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  • 05.11.2009 12:42

  • von Stefan Ziegler

Leute mit Biz: Rennfahrer und Teamchef Franz Engstler

In seinem Autohaus verkauft er Alfa Romeos, doch im Motorsport setzt er seit Jahren auf BMW: Franz Engstler und sein Team mischen die Weltspitze auf

(Motorsport-Total.com) - "Die Formel 1 ist alle zwei Wochen für zwei Stunden Sport, aber dazwischen knallhartes Business", hat der große Frank Williams einmal gesagt. Für 'Motorsport-Total.com' Grund genug, eine Artikelserie ins Leben zu rufen, die sich mit dem Businessaspekt des Motorsports beschäftigt. In unregelmäßigen Abständen stellen wir eine Persönlichkeit vor, die sich im Motorsportbusiness durchgesetzt hat und mit Biss an ihre Sache herangeht - "Leute mit Biz" eben. Heute in der 19. Edition: Franz Engstler - Rennfahrer und Teamchef in Personalunion.

Titel-Bild zur News: Franz Engstler, Curitiba, Curitiba Circuit

Mit dem BMW 320si auf du und du: Franz Engstler fährt als Privatier in der WTCC

Mai 2009: Franz Engstler steht vor dem größten Erfolg seiner Rennkarriere, doch das Schicksal macht dem Rennfahrer aus dem Allgäu einen Strich durch die Rechnung. In einer nicht einsehbaren Kurve kreuzt das Safety-Car die Linie des Deutschen, der in diesem Augenblick das Feld der Tourenwagen-WM um den schwierigen Circuit de Pau Ville führt. Der Crash ist unvermeidbar und Engstler scheidet aus.#w1#

Einen solchen Zwischenfall hat der Rennsport bis dato noch nicht gesehen - und auch Engstler war in seiner fast 40 Jahre währenden Karriere niemals zuvor in derartige Ereignisse verwickelt. Dabei dreht sich bei Engstler schon seit frühester Kindheit alles nur um ein einziges Thema. "Ich hatte schon als Kind den Hang zum Motorsport", sagt der heute 48-Jährige. "Autos sind mir stets das Wichtigste gewesen."

Von der Werkstatt in die weite Welt

"Man konnte mir schenken, was man wollte - solange ein Matchboxauto dabei war, war die Welt für mich in Ordnung", erzählt Engstler. Lange hielt sich der Bayer aber nicht mit den Miniaturen auf, sondern wagte schon bald seine ersten Fahrversuche auf der Rennbahn. Im Alter von elf Jahren saß Engstler erstmals im Kart - und dieser Schritt sollte seine weitere Karriere maßgeblich prägen.

"Gemeinsam mit einem Bekannten, der eine Werkstatt bei uns im Ort besaß, habe ich das erste Kart zusammengebaut", sagt Engstler rückblickend und erklärt: "Mich hat nicht nur der Motorsport interessiert, sondern auch die Technik. Schon mit zwölf Jahren konnte ich schweißen und an der Drehbank arbeiten. Nach der Schule bin ich immer direkt in die Werkstatt. Das hat mich richtig interessiert."

Franz Engstler

Sternstunde: Franz Engstler fährt in Macao 2008 seinen ersten Trophy-Rennerfolg ein Zoom

Ausgestattet mit diesen Kenntnissen und Fähigkeiten trat Engstler zu Beginn der Achtziger bei verschiedenen Bergrennen an und konnte dabei erste Erfolge einstreichen. Den entscheidenden Schub erhielt seine Karriere allerdings einige Jahre später im Rahmen der Förderung durch die Rennsportschule des ADAC: "Ich habe unter 600 Teilnehmern am besten abgeschnitten", berichtet Engstler.

BMW als Wegbereiter für Franz Engstler

"Das hat mir eine Formel-3-Testfahrt bei Willi Weber beschert. Auch dort schlug ich mich gut, und so erhielt ich die Möglichkeit, das erste Jahr in der Formel 3 zu bestreiten. Das war für mich natürlich ein fantastischer Einstieg, denn aus eigener Kraft hätte ich das niemals finanzieren können", gesteht Engstler. "Ich hatte schon einige Sponsoren, aber als Einsteiger bist du da natürlich nicht sonderlich gut aufgestellt."

Dennoch hinterließ Engstler in der Formel 3 einen so guten Eindruck, dass ihn das Dallara-Team gerne in seinen Formel-1-Rennstall geholt hätte. Letztendlich scheiterte dieser Deal aber an der zu hohen Mitgift, die Engstler hätte aufbringen müssen. "Danach habe ich die Formelschiene abgehakt, denn das war einfach nicht machbar", meint er. Wenig später öffnete sich eine andere Tür für den sympathischen Rennfahrer.

Franz Engstler, Kristian Poulsen

Das Engstler-Team setzt schon seit langer Zeit auf Rennfahrzeuge von BMW Zoom

"BMW hat mir die Chance geboten, in der DTM zu fahren. Für mich war das eine tolle Geschichte", schildert Engstler seinen Einstieg in den Tourenwagen-Sport. "Es war eine vollkommen neue Situation für mich, erstmals ein bisschen Geld mit dem Motorsport zu verdienen", sagt Engstler, der parallel allerdings noch andere Pläne vorantrieb: Der Allgäuer wollte sich ein zweites Standbein neben dem Rennsport aufbauen.

Erst das eigene Autohaus, dann der eigene Rennstall

Zu Beginn der neunziger Jahre entschied sich der gelernte Bäckermeister dazu, ein eigenes Autohaus zu gründen, um im Fall der Fälle eine Zukunftsperspektive zu haben. "Im Motorsport gibt es nun einmal keinen Garantieschein", erläutert Engstler. "Ein Unfall oder der Wegfall eines Sponsors können theoretisch das Ende deiner Laufbahn bedeuten. Ich habe daher nebenher immer noch gearbeitet."

"Mit diesem Geld bestritt ich meinen Lebensunterhalt, das im Motorsport verdiente Gehalt diente als Startkapital, um mich selbstständig zu machen. Diesen Schritt machte ich 1991 mit dem Autohaus -und das war die richtige Entscheidung", sagt er. "Ich habe bei Null angefangen, doch der Bekanntheitsgrad wuchs sehr schnell. Meine Aktivitäten im Motorsport waren da natürlich eine große Hilfe."

Franz Engstler

Pau: Der kurioseste Crash des Jahres: Das Safety-Car räumt Franz Engstler ab! Zoom

Zu dieser Zeit war Engstler zumeist in BMW Rennwagen unterwegs, konnte seine Aktivitäten auf der Rennstrecke aber nicht 1:1 in sein Autohaus übertragen: In seiner Heimatregion gab es bereits eine ausreichende BMW Händlerpräsenz. Engstler musste umdisponieren: "Ich habe mich schließlich für Alfa Romeo entschieden, weil diese Marke im Allgäuer Raum nicht vertreten war", erklärt Engstler diesen Umstand.

"Nichtsdestotrotz fahren wir auch auf der Tuningschiene, die ja ebenfalls auf das Image aus dem Motorsport aufbaut. Das ist auf BMW fixiert", sagt Engstler, der in den Neunzigern auch die Autos der italienischen Fahrzeugschmiede Alfa auf den Rennstrecken Europas bewegte. 1996 erweiterte Engstler seine Tätigkeiten am Rennplatz entscheidend, denn fortan schickte er sein eigenes Team ins Rennen.

BMW und Liqui Moly als starke Partner

Erst fuhr der Engstler-Rennstall nur in nationalen Serien, doch schon wenig später machte sich das Team aus dem Allgäu auf in die weite Welt. Einem zweijährigen Gastspiel in Asien folgte 2008 der Aufstieg in die WTCC. Für Engstler - mittlerweile Pilot und Teamchef in Personalunion - war dies eine der größten Herausforderungen, der er sich im Lauf seiner langjährigen Karriere im Rennsport stellen musste.

In der Tourenwagen-WM trennt sich die Spreu vom Weizen: "In einer normal konkurrenzfähigen Rennserie hat man etwa drei bis vier Piloten, die titelfähig sind. In der WM trifft das auf rund 20 Fahrer zu - und dort wird zudem viel härter gefahren als in einer nationalen Serie", sagt Engstler. "Finanziell gesehen kostet die Teilnahme an einer internationalen Rennserie etwa das Achtfache einer nationalen Serie."

Für ein kleines Privatteam ist es daher besonders wichtig, die richtigen Partner an seiner Seite zu wissen. Und der Engstler-Rennstall darf sich glücklich schätzen, gleich zwei ausgezeichnete Unterstützer zu haben: "Ich bin auf der Strecke mittlerweile schon 20 Jahre mit BMW verheiratet", beschreibt Engstler sein Verhältnis zu den Münchenern, deren Rennwagen er seit Jahren erfolgreich einsetzt.

Kristian Poulsen

Lange Partnerschaft: Liqui Moly zeigt viel Präsenz auf den Engstler-Rennautos Zoom

Sein erfolgreicher Einstieg in die WTCC brachte ihm 2008 am Jahresende eine begehrte Trophäe ein: Engstler gewann zum zweiten Mal nach 2006 den BMW Sportpokal. "BMW fördert damit Privatfahrer aus aller Welt", erklärt er. "Es ist klasse zu sehen, dass die Marke den Privatiers auch etwas zurückgibt. Wir Privatfahrer werden von BMW als Botschafter für die Klasse ihrer Rennwagen gesehen. Dieser Support motiviert ungemein. Es macht Spaß, sich für und gemeinsam mit BMW ins Zeug zu legen."

Aktuell bringt Engstler in der WTCC zwei BMW 320si an den Start - und die Pläne für eine Erweiterung des Engagements liegen bereits in der Schublade. Eine maßgebliche Rolle bei diesem Vorhaben spielt nicht zuletzt Titelsponsor Liqui Moly, der Engstlers Rennsportreise durch sämtliche Kategorien begleitet und mitgetragen hat. "Unsere Partnerschaft ist im Motorsport gewiss einzigartig", meint Engstler.

Die Zukunft gehört dem Fahrernachwuchs

"Liqui Moly hat mich bereits in meinem ersten Formel-3-Jahr 1988 unterstützt. 2009 besteht unsere Partnerschaft also schon seit 21 Jahren. Das ist im Motorsport sicherlich eine große Hausnummer", so der deutsche Rennfahrer. "Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Das zeichnet dieses Unternehmen und seine Struktur auch aus: Liqui Moly ist sehr bodenständig und absolut zuverlässig", hält Engstler fest.

Das trifft auch auf den WM-Piloten zu, der seiner Heimat trotz des internationalen Betätigungsfeldes stets treu geblieben ist: "Das Allgäu ist einfach eine wunderschöne Gegend", sagt Engstler. "Für mich ist die Lebensqualität dort schlichtweg einzigartig." Ähnlich einzigartig, wie sein gesamtes Rennprojekt: "Ich musste mir alles sehr hart erarbeiten", so Engstler weiter. "Das macht mich schon stolz."

Franz Engstler

Franz Engstler ist Teamchef, greift aber nur zu gerne auch selbst ins Lenkrad... Zoom

"Es gab aber auch einige Rückschläge. 1999 ist einer unserer großen Sponsoren Konkurs gegangen. Das hat uns zu schwer zurückgeworfen, und wir mussten vier Jahre lang kämpfen, um die Firma überhaupt am Leben zu erhalten. So etwas prägt aber auch", erläutert der Teamchef. "Ich schulde niemandem im Fahrerlager auch nur einen einzigen Euro und darauf bin ich stolz."

Und das soll auch so bleiben, selbst wenn Engstler den Helm eines Tages an den Nagel hängt: "Ich plane, das Team auch nach meiner aktiven Fahrerzeit noch zu betreiben", kündigt der frühere DTM-Pilot an. "Ich möchte in Richtung Nachwuchsförderung gehen, um dem einen oder anderen Piloten ein paar Möglichkeiten zu bieten. Ich will noch möglichst lange im Motorsport aktiv sein - als Teamchef oder Fahrer."

Engstlers Kuriositätenkabinett aus dem Rennsport

"Der Motorsport hat mein gesamtes Leben geprägt. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen, die von sich behaupten können, ihr Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Was gibt es denn Schöneres? Ich gehe jeden Tag mit Freude in die Firma oder an den Rennplatz. Ich habe eine tolle Mannschaft aufgebaut, und das ist gar nicht so nicht einfach", sagt Engstler.

Vor allem Stadtkurse haben es dem Routinier angetan - und Kuriositäten scheinen Engstler dabei förmlich anzuziehen: "Ein Freund von mir führt verschiedene Aktivitäten für das Buch der Rekorde durch", berichtet Engstler. "In Macao hat er sich einmal auf Skiern an mein damaliges STW-Auto gehängt" - per Kopfnicken sollte der Skifahrer am Heck des BMW Wagens jeweils einer Tempoerhöhung zustimmen.

Franz Engstler

Franz Engstler und sein Rennstall haben sofort zur Weltspitze aufgeschlossen Zoom

"Ich beobachtete ihn im Spiegel", schildert Engstler die Ereignisse. "Im zweiten und dritten Gang nickte er fröhlich, auch im vierten, fünften und sechsten. So sind wir quasi mit Vollgas durch die Mandarin-Kurve gefahren - bis er abflog. Außer ein paar Prellungen hat er sich aber glücklicherweise nichts zugezogen." Die heftigen Bodenwellen hatten den Skifahrer so durchgeschüttelt, dass es wie ein Nicken aussah.

Kurz nach dem Crash konnten die Freunde schon wieder darüber lachen. Engstler weiter: "Die Krönung war: Er fliegt mit 220 km/h in die Leitplanken und kommt quasi unversehrt davon. Abends geht er in die Dusche, rutscht aus und bricht sich Schlüsselbein und Schulter. Über solche Erlebnisse könnte ich ein ganzes Buch schreiben", sagt der Pilot aus dem Allgäu. Und Pau wäre wohl ein großes Kapitel...

Franz Engstler im Kreuzverhör:

Geburtsdatum: 25.07.1961

Geburtsort: Kempten

Wohnhaft in: Wildpoldsried

Familienstand: verheiratet

Erstes Fahrzeug: Golf 1 GTI

Aktuelles Fahrzeug: BMW 645

Erlernter Beruf: Bäckermeister, Betriebswirt FH

Im Motorsport involviert seit: 1987

Größter beruflicher Erfolg: Bester Alfa-Romeo-Händler Deutschlands im Service und Vertrieb 1997

Größtes Ziel: Gesundheit und noch eine lange Zeit im Motorsport

Lieblingsfahrer und -team: Ayrton Senna und mein eigener Rennstall

Online oder Print? Beides

Business- oder Economy-Class? Economy

Boulevard oder Feuilleton? Boulevard

Festgeld oder Optionsschein? Steckt alles im Motorsport!

T-Shirt oder Sacko? Je nach Anlass

Opernball oder Oktoberfest? Oktoberfest

Arbeit oder Hobby? Arbeit

Lebensmotto: Wer später bremst, hat länger Spaß!

Lieblingslektüre: Keine spezielle

Person, die ich am meisten bewundere: Alessandro Zanardi. Er ist einfach nur klasse!

Person, mit der ich mal auf ein Bier gehen möchte: Ich würde gerne einmal wieder eine Party mit Michael Schumacher feiern...

Geld bedeutet für mich... Sicherheit, ist mir aber nicht so wichtig

Motorsport fasziniert mich, weil... es mein Leben ist!