der Saison 2011 der beste Fahrer eines SEAT-Rennwagens Zoom

Trotzdem: Mit ebenfalls sechs Siegen und 139 Punkten machte auch der 32-Jährige kräftig auf sich aufmerksam und zeigt sich gefasst: "Wir hatten zu Beginn einige Probleme, also musste ich aufholen. Ich gewann dann vier der letzten sechs Rennen und damit kann ich rückblickend zufrieden sein. Leider fehlten am Ende ein paar Punkte", sagt Nykjaer. Immerhin: Er war 2011 bester SEAT-Privatier.

Franz Engstler (Engstler/BMW)

Zu den Siegern darf sich auch Engstler zählen. Der 50-jährige Routinier beendete schließlich im Sommer erstmals ein Rennen auf Platz eins und staubte noch dazu insgesamt vier Klassensiege ab. Dass der aus dem Allgäu stammende Rennfahrer letztendlich nicht in die Entscheidung an der Privatierspitze eingreifen konnte, lag nicht zuletzt an der Technik und unglücklichen Zwischenfällen.

Franz Engstler

Franz Engstler stand in Donington und Oschersleben auf dem Treppchen Zoom

Engstler zieht aber ein positives Saisonfazit, zumal sein Stallgefährte Poulsen den Titel holte und gemeinsam mit ihm auch den ersten Platz in der Teamwertung sicherstellte. "Was soll ich da noch groß sagen? Ich bin einfach stolz auf die Leistung des gesamten Teams", meint Engstler, der auch 2012 wieder ins Lenkrad greifen wird. Die Erfolge der nun vergangenen Saison beflügeln also.

Norbert Michelisz (Zengö/BMW)

Etwas mehr davon hätte sich Michelisz sicherlich erwartet. Der Ungar hatte sich 2010 mit einem Sieg in die Winterpause verabschiedet, ließ nach einem Markenwechsel von SEAT zu BMW aber den Auftakt in Brasilien aus und verschenkte so wichtige Punkte. Diese fehlten dem 27-Jährigen unterm Strich, doch auch eigene Fahrfehler kosteten Michelisz an Boden. Mehr als Platz vier war nicht drin.

Norbert Michelisz

In Budapest hatte Norbert Michelisz ein Heimspiel - und fuhr prompt auf Platz zwei Zoom

Zugute halten darf sich Michelisz, dass er sich mit seinen Leistungen im BMW 320 TC nicht hinter den weitaus erfahrenen Kollegen verstecken muss - oftmals fuhr der ungarische "Rennfahrer des Jahres" ganz vorne mit. Auch am Hungaroring, also vor heimischem Publikum. "Diese Erinnerungen werden mich bis an mein Lebensende begleiten", sagt Michelisz über die Emotionen beim Budapest-Event.

Javier Villa (Proteam/BMW)

Eine starke Debütsaison zeigte Villa. Der junge Spanier wechselte vom Formelsport in den Tourenwagen und schlug sich dabei beachtlich gut. Auf ihm bekannten Strecken war der 24-Jährige auf Anhieb bei der Musik, was ein dritter Platz in Budapest klar unterstreicht. "Wir hatten einige sehr gute Rennen", meint Villa. "Ich bin recht zufrieden, denn das war ein ordentlicher erster Schritt."

Javier Villa

Javier Villa fand bei Proteam und in der WTCC eine neue sportliche Heimat Zoom

Hin und wieder agierte der BMW Pilot aber auch noch ziemlich ungestüm und nahm sich speziell in Valencia nicht die nötige Zeit, um Tom Coronel um die Führung zu erleichtern. Stattdessen krachte es heftig - und der mögliche Sieg war futsch. Andererseits wies Villa 2011 auch erfahrene Haudegen wie Gabriele Tarquini erfolgreich in die Schranken. Dies gelang dem Nachwuchspilot aber nicht jedes Mal.

Darryl O'Young (Bamboo/Chevrolet)

"Es war eine gute Saison", sagt O'Young über sein Abschneiden in der Tourenwagen-WM. Platz sechs bei den Privatiers und "nur" ein Klassensieg können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Chinese sich mehr erhofft hatte. Im Jahresverlauf verlor O'Young im Chevrolet Cruze 1,6T aber sukzessive an Boden und fiel von Rang zwei weit zurück. "Das war schon sehr frustrierend", sagt er.

Darryl O'Young

Darryl O'Young schied vorzeitig aus dem Titelrennen aus und wurde Sechster Zoom

Gleichwohl habe er sich in seiner erst zweiten Saison im Tourenwagen durchaus wohl gefühlt. Einigen starken Ergebnissen im ersten Saisondrittel konnte O'Young dann allerdings schier keine weiteren Glanzlichter folgen lassen. Oftmals war auch reichlich Pech dabei - wie in Suzuka, als der 31-Jährige in Führung liegend abgeräumt wurde. An einem guten Tag war O'Young aber ein Top-5-Kandidat.

Colin Turkington (Wiechers/BMW)

Von den Gastpiloten der Saison 2011 tat sich vor allem Colin Turkington hervor. Der Nordire war in diesem Jahr dreimal für das Wiechers-Team aktiv und wusste sowohl in Donington Park als auch in Suzuka und Schanghai schwer zu überzeugen. "Als Gastfahrer tust du dich aber vergleichsweise schwer damit, ein Gefühl für das Auto und das Team aufzubauen", erklärt Turkington rückblickend.

Colin Turkington

In Schanghai sorgte Colin Turkington mit Wiechers für eine tolle Überraschung Zoom

Dies hielt den Tourenwagen-Routinier und ehemaligen BTCC-Champion aber nicht davon ab, in China den WM-Kandidaten Rob Huff ganz frech zu überholen und Wiechers das beste Wochenende in der Teamgeschichte zu bescheren. Mehr Einsätze waren nicht drin, weil Turkington nicht das dafür nötige Budget aufbringen konnte. 2011 war trotzdem beste Werbung in eigener Sache - wieder einmal...

Stefano D'Aste (Wiechers/BMW)

Auch Stefano D'Aste zeigte sich in Porto, Oschersleben und Valencia von seiner besten Seite. Der Italiener fuhr mit seinem BMW an der Spitze des Feldes, verblüffte Fans und Experten mit seiner Auto-Beherrschung und mischte das Establishment gehörig auf. Ein Klassensieg und einige Topränge waren die logische Folge seiner Gaststarts, die Wiechers die ersten Saisonpunkte bescherten.

Robert Huff, Yvan Muller, Stefano D'Aste

Führungsrunden in Portugal: Stefano D'Aste hielt die Rivalen auf Distanz Zoom

Und genau wie Turkington, so wäre auch D'Aste ein Titelkandidat gewesen, hätte er nur die komplette Saison bestreiten können. Davon sind nicht nur der deutsche Wiechers-Rennstall überzeugt, sondern auch große Teile des Fahrerlagers. Die Zahlen sprechen ebenfalls für sich: Bei im Schnitt 12,33 Zählern pro Event wäre der sympathische Italiener 2011 sicher eine richtig große Nummer gewesen.

Und dann waren da noch...

Eine durchwachsene Saison erlebte indes Mehdi Bennani (Proteam/BMW) konnte sich aber immerhin zum Jahresende steigern und feierte zahlreiche persönliche Höhepunkte - eine Bestzeit im Warmup von Schanghai sowie Top-10-Plätze in China und Japan unterstreichen den Aufwärtstrend des jungen Afrikaners. Als jüngster WTCC-Pilot aller Zeiten überzeugte auch Pepe Oriola (Sunred/SEAT) sehr.

Pepe Oriola

Jetzt 17 Jahre jung: Pepe Oriola ist derzeit der einzige Teenager in der WTCC Zoom

Der 17-jährige Spanier fuhr bereits bei seinem ersten Einsatz den ersten WM-Punkt ein und schloss sein Debütjahr in der Privatierwertung der Tourenwagen-WM auf dem soliden achten Platz ab. Ähnlich gut verkaufte sich Charles Ng (Engstler/BMW), der Beste der erstmaligen WTCC-Gastpiloten. Ng holte insgesamt sieben Punkte und legte eine recht konkurrenzfähige Geschwindigkeit an den Tag.

Und Fredy Barth (SEAT-Swiss/SEAT)? Dem Schweizer klebte 2011 das Pech an den Rennstiefeln. Ein Technikdefekt jagte den nächsten und Besserung wollte sich einfach nicht einstellen. Ein Unfall in Macao beendete die Saison des 32-Jährigen obendrein vorzeitig, doch Barth zeigt sich kämpferisch und betont zuversichtlich: "Wir sind auf dem richtigen Weg. Bei mir zeigt der Daumen nach oben."

Der WTCC-Saisonrückblick 2011:

01. Das erste Saisondrittel
02. Das zweite Saisondrittel
03. Das letzte Saisondrittel
04. Die Privatierwertung
05. Fakten und Zahlen zur Saison
06. Yvan Muller
07. Chevrolet
08. BMW
09. SEAT
10. Volvo
11. Team Engstler
12. Team Wiechers